LEXIKA
AUS: Austerlitz
AW: Die Ausgewanderten
BU: Beschreibung des Unglücks
CS: Campo Santo
LL: Logis in einem Landhaus
LK: Luftkrieg und Literatur
LW: Über das Land und das Wasser
NN: Nach der Natur
RS: Die Ringe des Saturn
SG: Schwindel.Gefühle
UH: Unheimliche Heimat
A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z
wgsebald.de       Lexikon T
Tabernakel [SG 272]
Der (auch das) Tabernakel (lat. tabernaculum „Hütte, Zelt“) in katholischen Kirchen Aufbewahrungsort der in der Heiligen Messe gewandelten Hostien, die Leib Christi sind. Künstlerisch gestalteter kleiner Schrank mit massiven Wänden und verschließbarer Tür; Ort stiller Anbetung.
Bei der Bildstockform des Tabernakelpfeilers wird das auf einem Sockel stehende Gehäuse als Tabernakel bezeichnet.


Tabor, Berg [NN 10]

Berg Tabor, 588 m, in Jesreel-Ebene/Israel, weite Aussicht auf Berge von Nazareth im Westen, die Jesreelebene, die südlich aufsteigenden Berge von Samaria, den Jordangraben, die östlich gelegenen Berge, auf das galiläische Land mit den ‘Hörnern von Hittim’ im Norden. Im Alten Testament mehrfach erwähnt, gilt als Berg der Verklärung Jesu (Mt 17; Mk 9; Lk 9: Da wurde er vor ihnen verklärt, und sein Angesicht leuchtete wie die Sonne, und seine Kleider wurden weiß wie Licht. Und es erschienen ihnen Mose und Elia! Jesus erscheint Jüngern in seiner göttlichen Gestalt als Christus und Gottes Sohn, neben Auferstehung zentrales Thema ostkirchlicher Theologie und Ikonographie. Bestimmt Mystik des ostkirchlichen Mönchstums, noch heute auf dem Berg Athos anzutreffende Strömung, die durch Askese des „unerschaffenen Lichtes vom Berg Tabor“ teilhaftig zu werden hofft), früher Baalskult, Heiligtum der Kanaanäer. Die ersten Kirchen auf dem Tabor vor 422, Kreuzfahrer bauen Berg aus: Wallfahrtsort und Festung, 1263 durch Baibars zerstört; seit 1631 Franziskanerniederlassung.



Taffet [LW 83] [LL 112]
(Taffent, Taft, fr. Taffetas) leinwandartig gewebtes leichteres Zeug aus gekochter Seide, Kette Organsin, einfädig, Schuß Trama, 1–3 fädig, je nachdem das Gewebe leichter od. schwerer ausfallen soll.
Zitat aus "Kafka Die Abweisung":
"Du vergißt, Dich trägt kein Automobil in langen Stössen schaukelnd durch die Gasse, ich sehe nicht die in ihre Kleider gepressten Herren Deines Gefolges, die Segensprüche für Dich murmelnd in genauem Halbkreis hinter Dir gehn; Deine Brüste sind im Mieder gut geordnet, aber Deine Schenkel und Hüften entschädigen sich für jene Enthaltsamkeit; Du trägst ein Taffetkleid mit plissierten Falten, wie es im vorigen Herbste uns durchaus allen Freude machte, und doch lächelst Du - diese Lebensgefahr auf dem Leibe - bisweilen."


Taiping [RS 6, 168 ff]
Anhänger einer Sekte/Massenbewegung in China. Ihr Aufstand (1850-1864) einer der blutigsten Konflikte der chinesischen Geschichte. Konfrontation zwischen dem Kaiserreich unter der niedergehenden Qing-Dynastie und der Sekte um Hong Xiuquan , einem zum Christentum konvertierten Mystiker. Wahrscheinlich 30 Millionen Tote, opferreichste Bürgerkrieg der Menschheitsgeschichte. Die mit dem Jintian-Aufstand beginnende Bewegung ist nach Tàipíng Tianguó benannt, dem Himmlischen Reich des Großen Friedens, welches die Aufständischen gründeten.
China um 1850 von vielen Problemen gezeichnet: Naturkatastrophen, Qing-Dynastie nicht in der Lage, die durch hohes Bevölkerungswachstum und verkrustete Bürokratie verursachten ökonomischen Probleme zu l ösen. Niederlagen gegen westliche Mächte (Opiumkrieg ).
Soziales Gefüge durch Piratenunwesen, Aktivitäten der Triaden, lukrativen Opiumhandel der Briten unterminiert. Demobilisierte Söldner aus Opiumkrieg betätigen sich als Banditen, die britische Flotte verdrängt Piraterie ins Landesinnere. Shanghais Aufstieg geht auf Kosten des traditionellen Handels: dort Arbeitslosigkeit.
Bei ethnischen Konflikten ausgestoßene Gruppen für neue Ideen empfänglich. Korrupte und unfähigen Verwaltung, Folge: Landbevölkerung bildet Selbstverteidigungs-Organisationen und lokale Milizen.
1851 ruft Hong das Taiping-Königreich aus, proklamiert sich zum „Himmlischen König“ und erhält zunehmend Zulauf von der Landbevölkerung, darunter Kohlebrenner, arbeitslose Flussschiffer, Lastenträger und Bergarbeiter, auch Piraten und desertierte Soldaten, im September 1852 bereits 120.000, bald 500.000 Mann.
Nanjing 1853 eingeschlossen, eingenommen, 30.000 kaiserliche Soldaten und tausende Zivilisten getötet. Nanjing Hauptstadt des Himmlischen Königreichs, in Tianjing (Himmlische Hauptstadt) umbenannt. Gouverneurspalast nicht groß genug, Hong läßt ihn abreißen und neue „Verbotene Stadt“ von fünf Kilometer Durchmesser errichten, zieht sich aus Politik und Administration zurück, meditiert, verbingt seine Zeit mit Bartpflege und Harem. Taiping rücken im Mai 1853 gegen Peking vor. Im Frühjahr 1855 Reste der Expedition vertrieben, Qing-Dynastie überlebt.
Taiping-Führung in blutigem Machtkampf. Taiping-Königreich kann weder die Dynastie stürzen noch die angehäuften Probleme lösen. Taiping-König Li Xiucheng greift Shanghai an, von Briten und Franzosen zurückgeschlchagen. Hong überläßt Thron seinem minderjährigen Sohn Hong Tianguifu, verkündet, dass Gott die Hauptstadt Tianjing verteidigen werde, als kaiserliche Truppen anrückte, verstirbt er an Lebensmittelvergiftung. Nach dem Fall der Hauptstadt (19. Juli 1864) die meisten Taiping-Prinzen von den Qing gefangen und hingerichtet. 100.000 Taiping begehen Selbstmord.


Tal von Entremont[SG 7]
Val d’Entremont, von der Straße zum Großen St. Bernhard durchzogenes Tal der Drance d’Entremont im schweizerischen Kanton Wallis; Hauptort Bourg-St.-Pierre.


Talmud [LW 26]
nach Tanach – der jüdischen Bibel – das bedeutendste Schriftwerk des Judentums


Tanat-Tal [AUS 72]




Tasso, Torquato [RS 298]
1544 - 1595 italienischer Dichter der Gegenreformationszeit, am bekanntesten durch La Gerusalemme liberatain dem er ein fiktives Gefecht zwischen Christen und Muslimen am Ende des Ersten Kreuzzuges während der Belagerung von Jerusalem beschreibt. Den größten Teil seines Lebens geisteskrank.


Tatar [NN 77]
oder Tartar, Ausdruck für verschiedene Völker und Bevölkerungsgruppen (in Europa Bezeichnung für die brandschatzenden und plündernden Horden des Dschingis Khan: Tartaren – „die aus der Hölle kommen“)
Oldoi: zwergwüchsiger Tatar, Sagengestalt aus dem Umkreis des Dchingis Khan (vgl. Galsan Tschinag: Die neun Träume des Dschingis Khan Als der allmächtige Herrscher erkennt, dass seine Zeit zu Ende geht, will er, der mehr erreicht hat, als jemals ein Khan zuvor, zurück zum Lebensquell. Bei dieser anstrengenden Reise hilft ihm Oldoi, eine Art Hofnarr. Er ist die Wiedergeburt des früher von Dschingis Khan getöteten Reichsschamanen. Er fürchtet den Tod nicht und sagt stets seine ungeschminkte Meinung. Der hünenhafte Khan braucht den zwergwüchsigen Oldoi als Spiegelbild seiner selbst).


