|
Abramsky, Dr. [AW 158ff]
(Vater stammt aus Galizien (Kolomea), will nach 1. WK in Wien
im Spirituosenhandel Fuß fassen, wandert 1921 in die USA aus, kommt bei einem Arbeitsunfall ums Leben)
* um 1918, wächst in Brooklyn auf, tritt 1949 als Assistenzarzt neben Fahnstock
im Sanatorium Samaria
seinen Dienst an (sieht in Fahnstock Vaterersatz). Später Nachfolger Fahnstocks und Leiter des Sanantoriums,
der Fall Adelwarth
bringt ihn zur Aufgabe seiner psychiatrischen Tätigkeit.
Im Mai 1969 gibt er Samaria dem Verfall preis, lebt im Bienen- oder Bootshaus des Sanatoariums,
kümmert sich nicht mehr um das, was vorgeht in der wirklichen Welt. In Ithaca erzählt man sich, er sei Imker geworden.
Adelwarth, Ambros [AW 95ff]
am 27. November 1913 in Jerusalem
* Gopprechts 1886
+ 1952 Ithaca/New York
Großonkel des Ich-Erzählers, der ihn nur einmal - 1951 - sieht.
13jährig nach Lindau (Küchenmann), 14jährig nach Montreux (apprenti garcon im Grand Hotel),
1905 London (Etagenkellner im Savoy-Hotel), 2 Jahre Begleiter eines japanischen Legationsrats
(Kopenhagen, Riga, St. Petersburg, Moskau, Sibirien, Japan, Kioto),
Kammerdiener und Reisbegleiter des labilen Cosmo
Solomon aus New York
(1911 Schweiz, Monaco; 1912/13 Deauville, Paris, Venedig, Kontantinopel),
1923 Reise mit Cosmo nach Ägypten (Heliopolis), später nach Kanada (Banff Springs Hotel),
später New York (Majordomus bei Solomons, jüdische Bankiers), 1951 beim Familientreffen der "Amerikaner"
in W.,
1952 Despression, auf nichts Geringeres zurückzuführen,
als auf die Sehnsucht ... nach einer möglichst gründlichen und unwiderruflichen
Auslöschung seines Denk- und Erinnerungsvermögens. Nervenkllinik. Diskreter Hinweis,
daß Cosmo und A. Liebespaar gewesen sein könnten. Gestorben in Psychiatrischer
Klinik an Elektroschocks, homosexuell ("von der anderen Partei").
Solomons vermachten ihm Haus in Mamaroneck.
Tatsächlicher Hintergrund:
Er ist nicht ein Bruder von Sebalds Großvater, sondern Sebald hat A.A. dem Bruder von Fannys Ehemann (Onkel Theo)
nachgebildet, der Stehmer hieß. Der Name 'Adelwarth' ist der Geburtsname Sebalds Urgroßmutter
(Mutter von Theresia Harzenetter, seiner Großmutter mütterlicherseits), die Genoveva mit Vormamen hieß.
Adlerwirt [SG. 270]
in W.
Ahoi, Susi [NN 82][SG. 116]
chinesische Optikerin in einem Geschäft in Manchester
(im Elementargedicht ohne Namensbezeichnung)
Susi Ahoi
Ambroser [SG 226]
siehe bei Seelos
Ambroser, Baptist [SG 226ff]
Baumester in Wertach, verheiratet mit Maria,
gestorben 1933 am Hirnschlag.
Vor dem 1. WK 18 Monate in Konstantinopel gearbeitet.
Fast sämtliche größere Bauten in W. und Umgebung
von ihm geplant und gebaut.
Witwe Maria und Nachkommen leben vom Ertrag seiner Felder und seiner
zwei Häuser.
