W. [AW 45, 97, 108f.]
[CS 194]
[AUS 37]
siehe bei Wertach
Waadtland. [RS 15]
Kanton im Westen der Schweiz. Der Kanton wird als die Waadt oder auch als das Waadtland bezeichnet, im Französischen Pays de Vaud. Die Einheimischen werden als Waadtländer, im Französischen als Vaudois bezeichnet.
Wadi Kerek [AW 213]
nahe dem Toten Meer. Wird mit Fluss Zared in Verbindung gebracht ("Madaba Karte"),
der im Altertum in der Nähe der heutigen Stadt Karak geflossen sein soll
währschaft [LL 97]
deutsch-schweizerisch: solide, tüchtig, zuverlässig, gut, reell,
(Essen)räftig und nahrhaft, sättigend. Synonym für
brav, deftig, derb, gediegen, handfest, ordentlich, reell, rustikal, solide, tüchtig, wertbeständig
Wagendeichsel [RS 318]
Sternbild Große Bärin enthält ein Teilsternbild (Asterismus), nämlich 7 sehr helle Sterne, im europäischen Kulturkreis als Großer Wagen bezeichnet. Die Wagendeichsel stellt den etwas zu lang geratenen Schwanz der Bärin dar, während die Kastensterne zu ihrer Flanke gehören.
Sternenhimmel am 17.10.1987 über Norwich siehe
Waggerl, Heinrich [UH 14]
1897 - 1973 österreichischer Schriftsteller. Mit 5 Millionen verkaufter Bücher und Übersetzungen in mehr als einem Dutzend Sprachen zählt Waggerl zu den meistgelesenen deutschsprachigen Autoren des 20. Jahrhunderts.
1936 Mitglied des Bundes deutscher Schriftsteller Österreichs, der sich 1934 vom P.E.N.-Club abspaltet, da einige Schriftsteller eine Protestnote gegen die Verfolgung und Einkerkerung deutscher Schriftstellerkollegen im Zuge der Bücherverbrennung im März 1933 im Deutschen Reich verfasst hatten. Die Mitglieder des „Bundes“ arbeiten energisch auf den Anschluss hin, um „den Weg zur Befreiung ihres Volkes zu bahnen und zu vollenden“ In ihm finden sich Mitglieder und Sympathisanten der NSDAP zu einer illegalen Tarnorganisation zusammen.
Nach dem Anschluss Österreichs 1938 an das Deutsche Reich beteiligt W. sich mit einem Beitrag am „Bekenntnisbuch österreichischer Dichter“, das den Anschluss begeistert begrüßt. „Dichter bekennen sich zur Heimkehr ins Reich“: Mögen alle Sünden verziehen sein, nur die eine nicht: Jetzt noch zu zweifeln oder zu verneinen!
An Hitler rühmt W. befreiende Kraft einer wahrhaft großen Menschlichkeit.
1938 Mitglied der NSDAP, 1939 Landesobmann für Schriftsteller im NS-Gau Salzburg, befreundet mit dem Nazi-Schriftsteller Karl Springenschmid, sein Schul- und Lehrerkollege und Hauptverantwortlicher für die Salzburger Bücherverbrennung am 30. April 1938, 1941 Teilnahme am Weimarer Dichtertreffen, Gründung der "Europäischen Schriftsteller-Vereinigung", Ziel: die europäische Literatur nach einem Endsieg des Deutschen Reiches unter deutsche Vormacht zu stellen.
Waiblinger, Wilhelm. [LL 78]
* Heilbronn 1804 † Rom 1830 Dichter, Schriftsteller
Hilfsschreiber am Uracher Oberamtsgericht, Gymnasium. Hochbegabt, studiert Theologie am Tübinger Stift, häufig Gast bei dem als wahnsinnig geltenden Friedrich Hölderlin. Roman Phaeton Gehört zum Freundeskreis Eduard Mörikes. Nach (für damalige Verhältnisse skandalösem Verhältnis zur fünf Jahre älteren Julie Michaelis) verzichtet Waiblinger auf den christlich-moralischen Anschein, den er sich wegen des Theologiestudiums geben mußte, Ausschweifungen, Niederschlag in den Werken Lieder der Verirrung, Drei Tage in der Unterwelt. Deswegen vom Tübinger Stift relegiert. Italienreise, Rom (aus kulturgeschichtlicher Perspektive als auch wegen freizügiger Sexualität reizvoll) , ab 1827 in wilder Ehe mit Nena Carlenza, Sizilienreise, Hölderlinbiografie
Waldau [LL 133, 155]
bei Bern: Psychiatrische Klinik der Universitären Psychiatrischen Dienste Bern.
1744 bis 1749 Tollhaus erbaut. Lange Zeit werden die Insassen neugierigen Spaziergängern
durch Gucklöcher in den Zellentüren gegen ein Trinkgeld gezeigt. Die ganze Anlage hiess Ausser-Krankenhaus.
Eigentliche „Irrenanstalt“ 1850 gegründet. 1852 Neubau, Raum für 250 Patienten.
Bekannte Bewohner: der Art-Brut-Künstler Adolf Wölfli (von 1895 bis 1930), die Schriftsteller Hans Morgenthaler
(1925), Robert Walser (von 1929 bis 1933)
Friedrich Glauser (von 1934 bis 1936).
Waldbaurschokolade [SG 272]
Firma Waldbaur 1848 in Stuttgart gegründet, gehört zu den ältesten deutschen Schokoladenherstellern.
Gründer Brüder Franz und Gustav Waldbaur mit Sitz in Stuttgart, 1976 von Stollwerck übernommen, Produktion in Stuttgart 1977 beendet.
Wales [AUS 206]
Welsh Marches (Walisische Marken) - Landschaft entlang der Grenze England/Wales. Begriff aus dem Mittelalter,
als Königreich England sich nach Wales ausbreitet
Heute inoffizielle Bezeichnung für die Countys entlang der Grenze zu Wales, vor allem auf englischer Seite:
Cheshire, Shropshire, Herefordshire (in England) und Monmouthshire (in Wales).
Westliche Hälfte von Gloucestershire (England) als auch Flintshire und Wrexham (Wales) manchmal hinzugerechnet
walisisches Grenzland [CS 215]
Die Welsh Marches sind eine Landschaft entlang der Grenze zwischen England und Wales. Der Begriff kam im Mittelalter auf, als das Königreich England sich nach Wales ausbreitete und kann mit Walisische Marken übersetzt werden.
Heute bezeichnet man – inoffiziell – mit Welsh Marches die Countys entlang der Grenze zu Wales, vor allem auf englischer Seite. Es handelt sich dabei um Cheshire, Shropshire, Herefordshire (in England) und Monmouthshire (in Wales). Die westliche Hälfte von Gloucestershire (England) als auch Flintshire und Wrexham (Wales) werden manchmal hinzugerechnet.
Wallfahrt [RS 3]
frz. pèlerinage à pied (Motto S. 9)
(lat. peregrinatio religiosa, v. wallen in eine bestimmte Richtung ziehen, fahren unterwegs sein) traditionelle Reise, um ein heiliges Gebot zu erfüllen oder zum Zweck des Besuches einer bestimmten Pilgerstätte mit religiöser Bedeutung. Pilgerreise, Pilgerfahrt, Betfahrt, im Islam Haddsch oder Ziaret.
Im symbolischen Sinn Initiation oder Akt der Ergebenheit. Hohe moralische Bedeutung, kann auf den alten Glauben, dass die übernatürlichen Mächte ihre Kraft an bestimmten Orten besonders stark entfalten, zurückgehen. Im Islam ist das Mekka, die Geburtsstadt des Propheten. Im Hinduismus Benares am Ganges. Für Buddhisten und Christen die Schlüsselstationen im Leben des Gautama Buddha oder Jesu Christi, der Gottesmutter Maria oder eines Heiligen. Im Christentum des europäischen Mittelalters solche "Wundertätigkeiten" vielen Orten zugeschrieben, manchmal auch im Zusammenhang mit Pogromen an jüdischen Gemeinden und erwiesenermaßen erfundenen antijudaistischen Legenden.
Wallis [RS 15]
Kanton im Südwesten der Schweiz
Walser, Adolf [LL 130]
entstammt 15köpfigen Familie,
Buchbinder und erfogloser Kaufmann, verheiratet mit Elisa aus Biel, Kanton Bern.
Vater von Robert Walser
Walser, Karl [LL 129]
1877-1943, Schweizer Maler, Bühnenbildner und Illustrator, der ältere Bruder von Robert Walser
Lehre als Zeichner, dann als Dekorations-Maler, Kunstgewerbeschule Straßburg.
Ab 1901 Buchgestalter Berlin. 1902 Ausstellung in der Berliner Secession, freundet sich mit Max Liebermann,
Lovis Corinth und Max Slevogt an. Ab 1903 Bühnenbildner u. a. für das Theater am Schiffbauerdamm (Max Reinhardt)
beginnt Bücher seines Bruders Robert zu illustrieren. Die beiden Brüder bewohnen
gemeinsame Atelierwohnung in Berlin-Charlottenburg. 1910 Heirat mit Hedwig Agnes Czarnetzki.
Ab 1911 Wandmalereien für Hugo Cassirer, Walther Rathenau u. a. Ab 1917 wieder Schweiz,
wo er an Fresken und Radierungen arbeitet. 1921 zurück nach Berlin, Vorstandsmitglied der Freien Secession.
Arbeitet weiter für das Theater, 1925 endgültige Rückkehr in die Schweiz.
Zahlreiche Ausstellungen, Wandmalereien, u. a. für das Amtshaus in Zürich, den Grossratssaal im Berner Rathaus
und das Stadttheater Bern. Von 1933 bis 1937 Entwurf der Schutzumschläge für die Gesammelten Werke von
Thomas Mann im S. Fischer Verlag.