Tate Gallery [RS 230]
Tate Gallery of Modern Art (kurz: Tate Modern) in London, weltweit größtes Museum für moderne Kunst in einem umgebauten Kraftwerk, der früheren Bankside Power Station, am Themseufer des Stadtteils Southwark.
1894 als National Gallery of British Art geplant und 1897 in Gebäude am Themse-Ufer, das anstelle des riesigen Millbank-Zuchthauses errichtet wird, eröffnet.
Henry Tate, durch Zucker-Plantagen und -handel schnell zu riesigem Reichtum gelangt, hatte dem Staat angeboten, seine Kunstsammlung der Öffentlichkeit zu übergeben und ein Museum dafür zu errichten, der Staat soll nur Grundstück zur Verfügung stellen.
Seine Firma Tate & Lyle plc existiert noch heute und ist ein im FTSE 100 unter dem Namen TATE gelistetes international tätiges britisches Nahrungsmittelunternehmen. Die Firma stellt raffinerierten Zucker, Stärke und Tierfutter sowie Nahrungsergänzungsmittel her. 1921 durch Fusion zweier rivalisierenden Zuckerraffinerien Henry Tate & Sons und Abram Lyle & Sons gegründet. Henry Tate (1819–1899) hatte sein Geschäft 1869 in Liverpool begonnen und später nach London expandiert. Beide Unternehmen besaßen große Raffinerien in Silvertown, bis sie ihre Unternehmen 1921 unter dem Namen Tate & Lyle plc zur Fusion führten.


"Tauftaler [LL 108]
Taufpfennig oder Taufmedaille oder Tauftaler, Prägung zur Erinnerung an den Tauftag, die den Namen des Täuflings und das Tauf- oder Geburtsdatum aufweist, im 16. und frühen 17. Jht derartige Taufgeschenke üblich.
Können später an einer Halskette getragen oder in die Kleidung gebunden werden. Später Taufpfennig durch Geldgeschenke, zum Beispiel Tauftaler abgelöst


Taurus [RS 318]

Stier (lateinisch taurus), Sternbild
Sternenhimmel am 17.10.1987 über Norwich siehe


Taxonomie [CS 184]
Methode oder Messinstrument, um Objekte eines gewissen Bereichs nach bestimmten Kriterien zu klassifizieren, in bestimmte Kategorien oder Klassen (auch Taxa genannt) einzuordnen; z. B. erlaubt der Meterstab, Gegenstände nach Länge zu sortieren, der Intelligenztest gruppiert Menschen nach Intelligenzniveau.


Teck, Maria Herzogin von [RS 350]

* Kensington Palace, London 1867 † London 1953 Victoria Mary Augusta Louise Olga Pauline Claudine Agnes von Teck, Gemahlin von König Georg V., Königin von Großbritannien und Irland sowie Kaiserin von Indien. Nach dem Tod ihres Mannes offiziell Königinmutter. Da ihre berühmte Vorgängerin und Patentante Victoria wünschte, dass nach ihr keine Königin mehr Victoria heißen solle, wählt sie Queen Mary als ihren königlichen Namen. Vater: Herzog Franz von Teck, Sohn Herzog Alexander von Württembergs aus seiner morganatischen Ehe mit Gräfin Claudine Rhédey von Kis-Rhéde.
1893 Heirat mit dem Sohn Königin Victorias Georg, Herzog von York, der als Georg V. von 1910 bis zu seinem Tod 1936 regiert.


Telegraph [AUS 203]
siehe The Daily Telegraph


Tempel von Jerusalem [RS 7]
nach biblischer Darstellung der Tempel des Gottes JHWH, den Salomo auf dem Zion baut, archäologisch nicht nachweisbar, Jerusalem bei der Eroberung durch die Babylonier unter Nebukadnezar II. 597 bzw. 587 v. Chr. zerstört. Danach 2. Tempel während der Herrschaft des persischen Königs Dareios I., unter Herodes dem Großen grundlegend umgebaut, durch die Römer im Jahr 70 n. Chr. zerstört. Grundmauern bis heute erhalten, so die Westmauer (Klagemauer).
Zm Nachbau Alex Garrards siehe


Templer [CS 146]
Der Templerorden (auch Tempelritter oder Tempelherren), geistlicher Ritterorden von 1118 bis 1312, 1118 infolge des Ersten Kreuzzugs gegründet. Voller Name: Arme Ritterschaft Christi und des salomonischen Tempels zu Jerusalem (Pauperes commilitones Christi templique Salomonici Hierosalemitanis).
Erster Ritterorden und während der Kreuzzüge militärische Eliteeinheit, direkt dem Papst unterstellt, nach einem großes Aufsehen erregenden Prozess 1312 auf Druck des französischen Königs Philipp IV. von Papst Clemens V. am 22. März 1312 auf dem Konzil von Vienne aufgelöst.
12. Mai 1310: Verbrennung von 54 Templern bei Paris


Tenby [RS 239]



Teodor [RS 6]
Knabe, siehe bei Conrad


Terezin [AUS 265ff, 331ff, 397]


tsch. Terezin. Im 18. Jahrhundert als Festung (berühmtesten Gefangenen nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges die Attentäter von Sarajevo: Gavrilo Princip, Nedeljko Cabrinovic und Trifun „Trifko“ Grabež)
Konzentrationslager:


Terneuzen [AUS 45]



Teutsche Academie [NN 10]
Sandrarts kunsttheoretisches und kunsthistorisches Hauptwerk, "Teutsche Academie der Edlen Bau-, Bild- und Mahlerey-Künste", deren Konzeption er mit Hilfe seines Neffen Jacob von Sandrart entwarf, erscheint in mehreren Teilen zwischen 1675 und 1679. Sie entsteht in Zusammenarbeit mit dem Nürnberger Dichter Sigmund von Birken, der die Textvorlagen Sandrarts überarbeitet und mit zahlreichen Gedichten ergänzt. Sie gilt als erste theoretische Schrift zur Kunst in deutscher Sprache und enthält die erste Biographie des Künstlers Matthias Grünewald .


Ein Jahr später, 1680, lässt Sandrart mit der Übersetzung von Vincenzo Cartaris 'Le imagini colla sposizione degli dei degli antichi' (auf deutsch: 'Iconologia Deorum' oder 'Abbildung der Götter welche von den Alten verehret worden') eine weitere epochale Schrift zur Kunstgeschichte folgen.
Text

Das Bild eines schreienden Kindes von Grünewald (Kuperstichkabinett Berlin) könnte eine Studie zu der von Sandrart geschilderten Ermordung des blinden Einsiedlers mit seinem Leitbuben sein.

Goethe verfasst zur 'Teutschen Academie' in den 'Frankfurter Gelehrten Anzeigen' eine Rezension (wie auch J.G.Herder) und äußert sich darin zur Wichtigkeit der Ovid'schen Verwandlungen.


Thatcher, Margaret [RS 56]
Margaret Hilda Roberts * Grantham, Lincolnshire 1925, 1979 bis 1990 Premierministerin des Vereinigten Königreichs, 1975 bis 1990 Vorsitzende der Conservative Party.
Chemikerin, wobei sie u.a. an der Erfindung des Softeises mitwirkt. 1951 Heirat mit dem Unternehmer Denis Thatcher, studiert Rechtswissenschaft, Anwältin für Steuerrecht, Zwillinge Carol und Mark.
1970 Kultus- und Wissenschaftsministerin im Kabinett Edward Heath. Als „Milchräuberin“ (milk snatcher) bekannt, da sie die Gratis-Milch an Primarschulen abschafft. Der von ihr selbst geliebte Spitzname „Eiserne Lady“ (Iron Lady) stammt von einem Kommentar von Radio Moskau 1976, nachdem sie die „bolschewistische Sowjetunion“ scharf attackiert.
1979 erster weiblicher Premier in der Geschichte Großbritanniens.
Die von ihr vertretene Wirtschaftspolitik (Thatcherismus) zahlreiche Gemeinsamkeiten mit der von Ronald Reagan in den USA. Privatisierung vieler Staatsunternehmen (British Telecom, British Petroleum (BP), British Airways, Trinkwasserversorgung, Elektrizitätsunternehmen) Einfluss des Staates deutlich reduziert.
Bergarbeiterstreik 1984/85 einjähriger Streik gegen geplante Schließungen und Privatisierungen ihrer Zechen. In Folge viele Bergleute verschuldet, wegen des Lohnverzichts. „Sieg“ Thatchers über die Bergarbeiter verringert den Einfluss der englischen Gewerkschaften dauerhaft. Abschaffung des Closed Shop (Pflichtmitgliedschaft in Gewerkschaften für Arbeiter zahlreicher Unternehmen), Verbot der so genannten Flying Pickets (Streikposten, die nicht dem bestreikten Betrieb angehören). Arbeitslosenquote 12,5 Prozent 1983, Ausscheiden Großbritanniens aus dem EWS, Falklandkrieg 1982, 1984 erreichte sie unter dem Motto „I want my money back“ den bis heute gültigen Britenrabatt zur Finanzierung der EU. Dies führt zur Äußerung des damaligen Bundeskanzlers Helmut Kohl, er fürchte Margaret Thatcher „wie der Teufel das Weihwasser“.
1985 verweigert Universität Oxford die Ehrendoktorwürde aus Protest gegen Kürzungen im Bildungsetat.
Im Prozess der deutschen Wiedervereinigung 1989/90 reagiert Thatcher zunächst strikt ablehnend. Gegenüber Richard von Weizsäcker erklärt sie, dass sich ihr Deutschlandbild im Wesentlichen bis 1942 gebildet und seitdem wenig geändert habe.
Nobilitiert, als Baroness in her own right („Baronin aus eigenem Recht“) und Life Peer („Peer auf Lebenszeit“) zieht sie als Baroness Thatcher of Kesteven (Grafschaft Lincolnshire) ins House of Lords („Oberhaus“) ein. Denis Thatcher zuvor erblicher Baronet (1st Baronet of Scotney) (womit seine Ehefrau bereits zur „Lady höflichkeitshalber“). 1998 Besuch des zu dieser Zeit in London unter Hausarrest stehenden chilenischen Ex-Diktators Augusto Pinochet. 2001 mehrere Schlaganfälle, 2008 fortgeschrittene Demenz
Thatchers Politik kontrovers diskutiert. Anhänger heben dabei ihre Wirtschafts- und Sozialpolitik hervor, die zu mehr Wohlstand für das Land und die einzelnen Bürger geführt habe. Kritiker werfen ihr die Zerstörung eines gesellschaftlichen Gemeinschaftsgefühls durch die Zerschlagung der Gewerkschaften, die Ruinierung des öffentlichen Sektors, insbesondere des National Health Service durch Privatisierung, sowie Ignoranz gegenüber immateriellen gesellschaftlichen Werten vor. Qualitätsprobleme bei den unter Thatcher privatisierten englischen Trinkwasserversorgern (Wasserwerke). Zwar stiegen die Wasserpreise in zehn Jahren um 46 Prozent an, jedoch investierten die betreibenden Unternehmen nicht ausreichend in das Leitungsnetz.