Hat 3 ledige Schwestern: Babett, Bina, Mathild, und einen ledigen
Bruder Peter, siehe alle bei Seelos
Ambrosová, Tereza [AUS 211ff]
Archivangestellte Prag
Amerikaner [AW 97]
Die nach Amerika ausgewanderte Verwandtschaft des Icherzählers in "Ambros Adelwarth"
Es sind Onkel Kasmir
mit Lina und Flossie, Tante Fini mit Theo und den Zwillingskindern,
Tante There.
Viele der Tanten und Onkel wandern in den 20er Jahren nach Amerika aus,
bauen weitgespannten, sich gegenseitig unterstützenden Famienverband auf,
in dem deutsche Juden und Nichtjuden glücklich miteinander leben.
Tatsächlicher Hintergrund:
Sebalds Großvater mütterlicherseits Josef Egelhofer (1872 bis 1956) hat mit seiner Frau Theresia, geb. Harzenetter, vier Kinder,
alle geboren und aufgewachsen in Wertach:
1. Annie = Tante Theres
2. Fanny = Tante Fini
3. Josef = Onkel Kasimir
4. Rosa Genova, Rosi = Sebalds Mutter
In den 1920ern wandern die drei Geschwister Rosas nach Amerika aus
Anna [LL 109, 114f.]
siehe Judith
Anne [RS 224ff.]
seit 1951 Ehefrau von Michael Hamburger
(Anne Ellen File, die unter dem Künstlernamen Anne Beresford Lyrik veröffentlicht)
Anselmo [CS 221]
junger Pinist, den Bruce Chatwin in Gaimán/Patagonien trifft.
Sebald nennt ihn Enrique Fernandez (offensichtlich Klarname?)
Aquaviva, Séraphine [CS 51ff]
Mit Mme A., Bonifacio, steht der Icherzähler seit letztem
Sommer in Korrespondenz. Ihr hat er versehentlich das Bild
La cour de l'ancienne école zugesandt. Sie besucht in
den dreißiger Jahren die Schule in Porto Vecchio.
Ashburys [RS 248ff]
Bewohner eines Landsitzes in Irland nahe den Slieve Bloom Mountains,
die Mutter Mr Ashbury mit ihren drei beinahe gleichaltrigen Töchtern Catherine, Clarissa, Christina und dem jüngsten Kind, Sohn Emund.
Sammeln Blumensamen, nähen Stoffreste zusammen und trennen sie wieder auf, Edmund zimmert an einem Schiff
Vorbild wohl Familie Preston (Besitzer von Gormanston Castle), FitzGerald (Besitzer von Carton House) usw.
Mr Ashbury heiratet 1946, geht mit ihrem Mann nach Irland, um den ererbten Besitz zu übernehmen
Ashbury, Catherine [RS 252, 263f]
Tohter von Mr Ashbury .
Der Ich-Erzähler glaubt sie 1993 in Berlin wiederzusehen
Ashbury, Christina [RS 252]
Tochter von Mr Ashbury
Ashbury, Clarissa [RS 252]
Tochter von Mr Ashbury
Ashbury, Edmund [RS 251]
der Jüngste der Ashburys , zimmert seit seiner Schulentlassung
1974 an einem gut 10m langen dickbauchigen Schiff: It's not going to be launched.
It's just something I do. I have to have something to do.
Aurach, Fritz [AW 277]
Vater Aurachs/Ferbers
Aurach, Max [AW 219ff]
von Sebald später in Max Ferber umbenannt, siehe Max Ferber
Austerlitz [AUS 239 ff]
Großvater Austerlitz' mütterlichseit Gründet Fez- und Pantoffelmanufaktur
in Sternberg (später "arisiert"), Mussolini-Leute tragen die halb morgenländischen Kopfbedeckungen.