Walser, Lisa [LL 110, 129]
1847-1944, Schwester von Robert Walser
Primarschullehrerin Schweiz. Als Robert Walser im Frühjahr 1913 in die Schweiz zurückkehrt,
wohnt er vorübergehend bei Lisa W. in der Maison de Santé de Bellelay im Berner Jura. Lisa hat,
ihrerseits von einem langjährigen Auslandsaufenthalt aus Livorno heimkehrend,
die Leitung einer privaten deutschsprachigen Primarschule inne, in die die Angestellten
der Irrenanstalt Bellelay ihre Kinder schicken. Die Anstalt wurde 1899 in einem im zwölften Jahrhundert
erbauten Prämonstratenserkloster eingerichtet und dient, bis sie 1930 zu einer Heil- und Pflegeanstalt ausgebaut wird,
zur Unterbringung der "Unheilbaren" aus den Anstalten Waldau und Münsingen.Walsers Umgang dort beschränkt
sich allein auf seine Schwester und deren Freundin Frieda Mermet, die für die Anstalt als Büglerin arbeitet.
Lisa begleitet Robert Walser an seinem 50. Geburtstag - er ist in einer schweren Krise - zu einem
Psychiater, von dem er sich widerwillig in die Heilanstalt Waldau bei Bern einweisen lässt.
Walser, Martin [LL 132]
[Auf ungeheuer dünnem Eis 35,216,259]
Martin Johannes Walser
* in Wasserburg am Bodensee 1927 deutscher Schriftsteller.
Setzt sich wie viele andere linke Intellektuelle (Günter Grass u. a.) für die Wahl von Willy Brandt zum Bundeskanzler ein. 1964 Zuhörer beim Auschwitz-Prozess in Frankfurt. Engagiert sich gegen den Vietnamkrieg, reist nach Moskau und gilt als Sympathisant der DKP; mit Ernst Bloch, Robert Steigerwald u. a. befreundet.
Das Befremden der linken Szene, die Walser lange als einen der ihren betrachtet hat, wird zum vehementen Protest, als Walser anlässlich der Verleihung des Friedenspreises des deutschen Buchhandels am 11. Oktober 1998 in der Frankfurter Paulskirche eine Rede hielt, in der er eine „Instrumentalisierung des Holocaust“ ablehnt.
„Wenn mir aber jeden Tag in den Medien diese Vergangenheit vorgehalten wird, merke ich, daß sich in mir etwas gegen diese Dauerpräsentation unserer Schande wehrt. Anstatt dankbar zu sein für die unaufhörliche Präsentation unserer Schande, fange ich an wegzuschauen. Ich möchte verstehen, warum in diesem Jahrzehnt die Vergangenheit präsentiert wird wie nie zuvor. Wenn ich merke, daß sich in mir etwas dagegen wehrt, versuche ich, die Vorhaltung unserer Schande auf die Motive hin abzuhören, und bin fast froh, wenn ich glaube entdecken zu können, dass öfter nicht das Gedenken, das Nichtvergessendürfen das Motiv ist, sondern die Instrumentalisierung unserer Schande zu gegenwärtigen Zwecken. Immer guten Zwecken, ehrenwerten. Aber doch Instrumentalisierung. Auschwitz eignet sich nicht dafür, Drohroutine zu werden, jederzeit einsetzbares Einschüchterungsmittel oder Moralkeule oder auch nur Pflichtübung. Was durch Ritualisierung zustande kommt, ist von der Qualität des Lippengebets“
Als er in seinem 2002 erschienenen Schlüsselroman Tod eines Kritikers den Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki einerseits als Person und andererseits als Symbol einer unredlichen Kulturszene kritisiert, hagelt es Proteste. Frank Schirrmacher kritisiert sein "Spiel mit antisemitischen Klischees".
Das Holocaust-Mahnmal in Berlin wird von Walser während der Planungsphase abwertend als "fußballfeldgroßer Albtraum im Herzen der Hauptstadt" und "Kranzabwurfstelle" bezeichnet.
Im übrigen siehe
Walser, Robert [LL 5f, 110, 127ff.]
[Auf ungeheuer dünnem Eis 77, 97f.]
* Biel 1878 † Herisau Kanton Appenzell Ausserrhoden, Schweiz 1956 Schriftsteller (deutschsprachig)
Robert Otto Walser wird als siebtes von acht Kindern des Buchbinders und Kaufmanns Adolf Walser
und seiner Frau Elisa in Biel, Kanton Bern, geboren. Wächst in Biel zweisprachig auf
Muss Gymnsaium aus fin. Gründen verlassen. Lehre bei Kantonalbank, 1894 stirbt gemütskranke Mutter,
1895 nach Stuttgart zu Bruder, Bürokraft bei Verlag. Zu Fuß in die Schweiz zurück,
in unregelmäßig und rasch wechselnden Anstellungen
1895 - 1904 Basel, Stuttgart, Berlin, München, Solothurn.
1904 erstes Buch, Diener auf Schloss Dambrau in Oberschlesien,
Berlin. Romane Geschwister Tanner, Der Gehülfe, Jakob von Gunten
. Prosastücke, Walser, immer begeisterter Spaziergänger,
beginnt regelmäßig lange Fußtouren, oft auch Nacht- oder Gewaltmärsche. Prosastücke aus der Sicht des
Wanderers, der fremd durch die nahe Fremde geht. Während des Ersten Weltkriegs wiederholt Militärdienst.
Ende 1916 stirbt Walsers Bruder Ernst (einige Zeit geisteskrank), Buder Hermann (Professor der Geographie)
nimmt sich das Leben. Stil radikalisiert sich: „Mikrogramme“
(so genannt nach der winzigen, schwer zu entziffernden Bleistiftschrift).
Angstzustände und Halluzinationen, Zusammenbruch, begibt sich in Heilanstalt Waldau
bei Bern. In kleinster Schrift (Buchstaben kaum mehr höher als 1mm) Gedichte und Prosa.
Häufiger Besuch von Carl Seelig, stirbt bei Wanderung durch Schneefeld an Herzschlag
(Fotografien des toten Spaziergängers im Schnee erinnern unheimlich an
Ähnliches in Geschwister Tanner).
Film
Wanda [LL 133]
Titel in "Aufsätze" 1913 von Robert Walser
Wanderbursche [LL 133]
Titel des 3. Kapitels der ersten Geschichte "Wanderung" (S. 53) in "Poetenleben" (Kurzgeschichten 1917)
von Robert Walser
Wandervogelbewegung [AW 61]
eine 1896 in Berlin-Steglitz entstandene Bewegung, hauptsächlich Schüler und Studenten bürgerlicher Herkunft, die in einer Phase fortschreitender Industrialisierung der Städte und angeregt durch Ideale der Romantik sich von den engen Vorgaben des schulischen und gesellschaftlichen Umfelds losmachen, um in freier Natur eine eigene Lebensart zu entwickeln. Beginn der Jugendbewegung, die für Reformpädagogik, Freikörperkultur und Lebensreformbewegung im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts wichtige Impulse setzt.
Binnen weniger Jahre über den ganzen deutschsprachigen Raum ausgebreitet, vielfältigen Abspaltungen, Neugründungen. Umstritten etwa Fragen der Mädchenbeteiligung oder Alkoholabstinenz. Erster Weltkrieg und NS-Zwangseingliederung massive Einschnitte.
1909 Der Zupfgeigenhansl (Hrsg. Hans Breuer), eines der einflussreichsten und am weitesten verbreiteten deutschen Volksliederbücher. Das heute weltumspannende Jugendherbergswerk und die Reformpädagogik zu erheblichen Teil ihre Wurzeln in der W. Studentischer Ableger Deutsche Gildenschaft von 1923
Kritik der zeitgenössischen Öffentlichkeit im Umfeld einer Affäre mit homosexuellem Hintergrund, im Mittelpunkt Fürst Philipp zu Eulenburg, Freund Kaiser Wilhelms II. Im W. homoerotische Tendenzen von nicht näher bestimmbarem Ausmaß skandalisiert („Päderastenklub“)
Wannsee [RS 214]
[LW 93]
verkürzter Name "Wannsee" für den Großen Wannsee im südwestlichen Berliner Bezirk Steglitz-Zehlendorf,
an sich Bucht der seeartigen Erweiterung der Havel, der sogenannten Kladower Seestrecke.
Abgrenzung die gedachte Linie von der Schwanenwerderbrücke zum Großen Tiefehorn.
Havel, Großer Wannsee, Griebnitzkanal, Griebnitzsee und die Glienicker Lake umschließen
den inselartigen Berliner Ortsteil Wannsee westlich des Großen Wannsees.
Nördlich in der Havel die Insel Schwanenwerder westlich die Pfaueninsel.
Das Strandbad Wannsee am nördlichen Abschnitt des Ostufers mit langgestreckten und unter Denkmalschutz
stehenden Gebäudetrakt und FKK-Bereich vor dem Mauerfall beliebtestes Wochenend-Ausflugsziel der Bevölkerung West-Berlins.
(1951 Conny Froboess: „Pack die Badehose ein, nimm dein kleines Schwesterlein, und dann nüscht wie raus nach Wannsee“).
Personenschifffahrt auf dem See und entlang der Havel, nach Potsdam, Werder oder Tegel.
"Wannseekonferenz" am 20. Januar 1942 in der Villa Marlier am Westufer, geheime Besprechung hochrangiger Nazis
(Reichsbehörden und Parteidienststellen), Besprechung der Einzelheiten zur Ermordung der europäischen Juden.
1994 ist Sebald im Literarischen Colloquium einquartiert
Wasserkunst [NN 18]
System zur Förderung, Hebung und Führung von Wasser bei der Entwässerung und Wasserversorgung, im Spätmittelalter bei der Wasserversorgung von Städten und Burgen eingesetzt, verbreitet im Bergbau oder auch beim Betrieb von Springbrunnen und Fontänen. Zunächst nur die Einheit aus Pumpwerk und Wasserbehälter, später die Gesamtanlage des Röhrensystems. Die ersten Wasserkünste aus Holz, später Stein. Bestandteile: Pumpwerk, antreibendes Wasserrad, Hochbehälter, Röhrensystem, (meist ausgehöhlte Baumstämme=Teucheln).