The Daily Telegraph [AUS 203]
1855 gegründete, konservative britische Tageszeitung mit Sitz in London, Marktanteil 7 % 2004 von den schottischen Milliardären Frederick und David Barclay (Zwillinge) für 665 Millionen Pfund Sterling, umgerechnet ca. 1 Milliarde € gekauft. 2009 die meistverkaufte britische Qualitätszeitung. Gründungsmitglied der European Dailies Alliance (EDA), in der Die Welt, Le Figaro (Frankreich) und ABC (Spanien) in der internationalen Berichterstattung redaktionell zusammenarbeiten. Die Zeitung fällt häufig durch eine äußerst EU-kritische Berichterstattung auf.


The Indian Chief [UH 17, 20]
A Tale of he Indians and Whites in London, kaum veränderte britische Version von Sealsfields erstem Roman "Tokeah; or the White Rose in Philadelphia" von 1829. In diesem einzigen Roman, den er in Englsich schreitb, steht Sealsfield deutlich unter dem Einfluss James Fenimore Coopers, dessen Last of the Mohicans 1826 erscheint.
Mit der Übersetzung und Umarbeitung seines Tokeah beginnt 1833 seine schriftstellerische Karriere im deutschen Sprachraum. Der Roman erscheint anonym unter dem Titel "Der Legitime und die Republikaner. Eine Geschichte aus dem letzten amerikanisch-englischen Krieg." Die abenteuerliche Handlung rund um die Schlacht von New Orleans, in deren Verlauf auch der siegreiche amerikanische General und spätere Präsident Andrew Jackson auftritt, orientiert sich am Modell des historischen Romans, das Walter Scott entwickelt hatte. Gegenüber der in der amerikanischen Version noch dominierenden romantischen Indianergeschichte tritt in der deutschen Version der politische Aspekt ins Zentrum: Gezeigt wird das Funktionieren der amerikanischen Republik auch unter den widrigen Bedingungen eines existenzbedrohenden Kriegs. Die Träger dieser amerikanischen Republik sind Hinterwäldler, Bauern und Plantagenbesitzer; der städtischen Sphäre weicht Sealsfield, wie auch in seinem späteren Werk, weitgehend aus.


Thekla [NN 37ff]
Thekla von Ikonium
Heilige der katholischen Kirche


Theophon [NN 42] Prokopowitsch, Theophan [NN 42]

richtg Theophan (nicht Theophon)
1681-1736 Erzbischof von Novgorod, Vizepräsident des Heiligen Synod, wichtigster Berater Peter des Großen in kirchenpolitischen Angelegenheiten.
Entstammt kleiner Kiewer Kaufmannsfamilie, studiert Theologie in Polen und Rom. 1716 nach Petersburg berufen. Er verfolgt Theologie der Aufklärung und naturrechtliche Theorien, steht damit dem Reformprogramm Peters des Großen nahe und setzt sich für Volksbildung ein. Gegner: konservative orthodoxe Geistlichkeit mit Zentrum in Moskau
Schreibweise Sebalds "Theophon" beruht auf Corey Ford 'Where the Sea Breaks Its Back'


Theresienstadt [AUS 265ff, 331 ff.]


Lage:
tsch. Terezin. Im 18. Jahrhundert als Festung (berühmtesten Gefangenen nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges die Attentäter von Sarajevo: Gavrilo Princip, Nedeljko Cabrinovic und Trifun „Trifko“ Grabež)
Konzentrationslager:
In der Kleinen Festung 1940 Gestapogefängnis, in dem bis 1945 etwa 32.000 tschechische Oppositionelle, Mitglieder des Widerstandes gegen die Besatzung und Kriegsgefangene eingesperrt werden. 1941 in der Garnisonsstadt Sammel- und Durchgangslager für die jüdische Bevölkerung Böhmens und Mährens. Die einheimische Bevölkerung muss die Stadt verlassen, neben einheimischen kommen Juden aus Deutschland und anderen europäischen Ländern in das „Altersghetto“. Theresienstadt dient der NS-Propaganda als „Vorzeigeghetto“, um die internationale Öffentlichkeit über die „Endlösung der Judenfrage“ zu täuschen.





Mehr als 140.000 Häftlinge leben bis zum Mai 1945 im Lager. 38.000 sterben dort, fast 90.000 werden in Vernichtungslager in Osteuropa weitertransportiert.

Internierungslager für Deutsche: Nach dem Zweiten Weltkrieg „Internierungslager der Kleinen Festung Theresienstadt“. Bis 1948 mehr als 3.500 Personen, zumeist deutschsprachige Tschechen, inhaftiert, die aus der Tschechoslowakei vertrieben werden sollten. Über 500 Internierte überleben das Lager nicht, sie sterben an den Folgen mangelnder Ernährung und unhygienischer Zustände oder nach Anwendung von Gewalt durch das Aufsichtspersonal.
Siehe auch H. G. Adler : Theresienstadt. 1941-1945. Das Antlitz einer Zwangsgemeinschaft, Geschichte Soziologie Psychologie. Tübingen 1955 siehe


The Saints [RS 34]
a group of villages in Suffolk, England, near the border with Norfolk. The villages are all named after a saint (that of their parish church), and either South Elmham or Ilketshall named after the 'hall of Alfkethill'.
The Saints:
All Saints South Elmham
St Cross South Elmham (church actually dedicated to Saint George)
St James South Elmham - Benjamin Franklin's great-great-grandmother was Alice Elmy born at Frenze Hall near Diss on the Suffolk /Norfolk border in England, but her family were from St James
St Margaret South Elmham
St Mary South Elmham (known as Flixton)
St Mary South Elmham (known as Homersfield)
St Michael South Elmham
St Nicholas South Elmham (church no longer present)
St Peter South Elmham
Ilketshall St John
Ilketshall St Lawrence (aka Stone Street)
Ilketshall St. Andrew
Ilketshall St Margaret
Each of the villages also constitutes a civil parish, apart from All Saints and St Nicholas, which are joined together in the All Saints and St Nicholas, South Elmham parish



Thieberger, Friedrich [CS 199]
Kafkas Hebräischlehrer in Prag


Tjumen [NN 67]



Thomas von Aquin [CS 146, 189]
* auf Schloss Roccasecca bei Aquino in Italien um 1225 † Fossanova 1274, auch Thomas Aquinas oder der Aquinat, Dominikaner und einer der einflussreichsten Philosophen und Theologen der Geschichte
Zitat Nietzsche, Genealogie der Moral: Wir würden es vielleicht schon erraten; aber besser ist es, daß es uns eine in solchen Dingen nicht zu unterschätzende Autorität ausdrücklich bezeugt, Thomas von Aquino, der große Lehrer und Heilige. "Beati in regno coelesti", sagt er sanft wie ein Lamm, "videbunt poenas damnatorum, ut beatitudo illis magis complaceat." (lat. Die Seligen im himmlischen Reich werden die Strafen der Verdammten sehen, damit die Seligkeit ihnen mehr gefällt.)