Wassermann, Jakob [CS 58ff]
1873 - 1934 deutsch-jüdischer Schriftsteller, zählt zu den produktivsten und populärsten Erzählern seiner Zeit
Caspar Hauser oder Die Trägheit des Herzens, erschienen 1908, historischer Roman, handelt von den letzten
sechs Lebensjahren Caspar Hausers in Nürnberg und Ansbach
Waterloo [RS 151ff]
[LW 14]
Löwenmonument Waterloo
vgl.
Watson-Watt, Robert [RS S. 271]
Sir (* Brechin, Aberdeenshire 1892 † Inverness 1973) schottischer Physiker, gilt als Erfinder des Radar
Ab 1936 Direktor im britischen Luftfahrtministerium, arbeitet über die Reflexion von Radiowellen in der Meteorologie.
1935 gelingt ihm der Versuch, einen testweise den Ort Daventry anfliegenden Bomber mittels Radar zu entdecken.
Watson-Watt maßgeblich an der Entwicklung der britischen Radaranlagen im Zweiten Weltkrieg beteiligt.
Watts, Stephen [AUS 54f]
* London 1952, Poet
My father’s family came from Stoke-on-Trent, my mother’s from the Swiss Italian Alps
and I have cultural roots there and in Scotland. In the early 70’s I lived on North Uist working
as a shepherd and since 1976 have been working in Whitechapel in the East End of London.
I have published two books of poetry – The Lava’s Curl and Gramsci & Caruso and edited several anthologies..
My son, Miquesh, at the present time lives in Lima.
und
.
Wehrle, Josef [LL 6f]
Krankenwärter in der Herisauer Anstalt von Robert Walser
Weihwasser [AW 54]
Wasser, über das vom Priester ein Segensgebet gesprochen wurde. Dient in der katholischen Kirche zur Tauferinnerung. Im Weihwasserbecken am Eingang jeder katholischen Kirche (manchmal auch in Privaträumen). Gläubige bezeichnen sich damit mit dem Kreuzzeichen und mit der Taufformel: „Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes“.
Weinheber, Josef [UH 14][LL 12]
1892-1945, österreichischer Lyriker und Erzähler.
Als gemütvoller Wiener Heimatdichter geschätzt, als Dichterfürst verehrt, einer der meistgelesenen Lyriker seiner Zeit,
prononcierter NS-Poet. Er stellt seine Arbeiten in den Dienst der Nazis und kann zu wichtigem
Akteur in der Kulturpolitik des Dritten Reichs aufsteigen, gilt ihnen als „bedeutendster lebender Lyriker der Gegenwart“.
1931 tritt er der NSDAP in Österreich bei, von der er sich Unterstützung für seinen „Kampf“ als Künstler erwartet.
Sein Antisemitismus schreibt die Ursachen für seinen anfänglichen literarischen Misserfolg
der „jüdischen Unterwanderung des österreichischen Kulturbetriebs“ zu. Als Präsident der Vereinigung bodenständiger
Künstler nennt er als „landfremde Minderheiten“ und „Rassenfeinde“ unter seinen Kollegen
den „Dreivierteljuden“ Hugo von Hofmannsthal und den „Volljuden“ Stefan Zweig. Weinheber gehört
zu den Informanten des „Judenverlag-Jägers“ Will Vesper und liefert ihm Insider-Informationen,
nach denen dieser in seiner Literaturzeitschrift Die Neue Literatur Diffamierungskampagnen gegen
Schriftsteller und Verlage lanciert.
1938 schreibt er zum Anschluss Österreichs:
Deutschland, ewig und groß,
Deutschland, wir grüßen Dich!
Deutschland, heilig und stark,
Führer, wir grüßen Dich!
Heimat, glücklich und frei,
Heimat, wir grüßen Dich!
Weinheber verfasst Grußbotschaften an Adolf Hitler (Dem Führer und Ode an die Straßen Adolf Hitlers)
und die Ode Blut und Stahl. In einem Vortrag beim Großdeutschen Weimarer Dichtertreffen 1938 bezeichnet er
Erich Maria Remarques verbotenen Bestseller Im Westen nichts Neues als „böse, hinterhältig“ und
„auf Vernichtung des deutschen Wesens abzielend“ und stellt ihm Adolf Hitlers Mein Kampf entgegen,
als „dasjenige Buch, das uns Deutschen, allen Deutschen in der Welt, das Bewußtsein unseres Wesens,
unserer Kraft, unserer Größe und unserer Pflicht wieder zurückgegeben hat“.
Zu Hitlers 50. Geburtstag 1939 verfasst Weinheber ein Hörspiel, in dem er das Hakenkreuz
zum Abbild der Vereinigung von Mann und Frau erklärt. Als „Flammenzeichen lichtgläubigen Volks“
bilde das Hakenkreuz die Apotheose der Reichskleinodien und sei damit ein Hort der Treue
zum „von Gott gesandten Führer“.1941 nimmt Weinheber aus den Händen Goebbels' den Grillparzer-Preis entgegen,
wird zum berühmtesten Lyriker Nazi-Deutschlands.
Weinheber, alkoholkrank (Beinamen „Heurigenhölderlin“) wählt 1945 vor der sich abzeichnenden Niederlage
der Nazis den Freitod durch eine Überdosis Morphium.
Posthum 1947:
Vielleicht, daß einer spät, wenn all dies lang’ vorbei,
das Schreckliche versteht, die Folter und den Schrei
und wie ich gut gewollt und wie ich bös getan;
der Furcht, der Reu gezollt und wieder neuem Wahn –
und wie ich endlich ganz dem Nichts verfallen bin.
Weiss, Peter [CS 128ff, 150, 165]
[Auf ungeheuer dünnem Eis 77,83,123,182,198,201,255-257,272]
* Nowawes bei Potsdam † Stockholm 1982 (Peter Ulrich Weiss Pseudonym: Sinclair),
deutscher Schriftsteller, Maler ,
Grafiker, Experimentalfilmer.
Vertreter einer avantgardistischen, minutiösen Beschreibungsliteratur,
Verfasser autobiografischer Prosa, politisch engagierter Dramatiker.
Internationalen Erfolg mit Marat/Sade und Auschwitz-Oratorium.
Die Ermittlung. Abschied von den Eltern. Haupttext:
Die Ästhetik des Widerstands
Weiß' Vater, der jüdisch-ungarische Textilkaufmann Jenö Weiss,
hat nach Peter noch die töchter Irene (* 1920), Margit Beatrice (1922–1934) und Gerhard Alexander
(1924–1987). Jenö gründet ein erfolgreiches Textilwarengeschäft (Hoppe, Weiss & Co.) in Bremen,
das der Familie in den frühen zwanziger Jahren zu einem gehobenen Lebensstandard verhilft:
Köchin, Haushaltshilfe und Kindermädchen. 1920 konvertiert Jenö Weiss zum Christentum;
fortan wird in der Familie über die jüdische Abkunft des Vaters – bis 1938 – nicht mehr gesprochen.
1929 kehrt die Familie nach Berlin zurück. Peter Weiss besucht das Heinrich-von-Kleist-Gymnasium
in Schmargendorf, das sich durch eine vergleichsweise liberale Atmosphäre auszeichnet.
Dort lernt er auch seinen Jugendfreund
Uli Rothe kennen, dessen Stiefvater, der Shakespeare-Übersetzer
Hans Rothe, ihn in die Werke Brechts einführt, ihm die moderne Literatur näher bringt.
Brecht wird, betrachtet man das spätere Werk von Peter Weiss, zu einem literarischen Vorbild,
sowohl im künstlerischen als auch im wissenschaftlichen Sinne, denn das dokumentarische Theater,
das Weiss schreibt, führt Brechts episches Theater fort.
Mit Uli besucht Peter Weiss auch häufig das neue Pergamonmuseum, Weiss setzt Uli in "Fluchtpunkt"
1962 ein Denkmal setzt. Die Gespräche über den Kampf der Giganten gegen die Götter sind auch zentrales
Motiv im ersten Band seines Romans "Die Ästhetik des Widerstands" aus 1975.
Die Entzifferung und Interpretation des Frieses nimmt als Omen die Handlung des Romans,
die Geschichte und die Dilemmata der Arbeiterbewegung in der Weimarer Republik und
im verzweifelten Widerstand gegen den Nationalsozialismus, vorweg.
(Uli Rothe fällt 1940 bei der Invasion der deutschen Wehrmacht in Dänemark)
Zu Beginn der dreißiger Jahre entwickelt Weiss ein gesteigertes Interesse an Kunst und Kultur:
In diesen Jahren, zwischen 1931 und 1933, erwarb ich meine ganzen Literaturkenntnisse,
den ganzen Hesse, den ganzen Thomas Mann, den ganzen Brecht, alles lasen wir damals als ganz junge Leute.
Unter Anleitung von Eugen Spiro, einem Mitglied der Berliner Secession, beginnt er,
an einer Zeichenschule zu malen. Seine Vorbilder sind die deutschen Expressionisten Emil Nolde, Paul Klee und
Lyonel Feininger.
Jenö Weiss versucht, sich in dieser Zeit zu assimilieren und bewirbt sich um die deutsche Staatsbürgerschaft.
Jenö Weiss ist „fasziniert von Hitler und dessen pompöser Verachtung des Kommunismus.“
Angesichts der ungewissen Zukunft der Familie Weiss in Deutschland veranlasst der Vater den Wechsel
seines Sohnes vom Gymnasium zur Rackow-Handelsschule. Dort lernte Weiss „Schreibmaschine und Stenographie“.
Die unmittelbar folgenden Jahre im Ausland haben aufgrund der verschwiegenen jüdischen Herkunft des
Vaters zunächst noch den Charakter von Lehr- und Wanderjahren für Peter Weiss. Von Anfang 1935 bis Ende
1936 lebt Weiss’ Familie in Chislehurst im Südosten Londons. Kurz vor der Abreise stirbt Peters jüngere Schwester
Margit Beatrice im Alter von zwölf Jahren an den Folgen eines Autounfalls, ein Ereignis, das das
Familiengefüge dauerhaft aus dem Gleichgewicht bringt. Weiss erlebte den Tod seiner Schwester als
„Anfang von der Auflösung unserer Familie“.
Weißdorn [LW 28]
Die astrologische Zuordnung des baumartigen Strauchgewächses Sonne/Saturn
offenbart seine gegensätzliche Erscheinung. Im Winter sehen wir ein dichtes,
wehrhaft dornenstarrendes Gezweig, das sich mit verhaltener Kraft verteidigungsbereit
in Stellung gebracht zu haben scheint. Die kleinen, zähen, gelappten Blätter signalisieren Zurückhaltung und Genügsamkeit.
Dann im Mai aber – welche Verwandlung! Der Strauch hüllt sein dorniges Innenleben in eine lichte Wolke
aus weißen Blütenbüscheln und wirkt mit den abertausenden fünfblättrigen Blütchen,
als wolle die aufgestaute Kraft sich in einem einzigen lustvollen Akt der Hingabe verströmen.
Weißer Rabe [NN 66]
Georg Wilhelm Stellers
Weisser Seerabe, bislang nicht näher identifizierbare Tierart. Steller beschreibt ihn als
kormoranähnlichen, weißen Meeresvogel.
Mögliche Erklärungen sind unter anderem die Taubenteieste ein Alkenvogel
oder der Gischtläufer im weißlichen Wintergefieder.
Plausibel könnte auch der wildlebende Kormoran-Weissling sein.
Solche aberrant gefärbte Einzelexemplare
haben mitunter zur vorschnellen Ausrufung neuer Arten geführt. Kormorane werden im Deutschen manchmal
als Seeraben bezeichnet. Um welche Kormoranart es sich aber dabei im Detail gehandelt haben könnte, etwa gar um den inzwischen
ausgerottete Brillenkormoran, wird wohl ein Rätsel bleiben.
Wellington, Herzog von [RS 235]
Arthur Wellesley, 1. Duke of Wellington (1769 - 1852) Feldmarschall,
herausragender britischer Militärführer der napoleonischen Zeit, Außen- und Premierminister. Er besiegt Napoleon in der Schlacht bei Waterloo.
Wenders, Wim [CS 193]
* Düsseldorf 1945
Regisseur, Fotograf und Professor für Film
ua: Im Lauf der Zeit
Wentworths [RS 41]
siehe
Wertach [AW 72]
Sebalds "W.", wo er am 18. Mai 1944 geboren ist. Markt im schwäbischen Landkreis Oberallgäu, heute
staatlich anerkannter Luftkurort, liegt in der Region Allgäu am Fuße des Grünten an der Wertach.
Der nach der Ortschaft benannte Hausberg ist das Wertacher Hörnle.
Das Gemeindegebiet besteht aus einer einzigen Gemarkung.
Im Jahre 1893 bis auf wenige Häuser niedergebrannt. St. Sebastianskapelle 1512 nach Plänen der berühmten Wieskirche von Dominikus Zimmermann gebaut, "Kleine Wies" genannt. Heimatmuseum von 1931. Neben handwerklichen Geräten, Waffen und Tieren Gemäldegalerie von Franz Sales Lochbihle (königlich bayerischer Hofmaler). 1874 von den Gebrüdern Kramer der Weißlacker-Käse weltweit erstmalig produziert.
Bergkäse-Sennerei.
Sebalds Großvater Josef Egelhofer, der mehrmals in seinem Werk erscheint, ist 20 Jahre Polizeikommissär in Wertach. Bis zu Sebalds 9. Lebensjahr wohnt die Familie bei Seefelder Ulrich und später über der Gaststätte von Pepi Steinlehner. In "Il ritorno in Patria" ("SG"), verarbeitet Sebald Erinnerungen an die Kindheit in Wertach. Zum Gedenken an Sebald ist der Weg von Oberjoch über Unterjoch - die Sorgalpen bis zum Geburtshaus, welches Wegstück "Il ritorno in patria" genau beschreibt, als "Sebald-Weg" bezeichnet und gestaltet. Auf sechs Stelen, die am Originalschauplatz stehen, sind Textstücke aus dem Werk zu lesen. Wissenschaftler, Studenten und Leser aus aller Welt besuchen die Region, um die Spuren Sebalds zu finden.
Gesamtlänge des Weges ist ca. 11 km. Start auf etwa 1200 m in Oberjoch, Ziel in Wertach (Geburtshaus W.G. Sebalds) 915 m. Der Weg beginnt an der ehemaligen Grenzstation in Oberjoch (Bushaltestelle) mit dem wildromantischen Alpsteigtobel, wo sich die ersten beiden Stelen befinden. Die dritte Station an der kunstvoll renovierten Krummenbacher Kapelle. Weiter in Richtung Unterjoch, zwischen Gasthof Krone und dem Fluss Wertach in Richtung Jungholz. Kurz vor der Vorderen Sorgalpe Stele Nr. 4, kurzer Weg zum Alpenhotel Pfeiffermühle, weiter über den Campingplatz Jungholz zur Strasse Unterjoch-Wertach. B 310 wird gequert, bis zur Stele im "Engen Plätt". Auf dem Wanderweg neben der Bundesstrasse am Sägewerk Willer vorbei nach Wertach. Letzte Stele in der Alpenstrasse, weiter bis zur Kreuzung, dann link Nach ca. 100 m vor der Bäckerei Mayr rechts etwas zurückgesetzt Geburtshaus Sebalds (Gedenktafel).
In der Wertacher Bücherei zahlreiche Werke in verschiedenen Sprachen aus dem Nachlass Sebalds.
Lage:
Westwanderung [UH 12]
Juden:
In der ersten Hälfte des 19. Jhts stammen die Zuwanderer nach Wien vorwiegend aus den Ländern der böhmischen Krone, zu einem geringeren Teil aus Ungarn, dann beginnt die Westwanderung der galizischen Juden im großen Maßstab. Der schmerzvolle Übergang von feudalen Zuständen zur kapitalistischen Produktion entwurzelt eine unverhältnismäßig große Zahl von Juden und drückt sie in die subproletarische Existenzform der für das Ostjudentum geradezu typischen beschäftigungslosen ,Luftmenschen' herab. Während im mitteleuropäischen Teil der Habsburgermonarchie eine Elite schon früh in der Zeit des Übergangs von der Natural- zur Geldwirtschaft bedeutende Positionen einnimmt, bringt der nach 1848 und 1867 beschleunigte Wandel für die großen Massen ungeheure Schwierigkeiten mit sich. In der Zeit des entstehenden Kapitalismus, der sich in Osteuropa nur zögernd durchsetzt, verharren die Juden weitgehend in der kleinbürgerlichen Produktionssphäre und den konsumnahen Gewerben. Eine jüdische Arbeiterschaft und Arbeiterbewegung entwickelt sich erst mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung, kann aber gegen Ende des 19. Jahrhunderts ihre Organisationen rasch ausbauen. Was Wunder, wenn vielen galizischen Juden unter diesen Umständen selbst die ärmlichste Existenz in der glanzvollen Metropole des Reiches erstrebenswert gegenüber dem Vegetieren im ,Stetl‘ erschien, dessen oft tristes und enges Milieu allerdings schon bald literarisch romantisiert werden sollte. Aus dieser Zuwanderung resultierte das explosive Wachstum des jüdischen Bevölkerungsanteiles in Wien. Hat man hier im Jahr 1857 erst 6200 Juden gezählt, so steigt die Zahl in wenigen Jahrzehnten bis zur Jahrhundertwende auf 147 000 an. Von 1880 bis zum Ende der Monarchie bewegt sich der Anteil der Juden, schwankend wegen der Eingemeindung von Vororten, zwischen zehn und acht Prozent. Zwischen 1869 und 1880 vermehren sich die Juden in dem traditionell von den Zuwanderem am stärksten frequentierten Bezirk Leopoldstadt um 16 000.
Der auch im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung relativ ansteigende Anteil der Juden in diesem Zeitabschnitt findet seine Erklärung in dem Umstand, daß die Juden als frühzeitig urbanisiertes Bevölkerungselement am Wachstum der städtischen Industriegesellschaft früher und stärker partizipierten als ihre Umwelt. Nach der Jahrhundertwende zeigt ihr Prozentsatz an der Bevölkerung wieder rückläufige Tendenz. Dies hängt außer mit der geringeren Kinderzahl der bürgerlich gewordenen Familien auch mit der damals voll einsetzenden Auswanderung nach Amerika zusammen, die alljährlich viele Tausende armer Juden vor allem aus Galizien in eine neue Heimat jenseits des Ozeans führt.
Man braucht nur wenig Phantasie, um sich auszumalen, wie viele soziale und menschliche Probleme hinter den Zahlen der Statistik stecken - Arbeitslosigkeit, Hunger bis zum buchstäblichen Hungertod, Wohnungselend und Verwahrlosung, aber auch geistige Not und Orientierungslosigkeit sind Begleiterscheinungen dieser gewaltigen BevölkerungsVerschiebungen. Für die Wiener Gemeinde, in der das wirtschaftlich und sozial in die Gesellschaft der Ringstraßenzeit integrierte wohlhabende Großbürgertum den Ton angibt, bedeutet die Konfrontation mit den Scharen der ostjüdischen Glaubensbrüder eine ernste Herausforderung. In den sechziger und siebziger Jahren steht mehrere Male die Trennung der Gemeinde in Liberale und Orthodoxe (wie in Deutschland und Ungarn) drohend am Horizont, kann aber trotz heftiger Polemiken auf beiden Seiten abgewendet werden. Damals entsteht jene Einheit in der Vielfalt, die für das Wesen der Wiener Judenschaft konstitutiv blieb und zur Grundlage für die intellektuelle und künstlerische ,Explosion' der Wiener Kultur und ihres jüdischen Anteils geworden ist.