Thora [LW 26]
erster und wichtigster Hauptteil des Tanach, der Hebräischen Bibel, bestehend aus fünf Buchrollen , Moses zugeschrieben


Thunderbolt [RS 54]
Republic P-47 Thunderbolt, Kampfflugzeug der US-amerikanischen Republic Aviation Company, als Jagdflugzeug entworfen und im Zweiten Weltkrieg in dieser Funktion und später auch als Jagdbomber verwendet. Jungfernflug 6. Mai 1941. Im Laufe des Krieges etwa 15.600 Thunderbolts produziert, auf nahezu jedem Kriegsschauplatz eingesetzt.
siehe
Zum Absturz der zwei Thunderbolts über Somerleyton siehe


Thys, Albert [RS 143]

* Dalhem 1849 + Brüssel 1915, belgischer Miltitär und Geschäftsmann, ausgebildet an der École de guerre, seit 1876 im Dienst Leopolds II. als Sekretär für Kolonialangelegenheiten. Nach der Rückkehr Stanleys schickt der König Thys nach England, um eine neue Expedition nach Zentralafrika vorzuschlagen mit dem Ziel der Gründung einer Association Internationale Africaine. Nach seiner Ankunft 1887 im Kongo treibt Thys den Bau der Matadi-Léopoldville Eisenbahn von 1890 bis 1898 voran. Thys ist die Schlüsselfigur der wirtschaftlichen Ausbeutung des Freistaats Kongo und von Belgisch Kongo und gibt dem Etappenort Sona Qongo 1904 seinen Namen (Thysville, heute Mbanza-Ngungu).
Thys ist Gründer der Compagnie du Congo pour le Commerce et l'Industrie (1886) und vieler Tochtergesellschaften: Compagnie du Chemin de Fer du Congo (CCFC), Compagnie des Magasins généraux, Société anonyme Belge pour le Commerce du Haut-Congo, Compagnie des Produits, Compagnie du Katanga.
Bei der Ausbeutung ab den 1880er-Jahren des Kongo-Gebietes nutzt man die großen Flüsse als Verkehrsnetz. Wegen der Livingstonefälle zwischen dem Hafen Matadi und Kinshasa ist der Kongo auf einer Länge von rund 300 km nicht schiffbar, man umgeht die Wasserfälle mit Trägerkolonnen. Sie sollen durch die Eisenbahn ersetzt werden. Besondere Schwierigkeiten bereiten der Ausgang aus der Kongoschlucht durch den Canyon des M'pozo sowie die folgende Passage der Kristallberge. Nach nur acht Jahren Bauzeit sind die Arbeiten 1898 beendet. Während dieser Zeit kommen 1800(!) Einheimische und 132 Kolonialisten ums Leben. Der harten Arbeit setzt Joseph Conrad , der selbst in der Kolonie arbeitete, in "Herz der Finsternis" ein literarisches Denkmal.


Tientsin, Friede von [RS 175]
Im 2. Opiumkrieg besetzen britische und französische Truppen zuerst Kanton (1857) und die Forts bei Dagu (Taku) (1858), die im weitesten Sinne dem Schutze der Städte Tianjin (Tientsin) und Peking dienten. Dieses militärische Vorgehen war zuvor mit den USA und mit Rußland abgestimmt. Im Vertrag von Tientsin (1858) muss China die Öffnung weiterer elf Hafenstädte für den internationalen Handel zulassen. England und Frankreich erwerben Schiffahrtsrechte auf dem Changjiang (Yangzi) und erpressen Kriegsentschädigungen sowie die Festlegung von Außen- und Binnenzöllen. Rußland und Amerika setzen ähnliche Ansprüche für sich durch.


Tiepolo, Giovanni Battista [SG 61f, 205f ]
auch Giambattista Tiepolo * Venedig 1696 † Madrid 1770 bedeutendster venezianische Maler des Rokokos, ua. Meisterwerk: Fresken im Kaisersaal der Würzburger Residenz
Sohn eines kleinen Schiffseigners geboren. Malerlehre, schnell begehrter und berühmter Maler machten. Auftraggeber Bischof von Udine, 1745 bis 1750 Arbeiten im Palazzo Labia in Venedig.1750 zusammen mit seinen Söhnen Domenico und Lorenzo sowie einem Diener in Würzburg, neben Tizian der einzige große italienische Maler, der in Deutschland arbeitet.
Giovanni Domenico Tiepolo ist sein älteste Sohn. Er war Schüler, Gehilfe und Stecher in der Werkstatt seines Vaters, später sein zunehmend gleichberechtigter Mitarbeiter. Im Oratorium von San Polo mit 14 Leinwänden Kreuzwegsationen Debüt als selbstständiger Maler.

Hl. Thekla befreit Este von der Pest, Entwurf für Fresko im Dom von Este


Würzburger Residenz



Tiergarten Antwerpen [AUS 6 ff.]
im Zentrum in der Nähe des Bahnhofes. Nach Zweiten Weltkrieg zu fortschrittlichem Zoo umgebaut, an neue wissenschaftliche, pädagogische, kulturelle und ästhetische Standards angepasst. Gebäude aus dieser Zeit u. a. Affenhaus (1958), Jubiläumskomplex (am 125. Jahrestag zusammen) mit dem Nocturama für nachtaktive Tiere 1968 eingeweiht.


Tintenblei [LL 14]
ugs. für Kopierstift, Tintenbleistift: Schreib- oder Zeichengerät mit wasserlöslicher farbigen Mine. Ummantelung der Mine Holz wie bei Bleistiften
Frisch angespitzter Kopierstift metallisch, oft violett glänzende Mine, die sich nach einigen Stunden matt und dunkel verfärbt.


Tizian [Campo Santo 8]
Tiziano Vecellio * Pieve di Cadore bei Belluno um 1489 † Venedig 1576 bedeutendster Maler der venezianischen Hochrenaissance
Porträt des jungen Mannes mit dem Handschuh


Tlön, Uqbar, Orbis Tertius [RS 87, 89ff, 185]
eine Erzählung von Jorge Luis Borges aus Die Bibliothek von Babel.
Danach soll einer der Häresiarchen von Uqbar erklärt haben, Spiegel und Paarung seien abscheulich, weil sie die Zahl der Menschen vervielfachen. In keinem Lexikon sei Uqbar zu finden. Vermutlich handle es sich um eine Landschaft in Kleinasien. Der Name des Häresiarchen stehe nicht fest, wohl aber die Lehre: Für einen dieser Gnostiker war die sichtbare Welt eine Illusion oder (genauer gesagt) ein Sophismus. Der Spiegel und die Vaterschaft sind abscheulich, weil sie jene vervielfältigen und in Umlauf bringen.. Die Literatur Uqbars sei phantastischer Art, sie bezöge sich auf Mlejnas und Tlön. Der Erzähler findet ein Buch mit der Geschichte von Uqbar und TIön und Orbis Tertius.
In TIön verdoppeln sich die Dinge; sie neigen ebenfalls dazu, undeutlich zu werden und die Einzelheiten einzubüßen, wenn die Leute sie vergessen. Ein klassisches Beispiel ist jene Türschwelle, die andauerte, solange ein Bettler sie besuchte, und die bei seinem Tode den Blicken entschwand. Zuweilen haben ein paar Vögel oder ein Pferd die Ruinen eines Amphitheaters gerettet.
1940 Salto Oriental. Siehe auch und
Text:


Tobel [BU 35] [CS 27] [AUS 235] [SG 279]
tiefer, schluchtartiger Einschnitt in Steilhang oder stark eingetieftes Tal eines Gebirgsbaches, auch "Dobel". Sprachlicher Ausdruck im westlichen Alpenvorland, insbesondere Ostschweiz, Oberschwaben, Allgäu, westliches Tirol und Schwarzwald. Im Süddeutschen maskulin („Der Tobel“), in der Schweiz, in den südlichen Walsertälern des Piemont, in Vorarlberg neutrum („Das Tobel“).


Todsünde [AW 53]
Verwirrend und theologisch falsch, aber umgangssprachlich gebräuchlich Bezeichnung der sieben Hauptlaster als „sieben Todsünden“.
Begriff der Todsünde (lat. peccatum mortiferum) bezeichnet im Katechismus der Katholischen Kirche bestimmte, besonders schwerwiegende Sünden (Mord, Ehebruch und Glaubensabfall). Davon abgegrenzt die „himmelschreiende Sünde“ als Steigerung und die „lässliche Sünde“ als minderschweres Vergehen. Sünden entstehen nach der klassischen Theologie aus den folgenden sieben schlechten Charaktereigenschaften (Hauptlaster):
Superbia: Hochmut (Übermut, Eitelkeit, Ruhmsucht)
Avaritia: Geiz (Habgier, Habsucht)
Luxuria: Genusssucht, Ausschweifung (Wollust)
Ira: Zorn (Wut, Vergeltung, Rachsucht)
Gula: Völlerei (Gefräßigkeit, Unmäßigkeit, Maßlosigkeit, Selbstsucht)
Invidia: Neid (Missgunst, Eifersucht)
Acedia: Trägheit des Herzens/des Geistes (Faulheit, Feigheit, Ignoranz)
Die Sünde zieht den zweiten Tod, die Höllen-Strafe nach sich, wenn man mit einer Todsünde im Herzen stirbt. Vergebung der Todsünde nur in der Beichte oder durch vollkommene Reue zu erreichen. In der persönlichen Beichte spricht die Kirche durch den Priester in persona Christi dem Sünder die notwendige Gewissheit über die göttliche Vergebung zu, da außerhalb des Sakraments keine Sicherheit über die vollkommene Hinwendung des Büßers zu Gott möglich