Widmer, Urs [Luftkrieg und Literatur 128]
* Basel 1938 Schweizer Schriftsteller und Übersetzer . 1966 an der Univsersität Basel mit einer Arbeit über die deutsche Nachkriegsprosa promoviert (1945 oder die "neue Sprache" ).
Wiedergänger [AW 66]
auch Widergänger. Bezeichnung für unterschiedliche Gespenstererscheinungen aus verschiedenen Kulturkreisen.
Kern des Mythologems ist die Vorstellung von Verstorbenen, die – oft als körperliche Erscheinung – in die Welt der Lebenden zurückkehren. Sie sind den Lebenden meist böse gesinnt und unheimlich. Sei es, weil sie sich für erlittenes Unrecht (z. B. Störung ihrer Totenruhe) rächen wollen; sei es, weil ihre Seele auf Grund ihres Lebenswandels nicht erlöst wurde.
Wieck, Clara [AUS 305]
Clara Josephine W. 1819 - 1896 deutsche Pianistin und Komponistin
Vater studierter Theologe, lässt sich wegen seiner Leidenschaft für die Musik auf dem Klavier ausbilden,
gründet Klavier-Fabrik und Leihanstalt für Musikalien. Mutter konzertreife Sängerin und Pianistin.
Vater autoritär und streng, sein ganzes Augenmerk gilt Clara, verfolgt wegen ihres musikalischen
Talents die Absicht, sie als Wunderkind und Klaviervirtuosin bekannt zu machen.
Nimmt sie aus der öffentlichen Grundschule, Privatunterricht,
führt stellvertretend für sie Tagebuch.
Hang, alles kontrollieren zu wollen, nimmt tyrannische Züge an, als er sie von Robert Schumann fernhält.
Clara spielt vor Goethe, ist bekannt mit Niccolò Paganini und Franz Liszt. Tritt
im In- und Ausland auf.
Clara kennt Robert schon als Kind. Als Zwanzigjähriger wohnt er eine Zeit
lang bei den Wiecks, lässt sich von Claras Vater unterrichten.
Er schwärmt damals für eine andere Schülerin: Ernestine von Fricken,
nimmt Abstand von einer Verlobung, als er erfährt, dass sie ein angenommenes Kind und nicht erbberechtigt
ist. Setzt ihr mit dem Carnaval
musikalisches Denkmal.
Als Clara 16 ist, kommen sie sich näher, Claras Vater ist nicht bereit, sie dem mittellosen jungen Mann
zuzusprechen, der wegen Sehnenscheidenentzündung des Ringfingers nicht einmal Pianist werden konnte.
Wieck untersagt jeden Kontakt, überwacht die Tochter rund um die Uhr, schickt sie zu einem Ehepaar
bei Dresden. 1839 reichen Robert und Clara erfolgreich Klage ein mit dem Antrag,
der geplanten Ehe zuzustimmen. 1840 Eheschließung.
Clara liest Goethe, Shakespeare und Jean Paul, Robert sieht nicht gern, dass Clara weiterhin konzertieren
will. Clara aber offensichtlich vom Regen in die Traufe gekommen: Nach dem vom Vater kontrollierten
Tagebuch will es nun auch der Ehemann lesen.
Kinder kommen:
Marie, Elise, Julie, Emil, Ludwig, Ferdinand, Eugenie, Felix.
Ammen bzw. Kindermächen ziehen sie auf (nach dem Tode Robert Schumanns
gibt Clara fünf ihrer Kinder außer Haus).
Clara setzt Konzertreisen fort, acuh wegen der finanziellen Situation der Familie.
Sie interpretiert die Werke ihres Manns, macht ihn in ganz Europa bekannt.
Robert ist zeitweilig missmutig über Claras Erfolge, ihm behagt die tragende Rolle Claras nicht.
1849 geht die Familie nach Düsseldorf,
Robert hat eine Musikdirektorsstelle angenommen.
Er hat wachsende Gesundheitsproblem: Gehöraffektionen,
unerträgliche Schmerzen, Halluzinationen, dann Suizidversuch, 1854 Nervenheilanstalt Endenich bei Bonn,
Folge seiner Syphiliserkrankung.
Clara, schwanger, flieht mit den Kindern zu einer Freundin.
1853 hat sie Brahms (14 Jahre jünger) kennen gelernt.
Nach Einlieferung Schumanns in die Nervenheilanstalt intensiviert sich der Kontakt
Brahms ist in Clara verliebt, was sich 1854 bis 1856
zuträgt, dunkel. Clara und Brahms vernichten gesamten Briefwechsel .
1857 geht Brahms nach Detmold, 1863 siedelt Clara nach Baden-Baden über.
Konzertreisen in Deutschland und Europa, Clara bis zu ihrem Tode überall gefeierte Pianistin,
1891 mit 71 letztes Konzert. 1896 Schlaganfall, wenige Monate später gestorben.
Das alles hat sicher Marie auf dem Heimweg vom Schumann-Konzert im Gogoltheater
mit Boris Bloch vor Augen, als sie mit Austerlitz über Schumanns innerer Verdunkelung
spricht ...
Wiener Gruppe [UH 15]
lose Vereinigung österreichischer Schriftsteller, aus dem Art Club hervorgegangen, formiert sich etwa 1954 unter H. C. Artmanns in Wien. Neben ihm zählte Friedrich Achleitner, Konrad Bayer, Gerhard Rühm und Oswald Wiener zu ihren Mitgliedern, Elfriede Gerstl, Ernst Jandl und Friederike Mayröcker haben engen Kontakt zur Gruppe.
Die Arbeiten der W.G. wurzeln literarisch in der Barockdichtung, genauso wie im Expressionismus, Dadaismus und Surrealismus. Wichtige Impulse auch von Vertretern der Sprachskepsis, Sprachkritik und Sprachphilosophie (wie etwa Hugo von Hofmannsthal, Fritz Mauthner oder Ludwig Wittgenstein).
Artmann geht ab 1958 eigene Wege, Suizid Konrad Bayers 1964 meerkiert schließlich das Ende.
Nach dem 2. WK, der in Österreich vor allem für die Zivilbevölkerung fatale Auswirkungen hatte, entsteht schwierige wirtschaftliche und soziale Situation, die man vor allem in der Kunst und Literatur als „Stunde Null“ bezeichnet. Das heißt, dass in jeder Weise eine Art von „Stillstand“ herrschte.
Durch die langen Nazi-Jahre, wo expressionistische, dadaistische etc. Literatur verboten ist und Blut-und-Boden-Literatur gepflegt wird, auch in der Kultur alles am Nullpunkt. Zusätzlich befinden sich noch viele namhafte Autoren im Exil wie Brecht, Thomas Mann und Remarque, die durch die Machtergreifung der Nationalsozialisten und deren Folgen das Land verlassen. Mit Aktionen wie Bücherverbrennungen richteten sich die Nazis gezielt gegen die von Adolf Hitler so bezeichnete „entartete Kunst“. Auch nach Kriegsende kein Zugang zu einem Großteil von bedeutender Literatur.
Kriegsjahre in Österreich haben den Kulturbetrieb durch die furchtbare wirtschaftliche und soziale Situation (Hungersnöte, Bombenangriffe etc.) und gezielte Auslöschung der jüdischen Bevölkerung negativ beeinträchtigt, die österreichische Avantgarde entwickelt sich verzögert. In Österreich besteht nach Kriegsende konservatives Klima und eine Rückbesinnung auf traditionsorientierte Denkweisen und Werte. Man versucht, die österreichische Identität aufleben zu lassen. Heimatdichter wie Karl Heinrich Waggerl oder Peter Rosegger und der klassische Kanon sind dabei in der Literatur wichtig und maßgeblich. Daher nur beschränkte Publikationsmöglichkeiten für Neues und Ignoranz gegenüber neuen literarischen Bestrebungen. In dieser Isolation nur innerhalb einer Gruppe möglich, moderne und alternative Denkweisen zu entwickeln.
Wiener Heldenplatz, Wienerstadt [AUS 244][CS 172]
Historischer Platz in Wien, gehört zum Gelände der Hofburg. Bundespräsident residiert im angrenzenden Teil der Hofburg,
Bundeskanzler am mit dem Heldenplatz verbundenen Ballhausplatz.
Am 15. März 1938 verkündet Adolf Hitler vom Balkon der Neuen Burg aus den versammelten Massen auf dem Heldenplatz
den „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich. Der Titel des Theaterstücks 'Heldenplatz' von Thomas Bernhard
(dem Sebald eng verbunden ist) bezieht sich auf dieses Ereignis. Ebenso das berühmte Gedicht 'wien: heldenplatz'
des Wiener Lyrikers Ernst Jandl, das die Stimmung während der Hitler-Rede am Heldenplatz einzufangen versucht.
der glanze heldenplatz zirka
versaggerte in maschenhaftem männchenmeere
drunter auch frauen die ans maskelknie
zu heften heftig sich versuchten, hoffensdick
und brüllzten wesentlich.
verwogener stirnscheitelunterschwang
nach nöten nördlich, kechelte
mit zu-nummernder aufs bluten feilzer stimme
hinsensend sämmertliche eigenwäscher.
pirsch!
döppelte der gottelbock von Sa-Atz zu Sa-Atz
mit hünig sprenkem stimmstummel.
balzerig würmelte es im männechensee
und den weibern ward so pfingstig ums heil
zumahn: wenn ein knie-ender sie hirschelte.
Seit Jahrzehnten findet auf dem Heldenplatz anlässlich des österreichischen Nationalfeiertags am 25. und 26.
Oktober eine Werbeveranstaltung des Bundesheers statt. Am 26. Oktober findet die traditionelle Angelobung unter
Führung des Bundespräsidenten statt.
Nachdem 2012 im Denkmal des toten Soldaten ein verstecktes NS-Pamphlet gefunden und Namen von SS-Leuten in den
Totenbüchern entdeckt wurden, ließ das zuständige Bundesheer die Gedenkräume leeren. Die Neugestaltung wird bis
Ende 2013 vorbereitet.
Wiesengrund-Adorno, Theodor [CS 182]
* Frankfurt am Main 1903 † Visp, Schweiz 1969) deutscher Philosoph, Soziologe, Musiktheoretiker, Komponist jüdischer
Herkunft.
Aus dem Doppelnamen seiner Mutter (Maria Barbara Calvelli-Adorno) wählt als er den Hauptnamen Adorno, während er das
„Wiesengrund“ des Vaters in der Emigration zu „W.“ verkürzt. Schon vor 1933 nennt er sich Wiesengrund-Adorno.
Mahler . Eine musikalische Physionogmik
1960.
Aus einem Briefwechsel 1967/68 Sebalds mit Adorno :
Sehr geehrter Herr Professor Adorno,
vielleicht sollte ich mich Ihnen zunächst vorstellen mit dem, was man 'a person's record' nennt. Geboren und
katholizistisch erzogen wurde ich in einem Dorf in den bayrischen Alpen. Viel später studierte ich dann
deutsche und englische Literatur an den Universitäten Freiburg und Fribourg. Seit letztem Oktober arbeite ich
für die University of Manchester als Assistant im Department of German. Noch bin ich nicht dreiundzwanzig.
Und die Atmosphäre der Stadt ist beängstigend, denn sie ist beispielhaft.
Aber ich wollte Ihnen nur eine bescheidene Frage stellen. Sehen Sie, ich arbeite an einer These über Carl
Sternheim, den Sie in den Minima Moralia in einem für ihn ehrenvollen Zusammenhang erwähnen -
Keiner unter den abstrakten Begriffen kommt der erfüllten Utopie näher als der vom ewigen Frieden.
Zaungäste des Fortschritts wie Maupassant und Sternheim haben dieser Intention zum Ausdruck verholfen,
so schüchtern, wie es deren Zerbrechlichkeit einzig verstattet ist.
...
Meine bescheidene Frage lautet also: was hat Sie zu diesem Satz über Sternheim veranlaßt?
W. Georg Sebald 14.XII.1968
Metzgergasse 14
9000 St. Gallen
Sehr verehrter Herr Professor Adorno,
Es ist etwa eineinhalb Jahre, daß Sie mich auf einen Brief, betreffend die verwickelten Verhältnisse Carl Sternheims
zu seinem eigenen Werk, einer ausführlichen und sehr freundlichen Antwort würdigten, die mich in der Verfolgung
meiner Arbeit durchaus bestärkte. Nur in dem Gefühl, ein weiterer Brief von mir würde die Korrespondenz über
Gebühr dehnen, wagte ich es damals nicht, Ihnen nochmals retour zu schreiben. Ich wollte, im Falle Sie mein
Schweigen mißverstanden hätten, lieber für unhöflich als für insistent gelten.
Heute nun wende ich mich mit einer Bitte an Sie, von der ich noch weniger als von meiner früheren abzuschätzen vermag, ob Sie Ihnen nicht vielleicht unbillig erscheinen muß. Daß ich es dennoch tue, liegt wohl daran, daß ich mich gegenwärtig in einer Lage befinde, die nur zu sehr jener der armen Seelen gleicht, von denen Benjamin meinte, daß sie sich viel umtun aber keine Geschichte haben. In der Hoffnung, Sie könnten aus einigen wenigen Zeilen sicher genug über mich urteilen, möchte ich Sie, wenn Ihnen das irgend anzugehen scheint, um eine Referenz an das Sidney Sussex College in Cambridge bitten; ich bin dort um ein auf drei Jahre veranschlagtes Stipendium eingekommen.
...
Ich habe im letzten Sommer aus gesundheitlichen und materiellen Gründen England verlassen müssen und lebe seither in der
Schweiz, wo ich mich mit Unterrichten in einem privaten Institut
über Wasser halte.
[11. XII. 1968 schreibt Adorno an Gerschom Scholem:
"Aber hier ist buchstäblich die Hölle los, eine Walpurgisnacht der Studenten, bei denen die Scheinrevolution
sich in den wahnwitzigsten Aktionen überschlägt. Sie haben zwar das Institut, bis jetzt, noch nicht besetzt,
wohl aber das Seminargebäude, stören sämtliche Lehrveranstaltungen, haben Habermas aus seinem Zimmer dort
vertrieben, und verüben Greuel, mit denen nur die völlige Hilflosigkeit und Naivität versöhnt."
Sechs Tage später fordert Adorno die Studenten mit seinen Kollegen ein weiteres Mal dazu auf,
das Seminar wieder zu räumen.]
Wiesenthal [LL 12]
(Wiesenthal altertümliche Schreibweise)
Tal im Südschwarzwald nach dem Fluss Wiese, rechter Nebenfluss des Rheins, benannt.
Grenze zwischen Vorderösterreich und Baden-Durlach verlief zwischen Hausen und Zell, also etwa in der Mitte des Tales. Trennung zwischen Herrschaften nicht nur politische, auch konfessionelle: Die Habsburger Lande bleiben katholisch, während Baden-Durlach zum Protestantismus wechselt.
Wichtiger Schauplatz der Revolution von 1848.
Im Wiesental Hochalemannisch gesprochen, eine dem Schweizerdeutschen sehr ähnliche Form der Alemannischen Dialekte. Besonders auffällig an diesem Dialekt ist die Verschiebung von germanisch „k“ im Anlaut zu „ch“: Kind und Kopf werden beispielsweise im Hochalemannisch „Chind“ und „Chopf“ ausgesprochen. Der Wiesentäler Dialekt ist obendrein in sich selbst nicht homogen; Aussprache und Vokabular können sich von Ort zu Ort weiter unterscheiden. Als literarisches Beispiel für den Wiesentäler Dialekt Johann Peter Hebels
„Allemannische Gedichte“, die der in Hausen aufgewachsene Dichter in der Sprache seiner Heimat verfasst. Gedicht „Der Abendstern“:
„Er seit: "O Muetter, lueg doch au, do unte glänzts im Morgethauso schön wie in di'm Himmelssaal!"‚He‘, seit sie, ‚drum isch's Wiesethal.‘“
(Er sagt: "Oh Mutter, sieh doch auch dort unten glänzts im Morgentauso schön wie in deinem Himmelssaal!"„Freilich“, sagt sie, „deswegen ist's das Wiesental“.)
Wilhelm II. [RS 268 ff]
[Auf ungeheuer dünnem Eis 200]
von Preußen * Berlin 1859 † Doorn, Niederlande 1941. Aus der Dynastie der Hohenzollern 1888 bis 1918 letzter Deutscher Kaiser und König von Preußen.
Dreißigjährige Regentschaft sogen. wilhelminische Epoche. Wesentliches Merkmal das Streben des Kaisers, das Reich als wichtige politische Größe unter den bestehenden Weltmächten zu etablieren. Wilhelm II. legt viel Wert auf internationales Prestige. Eng damit verbunden militärische Aufrüstung wie Forcierung der Kolonialpolitik in Afrika und der Südsee. Dies und Verwicklung des Deutschen Reichs in verschiedene internationale Krisen (z. B. Krüger-Depesche 1896, Doggerbank-Zwischenfall 1904, Marokkokrisen 1905/06 und 1911, Daily-Telegraph-Affäre 1908) führen zu Destabilisierung der Außenpolitik.
Vorliebe Wilhelms für militärischen Prunk führt gesellschaftlich zu Überbetonung des Militärs und der militärischen Hierarchie bis hinein ins zivile Leben der deutschen Gesellschaft, in der für eine berufliche Laufbahn – nicht nur im Verwaltungsapparat – die Ableistung des Militärdienstes und der militärische Rang eines Menschen von entscheidender Bedeutung (Militarismus): Rang als Reserveoffizier gilt im wilhelminischen Bürgertum als Eintrittskarte in die gehobene bzw. privilegierte Gesellschaft, Fehlen eines militärischen Ranges stellt einschlägiges Karrierehindernis dar.
Der wirtschaftliche Aufschwung Deutschlands während Wilhelms Regentschaft, verbunden mit technologischem, naturwissenschaftlichem und industriellem Fortschritt, begünstigt eine auch vom Kaiser mit getragene allgemeine Technik- und Fortschrittsgläubigkeit. Innenpolitisch setzt er Sozialpolitik Bismarcks fort und erweitert sie.
Wilhelm II. will Innen- und Außenpolitik des Reiches beeinflussen. Das „persönliche Regiment“ des Kaisers oft eine von häufig wechselnden Beratern gesteuerte Politik, die seine Entscheidungen im Urteil der meisten Historiker widersprüchlich und unberechenbar erscheinen lassen.
Amtszeit von politischen Machtkämpfen zwischen den Parteien geprägt, die verhindern, dass Kanzler längerfristig im Amt bleiben.
Während des Ersten Weltkriegs von 1914 bis 1918 zeigt sich Wilhelms strategische und taktische Unfähigkeit. Er enthält sich zunehmend relevanter politischer Entscheidungen, gibt Führung des Reiches faktisch in die Hände der Obersten Heeresleitung.