Toller, Ernst [AW 324]
* Samotschin, Provinz Posen 1893 † New York 1939, deutscher Schriftsteller, Politiker und Revolutionär. 1914 „Ausländeruniversität“ Grenoble. Zu Beginn des Ersten Weltkriegs Rückkehr nach Deutschland. 1914 Kriegsfreiwilliger im 1. Kgl. Bay. Fuß-Artillerie-Regiment in München. Fronteinsatz bei Verdun. Unteroffizier, Gedichte gegen den Krieg. 1916 psychischer und physischer Zusammenbruch, nicht mehr kriegsverwendungsfähig, Studium München Jura und Philosophie, in den Kreis um Literaturwissenschaftler Artur Kutscher aufgenommen. Bekanntschaft mit Thomas Mann und Rainer Maria Rilke. Über Verleger Eugen Diederichs Kontakt mit Max Weber. Teilnahme an wöchentlichen Diskussionsrunden einer heterogenen Gruppe von linksorientierten Kriegsgegnern München (mit Kurt Eisner (Diskussionsleitung), Felix Fechenbach, Oskar Maria Graf und Erich Mühsam. Pazifistische und revolutionär-sozialistische Einstellung, 1918 am Umsturz in Bayern beteiligt, ruft mit Gustav Landauer und Erich Mühsam am 9. April 1919 die Münchner Räterepublik aus, mit dem Aufbau der Roten Armee beauftragt. Nach Niederschlagung der Räterepublik durch Freikorpsverbände und Reichswehr verhaftet, angeklagt, 5 Jahre Festungshaft (Gefängnis Niederschönenfeld).
1926 Mitglied der Gruppe Revolutionärer Pazifisten. Mit seiner Geschichtsrevue "Hoppla, wir leben!" eröffnet 1927 Piscator-Bühne im Berliner Theater am Nollendorfplatz, die zum Inbegriff des Avantgardetheaters der 1920er Jahre wurde. 1933 in die USA emigriert, Selbstmord.


Tongzhi [RS 177ff]


Tóngzhì, T'ung-chi. Kaiser von China * 1856; † 1875, Kaiser der Qing-Dynastie ab 1861, folgt seinem Vater Xianfeng bereits mit fünf Jahren auf den Thron. Bis Volljährigkeit 1872 übt Regentschaft seine Mutter Cixi aus. Sie veranlasst, damit er ihr nicht gefährlich wird, dass er nur in Palästen aufwuchs, ohne militärische Ertüchtigungen seiner Vorväter. Die „Tongzhi-Restauration“ trägt zwar den Namen des Kaisers, wird aber von Cixi und ihrem Berater, dem Gelehrten-General Zeng Guofan, ins Werk gesetzt. 1875 stirbt Tongzhi im Alter von nur achtzehn Jahren, ohne Erben. Cixi läßt verlauten, er sei an Pocken gestorben. Wahrscheinlich wohl eher an Syphilis, weil er sich gerne aus der Verbotenen Stadt fortschlich und Pekings Bordelle besuchte. Als heimliche Streifzüge und Krankheit offenbar werden, ist Cixi so erbost, dass sie ihn wegen Pocken behandeln und den Hofarzt bestrafen läßt. Seine Frau, Kaiserin Alute , stirbt im selben Jahr wie er.


Torfwasenbeige [SG 271]
siehe Beige


torricellische Leere [RS S. 312]
Wenn man ein 1m langes, dünnes Glasrohr, auf einer Seite geschlossen, mit flüssigem Quecksilber füllt und unter Zuhaltenn der Öffnung das Rohr mit der Öffnung in einen Behälter mit Quecksilber taucht und das Rohr öffnet, fließt das Quecksilber nur teilweise aus dem Rohr. Der herrschende Luftdruck bewirkt, dass eine Säule von 76 cm Höhe in der Röhre stehen bleibt, in dem leeren Teil darüber ist gar nichts - die "Torricellische Leere". Die düfte es nach Aristoteles eigentlich nicht geben, die Natur habe einen "horror vacui", Furcht vor dem leeren Raum. Die torricellische Leere nennt man heute Vakuum. Der Apparat, was Torricelli auch erkannte, dient zum Messen des Luftdrucks, der nicht konstant bleibt.


Totemtier [CS 171, 175]
Totem Begriff aus der Ethnologie für Symbole oder Gruppenabzeichen, denen mythisch-verwandtschaftliche Verbindung zwischen einem Menschen bzw. einer Gruppe und einer bestimmten Naturerscheinung gemeinsam ist. Die Naturerscheinungen sind häufig Tiere oder Pflanzen, jedoch auch Berge, Flüsse, Quellen und ähnliches. Die „Verwandtschaft“ bezieht sich auf die Eigenschaften oder Verhaltensweisen dieser „Vorbilder“, jeweils verbunden mit bestimmten Verhaltensvorschriften für die Träger der Totems.
Die Gitxsan-Stammesgruppe Westkanadas hat beispielsweise Wolf-Clan, Kolkraben-Clan, Frosch-Clan usw.


Totenuhr [AW 165]
Gescheckter Nagekäfer, ein Vertreter der Klopfkäfer (Anobiidae).
Die männlichen Käfer trommeln mit den Hinterbeinen auf das Holz, um Geschlechtspartner anzulocken.


Tracé [AUS 21]
Festungsgrundriss


Traduktion [CS 133]
Begriff aus der Philosphie.
Das menschliche Wissen kann seiner Entstehung nach in zwei Kategorien unterteilt werden:
1. in empirisches Wissen, das durch unmittelbares Beobachten der wahrgenommenen Welt erworben wird und ein einfacher Ausdruck der beobachteten Tatsachen ist, und
2. gefolgertes Wissen, das man durch einen besonderen geistigen Vorgang, genannt Schlussfolgerung, aus anderen, bereits früher erworbenen Kenntnissen erhält.
Die Schlussfolgerung ist somit ein Denkakt, durch den wir unabhängig von der unmittelbaren Beobachtung allein aufgrund bereits vorhandener Kenntnisse zu neuen Kenntnissen gelangen

Im hiesigen Zusammenhang wohl gemeint der Begriff der Übertragung aus der Psychoanalyse Freuds, der den Vorgang meint, dass ein Mensch alte – oftmals verdrängte – Gefühle, Affekte, Erwartungen (insbesondere Rollenerwartungen), Wünsche und Befürchtungen aus der Kindheit unbewusst auf neue soziale Beziehungen überträgt und reaktiviert.
Ursprünglich können diese Gefühle auf die Eltern oder Geschwister bezogen gewesen sein, bleiben aber auch nach der Ablösung aus dem Elternhaus in der Psyche präsent und wirken dort weiter. Dieser Vorgang ist zunächst weitestgehend normal und weit verbreitet, kann aber, wenn die übertragenen Gefühle sich gegenüber tatsächlichen gegenwärtigen Beziehungen als nicht angemessen erweisen, zu erheblichen Problemen und Spannungen führen.


Trafikantin [SG S. 263]
(österr.) Inhaberin einer Trafik (Kiosk)


trahison des clercs [UH 22]
La trahison des clercs, berühmtes Essay des frz. jüd. Philosophen und Schirftstellers Julien Benda (1867 - 1956) von 1927 (dt. Der Verrat der Intellektuellen).
Benda beklagt Trend der Intelligentsia, die ihnen eigentlich zustehende Position des Universalismus, ihren Schlüsselwert der Gerechtigkeit und ihre Organisationsform der Demokratie zu verraten und sich zunehmend politischen Leidenschaften wie dem Klassenkampf, dem Nationalismus oder dem Rassismus hinzugeben. Seine Vorstellung des Intellektuellen (im Original: clercs) beschreibt eine Klasse, deren Aktivitäten schon vom Wesen her nicht auf praktische Ziele ausgerichtet sind; Menschen, die ihre Befriedigung in Kunst, Wissenschaft oder metaphysischer Spekulation –, kurz, im Besitz immaterieller Güter suchen. Intellektuelle Vorbilder sind Platon, Descartes und Kant.
Neuauflagen dieses wichtigsten Werkes 1950er und 1970er Jahren löst auch nach seinem Tod in frz. gelehrten Kreisen u. Öffentlichkeit immer wieder Diskussionen über die Rolle des Intellektuellen und seine Beziehung zu gesellschaftlichen Machtpositionen aus. In Deutschland findet Werk sehr viel geringere Beachtung, obwohl es sich auch intensiv mit den deutschen Intellektuellen befasst. In 1980er Jahren knüpft Edward Said daran an, entwickelt aus umstrittenen Lesart von Bendas Verrat seine Vorstellung des „weltlichen Intellektuellen“


Traktament [LL 132]
Verpflegung, Bewirtung, Behandlung


Transgression [CS 130]
Sünde, Verletzung, Verstoß, Überschreitung oder Übertretung


Trauerflor [RS 350]
langes schwarzes textiles Band, bei Trauerbeflaggung der Flagge beigefügt. Als kleine Schleife an der Kleidung getragen, bringt der Trauerflor Mitgefühl, eigene Betroffenheit und Respekt zum Ausdruck. Meistens von Personen getragen, die nicht mit dem verstorbenen Menschen verwandt, bis in die 1970er-Jahre für Männer in der Trauerzeit (6 Wochen oder 1 Jahr) üblich, bei nicht schwarzer Oberbekleidung am linken Ärmel ein etwa handbreites Stück Trauerflor anzubringen, für Frauen schwarze Oberbekleidung und eventuell Kopfbedeckung üblich. Trauerfloren bei Beerdigungen auf den Kränzen, oftmals mit gewebten oder aufgedruckten Inschriften wie z. B. „Zum letzten Gruß“ oder „In Trauer, dein(e) …“.


Trauerseide [RS 9, 350]
Trauerkleidung aus schwarzer Seide
vgl. Dieter Wrobel “W. G. Sebald: ‘Katastrophengeschichte’ und ‘Trauerseide’.” Bielefeld 1997

Trentin[RS 264]
Das Trentino, Provinz Trient im Norden Italiens, zusammen mit Südtirol die Region Trentino-Südtirol, Hauptstadt Trient. Tirol-Südtirol-Trentino entsprechen im Wesentlichen dem Gebiet des Kronlandes Tirol der früheren Österreichisch-Ungarischen Monarchie

Trettach [AW 44]
südöstlicher (rechte) Quellfluss der Iller in den Allgäuer Alpen. Name vom mittelhochdeutschen Wort draete, (=„schnell, eilig“). Entspringt südlich von Oberstdorf, fließt in nördlicher Richtung durch das nach ihr benannte Trettachtal (teilweise auch Spielmannsauertal genannt nach dem Weiler Spielmannsau). Bildet zusammen mit Breitach und Stillach ab dem Illerursprung nördlich von Oberstdorf die Iller.


Treuhandstelle für beschlagnahmte Waren [AUS 258]
Abteilung des Zentralamts für die Regelung der Judenfrage in Böhmen und Mähren . Die Jerusalemsynagoge in Prag wird 1941–45 als Sammellager des beschlagnahmten jüdischen Besitzes von ihr benutzt.


Trilby [SG 48]


Der Fedora, weicher Filzhut, der längs der Krone nach unten geknickt und an der Vorderseite an beiden Seiten eingekniffen ist. 1882 macht die Theaterschauspielerin Sarah Bernhardt in der Rolle der Prinzessin Fédora Romanoff einen Hut zur Mode unter Frauen, u. a. von Vertreterinnen der Frauenbewegung getragen. Nach der Jahrhundertwende kommt der Fedora zudem bei Männern in Mode – so etwa bei den hochrangigen Vertretern der Gangsterorganisationen während der Prohibition in den USA. Mit kleinerer Krempe als Trilby bekannt, erlangt diese Fedora-Variante in den 1960er Jahren erneute Popularität: Sean Connery trägt den Trilby in seinen Filmen in der Rolle von James Bond.
Bis heute zählen Fedora und Trilby zu den populärsten Hüten des 19. und 20. Jahrhunderts.
Und: Hintersinn? Trilby: zweiter und erfolgreichster Roman von George du Maurier von 1894. Lieder, Bühnenstücke und Filme, von dem Roman inspiriert beinhalten den Begriff "Trilby".


Tripp, Jan Peter [Unerzählt]
[LL 7, 169ff]
[CS 210ff, 243f]

* Oberstdorf 1945
studierter Bildhauer und Maler. Mitglied des Deutschen Künstlerbundes, bekannt durch Porträts von Politikern, Wirtschaftsmagnaten und Dichtern. Lebt und arbeitet Mittelbergheim/Elsass; hervorragender Kenner der Literatur. Sebald war zeitlebens Bewunderer des hyperrealistischen Malers und Radierers, über dessen Arbeiten er mehrere Essays schrieb. Ihr erstes gemeinsames Werk: Unerzählt (eine Art Vermächtnis der langen Künstlerfreundschaft (Wahlverwandtschaft im Zeichen der Schwermut): Augenpaare von Freunden und Zeitgenossen und Prosa-Miniaturen aus dem Nachlass (Man müsste sich schon an einen Mast ketten lassen, um vor der Sirenenkraft solcher Sätze gefeit zu sein.)
Im Mai 1976 besucht Sebald (CS 243), der mit T. auf der Schule in Oberstdorf war, diesen in Stuttgart in der Reinsburgstraße. T. schenkt ihm einen Stich, auf dem der kopfkranke Senatspräsident D. P. Schreber zu sehen ist mit einer Spinne in seinem Schädel.


Triptychon [LW 14]
dreigeteiltes Gemälde, bestehend aus einer Mitteltafel und zwei meist schmaleren Flügeln, manchmal ergänzt durch eine Predella unter dem Mittelteil. Ein Triptychon mit christlichen Motiven und mit beweglichen Seitenteilen zum Verschließen des Mittelteils ist eine mögliche Form eines Flügelaltars vgl.
Erinnertes Triptychon


Tristes Tropiques [CS 216]
Buch von Lévi-Strauss, machte bei seiner Erscheinung (1955, dt. 1978) Furore, da es den Mythos von den paradiesischen Tropen in Frage stellt. Tropen als Topos


triomphe du christianisme sur la vie sauvage [UH 28]
Zitat aus Chateubriands Novelle Atala im Epilog:
Schakta, der Sohn des Outalissi, der Saschem vom Stamm der Natsches, hat diese Geschichte dem Europäer René erzählt. Die Väter überlieferten sie ihren Kindern, und ich, der Pilgrim in fernen Landen, berichtete getreulich, was ich von den Indianern erfahren. Ich sah in dieser Erzählung die Schilderung eines jagd- und ackerbautreibenden Volks; ich sah in ihr die Religion, als die erste Gesetzgeberin der Menschen, sah in ihr die Gefahren der Unwissenheit und der religiösen Schwärmerei, entgegengesetzt den helleren Begriffen einer allgemeinen Menschenliebe und dem wahren Geiste des Evangeliums; den Kampf der Leidenschaften und Tugenden in einem unverdorbenen Herzen, und den Sieg des Christentums über die heftigste Leidenschaft und die höchste Furcht, die Liebesleidenschaft nämlich, und den Tod.


Trompe-l’œil [AW 261] [LL 176ff]
Trompe-l’œil (frz. „täusche das Auge“) illusionistisches Gemälde, mittels geschickter perspektivischer Darstellung eine nicht vorhandene Räumlichkeit vortäuschend. Auch Wand- und Deckenmalereien, die mit perspektivischen Mitteln eine scheinbare Vergrößerung der jeweiligen Architektur und einen Ausblick auf Phantasielandschaften erzeugen, werden Trompe-l’œils genannt.


Trouville-sur-Mere [AW 175ff]

französisches Seebad mit ca. 5000 Einw. Département Calvados, Normandie, ca. 200 km im NW von Paris an der feinsandigen Ärmelkanalküste.
Im Gegensatz zu Deauville, einem Ort in unmittelbarer Nachbarschaft am anderen Ufer der Touques und 1859 vom Architekten Brunet auf dem Reißbrett entworfen, ein historisch gewachsener Fischerhafen. Während Deauville mit Regatten und Pferderennen schon früh Urlauber anlockt (Eisenbahnverbindung nach Paris), lenkt Trouville erst die Aufmerksamkeit der Städter auf sich, als Eugène Cornuché im ausgehenden 19. Jahrhundert dort Spielcasino eröffnet. Sukzessive immer beliebter, wovon zahlreiche Prachtbauten der Jahrhundertwende zeugen. Für Touristen aus England Pier (heute nicht mehr vorhanden), der die Passagiere der Fähren aus Le Havre aufnahm. Bekanntes Hotel am Pier waren die Roches Noires , in denen später auch die Schriftstellerin Marguerite Duras eine Wohnung besaß.
In der Villa Montebello das Musée de Trouville mit stadthistorischen und kunstgeschichtlichen Exponaten.