Persönlichkeit: Eine besondere Zuwendung durch Eltern erfährt Wilhelm II. nicht. Schmerzvoll Versuche der Familie, seiner Behinderung entgegenzuwirken. Der aufgrund des Geburtszwischenfalls verkümmerte linke Arm führt zu Gleichgewichtsstörungen und Haltungsschäden sowie häufigen Schmerzen im linken Ohr. Doch der zukünftige König von Preußen soll ein „ganzer Mann“ und kein Krüppel sein. Verschiedene schmerzhafte Therapien für das Kind. Das oft erforderliche Reiten fällt ihm lebenslang schwer.
Die Behinderung vermindert vermutlich Selbstwertgefühl und steigert Egozentrik, leichte Kränkbarkeit und Sprunghaftigkeit. Das Tragen von Uniform und Abstützen der linken Hand auf der Waffe hilfreiche Angewohnheiten. Strittig, ob ernsthafte seelischer Erkrankung oder Anlage zur Geisteskrankheit. Psychiater Emil Kraepelin: „typischer Fall periodischen Gestörtseins“.
Unsicher und arrogant, intelligent und impulsiv, vernarrt in die moderne Technik und zugleich verliebt in Pomp und Theatralik. Anhaltende Schwierigkeiten verhasst. Sprichwörtliche Reiselust. Narzisstische Züge verhindern Einfühlungsgabe und sein Urteil über Andere. Er selbst sieht sich als geradezu und offen, Taktlosigkeiten sind bekannt. Selbstdarstellungseifer. Im Verhältnis zu den Massenmedien wohl erster Medienmonarchen des 20. Jahrhunderts. Eigene Interessen: Archäologie, begeisterter Jäger (er erlegt 46.000 Tiere), im Exil fällte er gerne Bäume. Liebt wie Bruder Heinrich das Segeln. Segelte vor der Küste Südenglands mit seiner Yacht „Meteor“ in prestigeträchtigen Regatten und ist Stammgast bei der Kieler Woche, die er 1894 zum ersten Mal besucht. Siehe auch S.M.Y. 'Hohenzollern' . Automobile machen ihm Freude. Fährt gerne mit den neuesten Wagen und ist Protektor des Kaiserlichen Automobilclubs. Über seinen Kostimierungsdrang Witze: „Serenissimus, im Badezimmer ist ein Rohr geplatzt. – Bringen Sie die Admiralsuniform.“
Wilhelm Tell [AUS 261]
Drama von Wilhelm Tell Friedrich von Schiller, das letzte fertiggestellte, 1804 am Weimarer Hoftheater uraufgeführt.
Willet & Nephew [RS 350]
Seidenweberei Norwich
Wilson, Stephen [CS 26ff]
Professor für Europäische Geschichte an
der University of East Anglia. Feuding, Conflict and Banditry in Nineteenth-Century
Corsica erhielt den Prix du Livre Corse.
Corsica is associated with vendetta and banditry.
Using accounts by visitors and officials and particularly judicial records,
this book provides a systematical study for the nineteenth century.
Accounts of specific feuds lasting over many generations are given,
including that which inspired Mérimées Colomba,
and the whole phenomenon is set in its proper context of competition
for scarce material resources and power in a traditional agro-pastoral society.
Attitudes to death and the dead are examined, and reveal a divergence between
local practice and belief and official Christianity,
and the persistence of the notion that the spirit of the
slain requires to be placated with blood.
A general theme is the impact upon an isolated traditional
society, and its system of sanctions, of incorporation into
a modern state with courts and police.
Wilson-Bahnhof [AUS 249, 293]
Hlavni nadrazi, Prags Hauptbahnhof, nach Plänen des Architekten Josef Fanta
1900 bis 1909 errichtet. Die Wappen in der Kuppel enthalten die Städte, die von diesem Bahnhof aus zu erreichen waren: Paris, Rom usw., ebenso wie die Statuen darunter Städte darstellen. 28.Oktober 1918 ist der Gründungstag der Tschechoslowakei.
Der Besuch des amerikanischen Präsidenten Bush im Jahre 1990 ist Anlaß, dem Bahnhof wieder seinen alten Namen "Wilson-Bahnhof" zu verleihen, wie vor dem 2. Weltkrieg, (vor ddem Gebäude stand ein Denkmal für den amerikanischen Präsidenten Woodrow Wilson). Das erinnert an die wichtige Rolle, die Wilson bei den Pariser Friedensverhandlungen nach dem 1. Weltkrieg für die Entstehung der Tschechoslovakei spielte.
Während der deutschen Besatzung und in der kommunistischen Zeit nach 1945 heißt der Bahnhof "Hauptbahnhof".
Windisch-Graetz, Alfred I. zu [UH 26]
Alfred Candidus Ferdinand Fürst zu Windisch-Graetz (1787 - 1862) österreichischer Feldmarschall.
Während der demokratischen Revolution im Kaiserreich Österreich 1848 und 1849, die ihn zu einer berüchtigten Figur machen, befehligt er als Stadtkommandant von Prag 1848 die Niederschlagung des Pfingstaufstands in Prag (bei dem seine Frau getötet und sein Sohn Prinz Alfred verwundet werden). Friedrich Engels: Die österreichische Soldateska hat die Möglichkeit eines friedlichen Zusammenbleibens von Böhmen und Deutschland im tschechischen Blute erstickt.
Während des Wiener Oktoberaufstands erhält W.-G. vom Kaiser Oberkommando. Am 31. Oktober 1848 dringt Militär in Wien ein, verhilft Gegenrevolution zum Sieg: Ca. 2000 Tote und erhebliche Verwüstungen. Standrechtliche Erschießung des Politikers und Abgeordneten der Frankfurter Nationalversammlung Robert Blum in Wien ruft große Empörung hervor.
Rolle während des ungarischen Unabhängigkeitsaufstands 1849 umstritten. Um den Aufstand niederzuschlagen, marschiert eine kaiserliche Armee unter W.-G. ein und besiegt die Ungarn bei Kápolna. Am 10. April muss sich die österreichische Armee vor dem mit Freischaren und polnischen Emigranten verstärkten Revolutionsheer zunächst zurückziehen. Nach Meinungsverschiedenheiten mit dem Kriegsministerium abberufen und durch Ludwig Freiherr von Welden ersetzt, worauf er sich auf seine Güter in Böhmen zurückzieht.
Windlicht [RS 202]
einfache kleinere Tischlaterne. Laterne=Kombination aus selbstleuchtender Lichtquelle und Wind- bzw. Regenschutz
Winn, Mrs. J. [CS 242]
siehe bei Betty
Wir gleiten hinunter das Ufer entlang [AW S. 62]
Auf den Wellen
von Josef v. Pocci - Melodie: C. M. von Weber
Es murmeln die Wellen, sanft säuselt der Wind,
Sie schaukeln im Spiele den Nachen gelind.
Wir gleiten hinunter das Ufer entlang,
Und singen so munter den Schiffergesang.
Wir folgen den Wellen mit fröhlichem Sinn,
Die plätschernden wissen am besten wohin;
Noch strahlt uns der Morgen mit rosigem Licht,
Wir kennen die Sorgen des Lebens noch nicht.
O Morgen, o Jugend, wie eilst du vorbei,
Gleich lachenden Kindern im blühenden Mai!
Wie spielende Lüfte, wie Wolken im Thal,
Wie Blüthen und Düfte enteilet dein Strahl.
Und wachsen die Schatten, und nahet die Nacht,
In ernster, in stiller, erhabener Pracht,
Dann fahren wir wieder dem Vaterhaus zu;
Wir landen am Ufer und kehren zur Ruh'.
Wirtschaftswunder
[CS 243]
Schlagwort für Beschreibung des unerwartet schnellen und nachhaltigen Wirtschaftswachstums
in der Bundesrepublik Deutschland nach WK II.
Es verleiht den Deutschen nach den Schrecken des Zweiten Weltkrieges und dem Elend der
ersten Nachkriegsjahre neues Selbstbewusstsein.
Tatsächlich starkes Wirtschaftswachstum der 50er und 60er Jahre
gesamteuropäisches Phänomen.
Wie war es genau?
Deutschland verdankt Wirtschaftswunder vor allem der Tatsache, dass es 1953 die Hälfte seiner Schulden
erlassen bekommt und seine ehemaligen Kriegsgegner - etwa Griechenland -
auf Reparationsforderungen verzichten.
Marshall-Plan überschätzt, Ludwig Erhard (hat Beratervertrag mit dem Porzellanhersteller geschlossen).
fordert amerikanische Militärregierung auf, die Rückgabe der "arisierten"
Rosenthal AG an die rechtmäßigen Eigentümer zu verhindern - im Interesse der Wirtschaft.
Enteignete jüdische Unternehmer keine Gewinner des Wirtschaftswunders, an der Spitze großer Firmen stehen
Männer, die ihre Karrieren in der Diktatur begonnen haben.
Korea-Krieg Exportimpuls, Flucht der Facharbeiter aus der DDR kurbelt Wirschaft an:
Wohlstand leichter zu schaffen ist als zu bewahren.
Wittgenstein, Ludwig
[AW 86]
[AUS 58ff]
[CS 226, 235]
[Auf ungeheuer dünnem Eis 229]
* Wien 1889 † Cambridge 1951. Österreichisch-britischer Philosoph.
Bedeutende Beiträge zur Philosophie der Logik, der Sprache und des Bewusstseins.
Hauptwerke: Tractatus logico-philosophicus, 1921 (Schlussatz: Was sich überhaupt sagen lässt,
lässt sich klar sagen; und wovon man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen.)
und Philosophische Untersuchungen (1953, postum).
Grundlage des Logischen Positivismus und der analytischen Sprachphilosophie.