Troubadour [LW 30]
Trobador, Dichter, Komponist und Sänger höfischer mittelalterlicher Lieder, insbesondere der in okzitanischer Sprache verfassten Trobadordichtung im südlichen Frankreich


Trümmerliteratur [CS 70]
auch Literatur der Stunde Null, Kriegs- oder Heimkehrerliteratur: deutsche Literaturepoche. Beginn 1945 nach dem Zweiten Weltkrieg, Anfang der 1950er Jahre gegen anspruchsvollere neuere Formen, etwa von Arno Schmidt, Günter Grass, Peter Rühmkorf und Uwe Johnson, zurückretend. Autoren großenteils junge Männer, kriegsgefangendie oder heimgekehrt. Anfänge der Epoche in Zeitschriften der Kriegsgefangenenlager (z.B. Der Ruf). Die meisten Autoren am Anfang ihres literarischen Schaffens, also keine Fortsetzung der Nationalsozialistischen Literatur, der Literatur der Inneren Emigration oder der Exilliteratur.
Ausländische Bezugspunkte und Vorbilder: amerikanische Short Stories, Werke Ernest Hemingways, John Steinbecks und William Faulkners, Jean Anouilh, Jean-Paul Sartre, Albert Camus sowie Elio Vittorini und Ignazio Silone.
Trümmerliteratur endet, als Deutschland zunehmend wohlhabender, Städte aufgebaut und Schrecken des Krieges in den Hintergrund gerückt. Scheitern der Trümmerliteratur am Druck restaurativer literarischer Normen, die zu zaghafte und mühsame Entwicklung der Gattung, die formale Unsicherheit und Selbstüberschätzung vieler Autoren und spätere Distanzierung einiger Schriftsteller von ihren Trümmerwerken als literarische Jugendsünden.
Vertreter: Andersch, Arno Schmidt, Erich Kästner, Günter Eich, Hans Werner Richter, Böll, Heinz Rein, Jan Molitor, Johannes Becher, Wolfdietrich Schnurre, Walter Kolbenhoff, Wolfgang Borchert, Wolfgang Weyrauch
Zitate (Böll): Wir schrieben also vom Krieg, von der Heimkehr und dem, was wir im Krieg gesehen hatten und bei der Heimkehr vorfanden: von Trümmern; das ergab drei Schlagwörter, die der jungen Literatur angehängt wurden: Kriegs-, Heimkehrer- und Trümmerliteratur.
Der Name Homer ist der gesamten abendländischen Bildungswelt unverdächtig: Homer erzählt vom Trojanischen Krieg, von der Zerstörung Trojas und von der Heimkehr des Odysseus – Kriegs-, Trümmer- und Heimkehrerliteratur-, wir haben keinen Grund, uns dieser Bezeichnung zu schämen.



Trumpf [LL 17]
volkstümliche Vereinfachung des Wortes Triumph, hier verwendet im Kartenpiel (Skat, Doppelkopf, Schafskopf)


Tschechow, Anton Pavlovich [LW 69ff]
[Auf ungeheuer dünnem Eis 18f.,21f.]

* Taganrog, Russland 1860 † Badenweiler .1904 russischer Schriftsteller, Novellist und Dramatiker. Arzt, betreibt Medizin fast ausschließlich ehrenamtlich. Schreibt und publiziert zwischen 1880 und 1903 insgesamt über 600 Werke. Vor allem als Dramatiker durch Theaterstücke (Drei Schwestern, Die Möwe oder Der Kirschgarten) bekannt. Einer der bedeutendsten Autoren der russischen Literatur der Jahrhundertwende.
September 1898 lernt er bei Proben einer Neuinszenierung der "Möwe" in Moskau Schauspielerin Olga Knipper kennen. Tschechow hat bisher nur kurzzeitige Beziehungen, Knipper seine große Liebe, Heirat 1901, kinderlos. Tschechow versucht weitgehend erfolglos, seine fortschreitende Tuberkuloseerkrankung mit Hilfe von Auslandsreisen abzumildern. Juni 1904 mit seiner Frau nach Deutschland. Kurzaufenthalt in Berlin, weiter in den Schwarzwald-Kurort Badenweiler. Briefe, in denen er das ordnungserfüllte und wohlhabende, jedoch oft langweilige und „untalentierte“ Leben der Deutschen schildert. Mehrere Herzschwächeanfälle, stirbt in der Nacht zum 15. Juli. Knipper in ihren Memoiren: Kurz nach Mitternacht wachte er auf und bat erstmals in seinem Leben selbst darum, einen Arzt zu holen. Es kam der Doktor, verfügte, ein Glas Champagner zu bringen. Anton Pawlowitsch setzte sich auf und sagte irgendwie bedeutungsvoll, laut zu dem Arzt auf deutsch (er konnte nur sehr wenig deutsch!): ‚Ich sterbe…‘ Dann nahm er das Glas,... trank es in aller Ruhe aus, legte sich still auf die linke Seite und war bald für immer verstummt. Leiche per Eisenbahn nach Moskau überführt, unter großer Anteilnahme auf dem Neujungfrauenkloster-Friedhof neben Vater beigesetzt.


Tuckbox [AUS 111]
Tuck Boxes (übersetzt: "Süßigkeiten-Kisten"), noch heute von englischen Internatsschülern als kleines Refugium ihrer Privatsphäre benutzt. Hier wird alles aufbewahrt, was man dem Blick oder dem Zugriff von Lehrern oder Mitschülern entziehen möchte. Kiste eignet sich zur Aufbewahrung alter Briefe, Schallplatten, Asterixhefte, Kontoauszüge, Schulhefte.... Eine Firma, die heute noch solche Kisten herstellt, in Hertfordshire: aus 6 mm starken Holzwerstoffplatten gefertigt, mit Hartlack beschichtet. Auf die Kanten verstärkende Leisten aus Kunststoff genagelt. Ecken mit Metallverstärkungen versehen. Zwei Spannschlösser und zusätzlich Vorhängeschloß.


Tuileriengarten [RS 17]
Jardin des Tuileries, ehemaliger Schlosspark in Paris im französischen Stil vom Place de la Concorde im Westen bis zum Louvre im Osten und im Süden bis zum rechten Seinufer, im Norden bis zur Rue de Rivoli.


Tulle [CS 241]

Stadt in Zentralfrankreich, Präfektur des Départements Corrèze mit ca. 15.000 Einw. Bekannt durch Tüllspitze, die hier zuerst produziert wurde, Akkordeonfabrikation, Waffenherstellung. Am Zusammenfluß von Corrèze und Solana in engem Tal, gekrönt von sieben Hügeln

Während des Zweiten Weltkrieges begeht die 2. SS-Panzerdivision "Das Reich" unter Heinz Lammerding im Juni 1944 an zivilen Opfern Geiselmorde in der Stadt sowie weitere im Umfeld.
Anlass für das Massaker der Deutschen ist ein Angriff der Resistance auf die besetzte Stadt Tulle am 8. Juni 1944. Den Widerstandskämpfern gelingt es, die 16.000 Einwohner zählende Stadt vorübergehend zu befreien und 60 Gefangene zu machen, 30 verwundete deutsche Soldaten werden im dortigen Krankenhaus behandelt.
Am darauffolgenden Tag trifft die SS-Division "Das Reich" in Tulle ein. „Spezialkräfte aus dem Osten“, die bereits Erfahrungen bei „Säuberungsaktionen“ gesammelt haben (so genannte Einsatzkommandos aus SS, Wehrmacht und Sicherheitsdienst töteten in Osteuropa über eine Millionen Menschen).
Die Resistance zieht sich nach dem Eintreffen der SS mit ihren Gefangenen zurück. Die SS treibt 4.000 Männer in Tulle zusammen, SS und SD sortieren willkürlich 120 Männer aus, die gehängt werden sollen, was noch am selben Tag gemaß Beschluss von Wehrmacht, SS und SD geschieht.
Schwerbewaffnete SS-Männer in Tarnanzügen riegeln den Markt und die angrenzenden Strassen ab. Hunderte Einwohner des Städtchens sind gezwungen, Zeuge des Schauspiels zu werden. Sie müssen zusehen, wie die Henker fachmännisch Stricke zu Schlingen knüpfen und sie an Laternenpfählen, Balkongittern, Bäumen und Telefonmasten befestigen. Unterhalb der Stricke stellen die SS-Männer Hocker und Stühle auf, die sie aus den umliegenden Häusern holen. Väter werden Zeuge, wie man ihre gefesselten Söhne zum Galgen treibt. Auf ein Zeichen des Kommandierenden führen die Soldaten jeweils zehn der Opfer aus der Munitionsfabrik zu und zwingen sie, auf die Stühle zu steigen, legen ihnen die Schlingen um den Hals und treten die Stühle beiseite. Während die Opfer in den Tod stürzen, sorgt eine SS-Meute vor der "Tivoli"-Bar für Jahrmarktstimmung. Aus einem Grammophon kreischen Schlagermelodien, die die Schrei der Opfer übertönen. Ab und an schallt auch das alberne, widerwärtige Lachen der deutschen Dolmetscherin von der Munitionsfabrik über den Platz. 99 Franzosen sterben an jenem Nachmittag an den Galgen der 2. SS-Panzerdivision "Das Reich". Der jüngste unter ihnen ist der siebzehnjährige Lehrling Viellefond, der älteste der 45jährige Fahrradhändler Maury. Die Mörder lassen sich nach getaner Arbeit mit den erhängten Opfern fotografieren.