Das jüngste von acht Kindern Karl Wittgensteins, erfolgreichster Stahl-Industrieller, eine der reichsten Wiener Familien, Mutter begabte Pianistin. Katholisch erzogen, obwohl drei der vier Großeltern Juden. Außerordentliche musische und intellektuelle Fähigkeiten, depressiv (drei der Geschwister Selbstmord), autoritär und rechthaberisch, aber auch sensibel und unsicher. Abschlussdiplom als Ingenieur, 1908 Manchester, Verbesserungsvorschläge für Flugzeugpropeller, Patent. Philosophie-Studium Cambridge, Trinity College. Mit Russells Unterstützung 1911 in die elitäre Geheimgesellschaft Cambridge Apostles gewählt. Erwirbt mit Geliebten D. Pinsent 1913 Holzhaus in Skjolden/ Norwegen, wo er am System der Logik arbeitet. Während Kriegsgefangenschaft in Italien will er Lehrer werden, teilt geerbtes riesiges Vermögen unter Geschwister und junge Künstler auf (u. a. Loos, Trakl, Rilke), 1919/1920 Lehrerbildungsanstalt Wien. Einige Jahre Volksschullehrer in einem der kleinsten Dörfer, es heißt Trattenbach und liegt vier Stunden südlich von Wien im Gebirge. Überfordert, wechselt nach Puchberg-am-Schneeberg, dann Otterthal. Quittiert 1926 Schuldienst, Gärtnergehilfe in Kloster. Erstellt 1926 bis 1928 mit dem Architekten Paul Engelmann für Schwester Margarete Stonborough-Wittgenstein repräsentatives Stadt-Palais in Wien (Haus Wittgenstein), das bald Mittelpunkt kulturellen Lebens in Wien und zu einem der Treffpunkte des „Wiener Kreises“ wird. Daneben bildhauerisch tätig (Büste im Stile des Wiener Künstlers Drobil). 1929 Rückkehr als Philosoph nach Cambridge, wo er mit "Prüfung" über Tractatus promoviert. Finanziell prekäre Lage, auf Stipendien angewiesen, Lehrauftrag. Ab 1936 mit Geliebten F. Skinner Reisen nach Norwegen, Wien und Russland, 1939 Ruf als Pofessor in Cambridge, britische Staatsbürgerschaft (weil nach dem "Anschluss" Österreichs an Nazi-Deutschland W. Deutscher und Jude im Sinne der Nürnberger Gesetze). Zahlreiche Manuskripte (The Blue Book, The Big Typescript, The Brown Book). Im Weltkrieg II freiwillig Pfleger in Londoner Krankenhaus, 1943 Laborassistent (entwirft Experimente und Laborgeräte).
1944 bis 1947 wieder Vorlesungen in Cambridge. Lebt dann zurückgezogen einige Zeit in Irland. Stirbt 1951 - lehnt es ab, in Krankenhaus zu gehen - im Hause seines Arztes an Krebs.
Es ist eine Hauptquelle unseres Unverständnisses, daß wir den Gebrauch unserer Wörter nicht übersehen
Wittling [RS 69]
Bedeutender Speisefisch, vorwiegend mit Schleppnetzen gefangen und frisch, getrocknet, gepökelt oder tiefgefroren verkauft.
Merlangius merlangus, auch Merlan, Weißling oder Gadden, Fischart aus der Familie der Dorsche. Er kommt im Nordost-Atlantik von der Barentssee und den Gewässern vor Island bis Portugal, in der Nordsee, dem Kattegat und der westlichen Ostsee sowie im nördlichen Mittelmeer und im Schwarzen Meer vor.
Wittlinge halten sich bevorzugt im freien Wasser über schlammigem Grund in Wassertiefen von 30 bis 100 Metern auf. Der Wittling ist kein Fisch für Brandungsangler. Flaches Wasser mag er nämlich ganz und gar nicht. Wittlinge lieben tiefes Wasser und meist stehen sie in Grundnähe. Die Betonung liegt auf meist: Sind nämlich Jungheringe oder andere kleine Beutefische unterwegs, kennen die Wittlinge kein Halten; dann schwimmen die Räuber auch nahe an die Oberfläche, um sich über ihre Beute herzumachen.
Wodzinska, Maria [Über das Land und das Wasser S. 96]
* 1819 † 1896 Verlobte Fr. Chopins
Nichte des polnischen Gesandten Maciej Wodzinski, mit Chopin schon länger bekannt, verliert ihn zeitweilig aus den Augen.
Wegen des Aufstands in Polen 1830 übersiedelt die Familie Wodzinski nach Dresden. Chopin, der sie dort besucht, verliebt sich in die damals 16jährige Maria. Heimliche Verlobung 1836 in Marienbad trotz des Protestes ihres Onkels. Marias Mutter besteht darauf, dass diese bis zum Sommer des darauffolgenden Jahres nicht öffentlich werde. Chopin widmet Maria den Walzer
in As-Dur op. 69 Nr. 1 (Abschiedswalzer) sowie ein Blatt mit dem Anfang des Nocturnes in Es-Dur (op. 9 Nr. 2). 1837 kehrt die Familie Wodzinski überraschend und ohne Chopin davon zu unterrichten, nach Polen zurück. Verlobung ohne weitere Erklärung aufgelöst. Die Tatsache erst bekannt durch Schriftstücke im Nachlass Chopins: In einem Umschlag befinden sich
die Zeugnisse der Liebschaft, er selbst hat auf dem Kuvert notiert: Moja bieda (mein Leid).
Siehe auch Moja Bieda
Wohltemperiertes Klavier [AUS 238]
Das Wohltemperirte Clavier. oder Praeludia, und Fugen durch alle Tone und Semitonia … Sammlung von Kompositionen Johann Sebastian Bachs, heute als Teil 1 des Wohltemperierten Klaviers bezeichnet, Teil 2, entstanden in Leipzig 1744, von Bach selbst nicht mit diesem Titel versehen
Wolkenlehre [LW 79]
Goethes Interesse an Meteorologie weckte Luke Howards (1772 -
1864) berühmte Schift "The modifications of clouds" (1803). Ab 1815 beschäftigt er sich instensiv mit mit der morphologischen Wolken-Systematik
Worms [AW S. 181]
Jüdische Unternehmer- Bankiersfamilie in Frankreich (z. B. Banque Worms).
Hippolyte Worms trägt in den 1930er Jahren Entscheidendes zur Entwicklung der französischen Industrielandschaft bei.
Trotz seiner jüdischen Herkunft der Kollaboration mit den Deutschen bezichtigt und 1944 verhaftet.
Heute Mehrheit bei La Préservatrice und La Foncière, deren Netze die Grundlage zur Gründung der Athéna Versicherungen 1989 bilden.
W ou le souvenir d'enfance [CS 220f]
Autobigrafisches Werk Georges Perecs
Ich-Erzähler berichet einleitend von seinen Schreib-Hemmungen, seinem Zögern über eine Reise nach W zu berichten, als einziger Zeuge einer untergegangenen Welt. W, so erinnert der Ich-Erzähler sich plötzlich bei Besuch des Judenvierteis von Venedig, W hieß eine Geschichte, die er als Dreizehnjähriger geschrieben hatte, als Geschichte seiner Kindheit, die sich in seiner Erinnerung reduziert auf W als eine Insel des Archipels Feuerland mit einer einzig und allein auf den Sport fixierten Gesellschaft. Einen der beiden systematisch sich abwechselnden Erzählstränge bildet die Beschreibung des Lebens dieser Gesellschaft, den anderen der Bericht des Ich-Erzählers Georges Perec über seine Kindheit und Jugend. Die Verbindung beider wird hergestellt über die Begegnung eines Ichs namens Gaspard Winckler mit dem Vertreter des Bureau Véritas Otto Apfelstahl, der die Identität dieses Ichs in Frage stellt mit der Behauptung, Gaspard Winckler sei der Name eines nach einem Schiffsuntergang im
Feuerland-Archipel verschollenen Jungen, auf dessen Suche er sich machen solle.
Was aber dann im zweiten Teil des Textes folgt, ist scheinbar keine Suche nach Gaspard Winckler, sondern eine Beschreibung der Sportgesellschaft von W, die mit der Autobiografie des Georges Perec alterniert.
Beide Erzählstränge scheinen auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun zu haben. Die Insel präsentiert sich mit der legendären Ankunft ihres Namensspenders Wilson und der Traditionsanbindung an Jules Vernes Kapitän Nemo auf der Suche nach dem Idealstaat als Utopia, während die Kindheitserinnerungen von Georges von Anfang an derart im Zeichen Hitlers stehen, dass er lange Zeit seinen eigenen Geburtstag am 7.3.1936 mit dem Tag des Überfalls Nazi-Deutschlands auf Polen identifiziert hatte.
Nach und nach tritt der unmenschliche Charakter der scheinbar utopischen Insel immer deutlicher zu Tage: Die zunächst nur strengen sportlichen Regeln zu gehorchen scheinenden Weitkämpfe entpuppen sich als brutale, im Extremfall bis zur gegenseitigen körperlichen Attacke reichende Auseinandersetzungen, die willkürlichen Vorschriften gehorchen, Siegern überschwängliche Triumphe gönnen, Verlierer mit härtesten Strafen bis hin zum Tode bedrohen.
Wunderhorn Lied [CS 183]
Des Knaben Wunderhorn, Sammlung von Kunstliedern von Mahler Er vertont 12 Gedichte aus der Gedichtesammlung 'Des Knaben Wunderhorn', die zwischen 1805 und 1808 von Clemens Brentano und Achim von Arnim veröffentlicht wird, üblicherweise als Mahlers „Wunderhorn-Lieder“ bezeichnet
Wunschloses Unglück [CS 68]
Erzählung Handkes
von 1972, wo er halb-biographisch das Leben seiner Mutter Maria
beschreibt, die 1971 Selbstmord begeht
Wyndham, George [RS 77ff]
siehe Lexikon fiktiver Namen
Wythenshawe [RS 222]
Stadtteil im Süden der Stadt Manchester,
Siedlung um Problem der innerstädtischen Slums in den 1920er Jahren zu lösen,
einer der größten Siedlungen des Sozialen Wohnungsbaus in Europa
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