Mehr als 100 Bürger der Stadt werden in das KZ Dachau verschleppt, von wo sie nie zurückkehren.
Die Leichen verscharrt man in einem Massengrab auf einer Müllhalde.
SS-Führer Heinz Bernhard Lammerding hat bereits im Vorfeld seines Frankreich-Einsatzes seine neue Strategie ausgegeben. Bis zum 15. Juni sollen 5.000 Menschen festgenommen werden. Ab sofort gilt: Für jeden verwundeten Deutschen werden drei, für jeden toten Deutschen zehn Franzosen umgebracht. Als Hinrichtungsmethode führt er Erhängen anstelle des Erschießens ein. Das Ziel: Willkürlichen Terror unter der Zivilbevölkerung verbreiten und so die Unterstützung für den Widerstand schwächen.
Einen Tag nach den Erhängungen von Tulle wird mit ebendiesem Ziel auch der Ort Oradour von der SS-Division "Das Reich" überfallen und dem Erdboden gleich gemacht, fast alle Einwohner ermordet: 642 Tote.
Lammerding
wird 1951 in Bordeaux in Abwesenheit zum Tode verurteilt, Deutschland liefert nicht aus, er stirbt unbehelligt 1971 im Alter von 66 Jahren in Bad Tölz.
Historiker machen dafür vor allem die deutsche Justiz verantwortlich, „ein Berufsstand, der sich nach dem Krieg selbst amnestiert hat“. Bei der Aufklärung deutscher Kriegsverbrechen habe sie sich „als biegsames Rohr im Wind erwiesen“.
Bemerkenswert:
Eine Zeitung schreibt 1965, dass Lammerding wegen zahlreicher Geiselmorde in Frankreich zum Tode (in Abwesenheit) verurteilt wurde. Lammerding reicht Beleidigungs- und Widerrufsklageklage ein. Er will durch Urteil bestätigt sehen, dass er nicht wegen Geiselmords, sondern "nur" wegen der Hinrichtung von Partisanen verurteilt worden ist.
Die 10. Zivilkammer des Düsseldorfer Landgerichts eröffnet das Verfahren. Der Vorsitzende erklärt:
"Es ist nicht daran zu rütteln, dass damals ein ruchloser, jedem Recht und Gesetz Hohn sprechender Massenmord vollführt wurde." Der Prozess wird vertagt. Das Urteil vom 18. Januar 1966 lautet: Die Zeitung muss ihre Feststellung nicht widerrufen, der Ausdruck "Geiselmord" sei nicht zu beanstanden.


Tulp, Dr. Nicolaes [RS 23f]
[CS 135]

* Amsterdam 1593 † ebda 1674 gebürtig Claes Pieterszoon). Niederländischer Chirurg, einer der bekanntesten Ärzte des 17. Jahrhunderts, Bürgermeister Amsterdam. Medizinstudium bis 1614 Universität Leiden, promoviert. 1617 Heirat. Genannt der Vesalius der Niederlande genannt, nicht nur weil er der berühmteste Anatom seiner Zeit ist, sondern auch weil sein Lehrer Pieter Pauw ein Schüler Vesals war. Und es mag kein Zufall sein, dass er sich wie Vesal bei der Präparation der Hand hat porträtieren lassen (die Darstellung Remnbrandts nimmt auf die Hand dort direkt Bezug)

Von den Anatomen wird die Hand als das Instrument der Instrumente bezeichnet. Diese Bilder sind Auftragsarbeiten, die das bürgerliche Selbstbewusstsein und die gehobene gesellschaftliche Stellung der Ärzte demonstrieren sollen. Sie haben nichts mit der gegenseitigen Beeinflussung und Förderung von Anatomie und Kunst zu tun. Diese anatomischen Vorführungen einer Zerlegung werden auch als die zweite Bestrafung für die Leiche des Mörders angesehen. 1628 Praelector Anatomiae (Dozent für Anatomie) im Kollegium der Amsterdamer Chirurgen mit Vorlesungen in der Waag von Amsterdam. Seine alljährlich in den Wintermonaten stattfindenden anatomischen Demonstrationen an Leichen öffentlich Hingerichteter im Theatrum anatomicum sind sehr beliebt und werden mit Einverständnis des Gerichts nicht nur vor Ärzten und Kommunalpolitikern, sondern auch vor den Augen eines zahlenden Publikums in hinterster Reihe durchgeführt. Zu dieser Zeit sind Obduktionen bzw. Dissektionen in Europa nur bei männlichen Kriminellen und abseits der Kirche erlaubt. Der Verwesungsgeruch der Leichen werd durch Kräuter und Weihrauch überdeckt, während der Vorlesungen wird Musik gespielt, gegessen und getrunken. Die Vorführungen dienen in erster Linie dem Austausch anatomischer Kenntnisse der anwesenden prominenten Mediziner, durch die Eintrittsgelder werden aber auch Gala-Essen der Amsterdamer Chirurgen und Richter finanziert. Nach einer dieser Vorlesungen vom 16. Januar 1632 entsteht auch das Bildnis Rembrandts "Die Anatomie des Dr. Tulp" .
Tulp ist auch für Kontrolle der ortsansässigen Apotheken zuständig, die dank der guten Seewegsverbindungen über ein reichhaltiges Spektrum an Kräutern und Gewürzen der östlichen Welt verfügen. Nach Ausbruch der Pest in der Stadt im Jahr 1635 beschließt Tulp, gemeinsam mit den Fachkundigen aus seinem Bekanntenkreis die Krankheit zu bekämpfen. Dabei verfassen sie 1636 die Pharmacopoea Amstelredamensis', das erstes Arzneibuch der Stadt, das eine einheitliche Zubereitung von Arzneimitteln vorschreibt und zum Standardwerk und Vorbild weiterer holländischer Arzneibücher wird. 1641 Observationeum medicarum libris tres (lat.: Medizinische Beobachtungen) Das Buch schildert detailliert 231 seiner beobachteten Fälle von Leiden und Tod, unter anderem auch von sezierten Tieren aus den holländischen Kolonien, wodurch es von vielen auch als "Buch der Ungeheuer" bezeichnet wird. Tulp beschreibt u. a. detailliert das heute als Migräne bekannte Phänomen und vermutlich den Cluster-Kopfschmerz, die negativen Auswirkungen des Rauchens auf die Lunge und im Ansatz die Erkenntnisse zur psychischen Wirkung des Plazeboeffekts. Ferner entdeckt Tulp 1639 als erster die menschlichen Lymphgefäße und unwissend von Caspar Bauhin die Ileozökalklappe. Seine Beschreibung von Symptomen der Beriberi-Krankheit bei einem Seemann wird nicht weiter verfolgt.
Als Kommunalpolitiker seit 1654 für vier Legislaturperioden Bürgermeister von Amsterdam.


T'ung-chi [RS 177ff]
siehe Tongzhi


Tura [NN 68]


Fluss in Sibirien, 1030 km lang, linker Nebenfluss des Tobol


Tura, Cosimo [CS 8]
Cosmè Tura * Ferrara um 1430 † ebda.1495 italienischer Maler der Renaissance. Hofmaler bei den Este in Ferrara, Begründer und Hauptvertreter der so gen. Ferrareser Schule. Ausbildung bei Francesco Squarcione, in Padua. 1460 bis 1495 Hofmaler in Ferrara unter den Herzögen Borso und Ercole I. d’Este. Produktion von Altarbildern für die Kirchen und Kapellen, mit mythologischen Bildern oder Fresken, Organisation und Ausstattung der höfischen Feste und Turniere. Liefert für Kunsthandwerk in Ferrara Vorlagen für Teppiche, Gobelins und andere Textilien, stattet Möbel und Räume mit Dekor aus. Werke: Fresken aus dem Zyklus der Monatsbilder im Palazzo Schifanoia in Ferrara. Seine großen Projekte zerstört oder aus ihrem ursprünglichem Kontext entfernt. Allegorischen Figuren (London, National Gallery; Gemäldegalerie Berlin)
Jungfrau Maria mit Kind und dem Heiligen Hieronymus ca. 1450 Musée Fesch, Ajaccio. Altarbild auf Leinwand


Turner, Joseph Mallord William [AUS 153, 158ff, 323]
[Auf ungeheuer dünnem Eis 223]

View from Greenwich Park


Funeral at Lausanne 1841


Burg Sooneck with Bacharach in the Distance 1817

* London 1775 † Chelsea/London 1851 britischer Maler, führender Vertreter der Romantik, gehört zu den größten englischen Künstlern. Trotz seiner schnellen Arbeitsweise schuf er unverwechselbare Werke. Hauptquelle seiner Inspiration waren Schiffe und Wasser, aber auch dramatische Naturszenen. Als er 76-jährig starb, hinterließ er dem englischen Staat mehr als 20.000 Werke. Er gilt als Vorläufer des Impressionismus, denn seine Werke regten verschiedene Künstler dieser Stilrichtung an.
1792 beginnt er seine Studienreisen durch England, Wales und Schottland, skizziert und aquarelliert die Landschaft und Küsten. Seit seinem 14. Lebensjahr wanderte Turner durch das Land mit seinem Skizzenbuch, oft 40 km am Tag.


Tz'u-hsi [RS 6, 177ff]
siehe Cixi