Austerlitz, Edvard [AUS 215]
im Staatsarchiv Prag registriert 1934 bis 1939
Austerlitz, František [AUS 215]
im Staatsarchiv Prag registriert 1934 bis 1939
Austerlitz, Jacques [AUS 10ff]
Februar 1939
|
ca. 1948
|
ca. 1966
|
* Prag 1934, aufgewachsen als Dafydd Elias in Bala/Wales im Haus der Zieheltern Emyr Elias (Prediger) und Gwendolyn NN, Herbst 1946 Privatschule namens Stower Grange bei
Oswestry. Erfährt 1947 seinen wahren Namen. Studiert am Oriel College/Oxford, beinahe 30 Jahre Dozent am kunsthistorischen Institut in Bloomsbury/London. 1991 Ruhestand. Geht nach Frankreich. Kehrt zurück und kauft Haus in der Alderney Street/London.
In Art und Aussehen Doppelgänger Ludwig Wittgensteins.
Der Icherzähler begegnet ihm erstmals Juni 1967 im Antwerpener Zentralbahnhof und danach wiederholt bis 1996 an verschiedenen Orten;
siehe auch Astair.
Sebald: Es stecken zweieinhalb Lebensgeschichten in ihm, Biografien, denen ich nachgegangen bin.
Im einen Fall handelt es sich um einen Kollegen von mir, einen Gelehrten, der wie mein Held Baugeschichtler
war und in London unterrichtet hat. Das ist ein etwas exzentrischer Mensch gewesen, der früh in den Ruhestand geschickt wurde,
wie das in den letzten Jahren an den englischen Universitäten üblich war, und in eine tiefe Lebenskrise geriet.
Er begann im Alter von ungefähr 60 Jahren damit, seine eigene Herkunft zu erforschen, so gut er konnte.
Durch diese Forschungsarbeit, die etwas völlig anderes war als alles, was er bisher getan hatte,
kam er in eine völlig neue innere Verfassung. Er begriff Dinge, die er sein ganzes Leben lang nicht hatte begreifen wollen.
... das andere Vorbild. Vor einigen Jahren lief im englischen Fernsehen eine Sendung über den Lebensweg einer Frau,
die im Alter von zweieinhalb Jahren mit ihrer Zwillingsschwester aus einem Münchner jüdischen Waisenhaus
oder Kinderheim nach England gekommen war. Und die dann, genau so wie im Buch beschrieben,
bei einem walisischen, fundamentalistischen Pfarrer aufgewachsen ist.
Sie hat schließlich einen Engländer geheiratet, war in der anglikanischen Kirche und hat ihr Leben l
ang tatsächlich nichts über ihre Herkunft gewusst. Sie wusste nur, dass sie einen anderen Namen hatte.
Das war ihr - wie Austerlitz - in der Schule gesagt worden. Aber sie hat nie weiter danach gefragt.
Sie wollte das nicht wissen.
Bild des Knaben auf dem Buchumschlag ... ist das authentische Kinderbild des Londoner Baugeschichtler
Namen Austerlitz ... war ... wesentlicher Impuls, das Buch zu schreiben ... wegen Fred Astaire. Ich habe einmal im
Radio gehört, dass Astaire mit bürgerlichem Namen Austerlitz hieß, was mir zunächst unwahrscheinlich
vorkam. Man kennt ja diese Fred-Astaire-Filme, wo man ihn herumsteppen sieht - der letzte Gedanke,
der mir dabei gekommen wäre, ist der, dass er einer jüdischen Familie entstammte: Austerlitz ist ja ein jüdischer Name.
Man findet ihn (den Namen) im Londoner oder New Yorker Telefonbuch höchstens ein- oder zweimal. In Prag freilich häufiger.
In der Zeit, von der in meinem Buch die Rede ist, in den dreißiger Jahren, gab es dort ungefähr ein
Dutzend Familien Austerlitz. Unter anderem jenen Herrn, den Kafka in seinen Tagebüchern
namentlich erwähnt und der gekommen war, um Kafkas Neffen zu beschneiden. Fasziniert hat mich natürlich auch,
dass der Name so viel Resonanz hat, zivilisationsgeschichtlich gesehen: durch die Art, in der sich der Name
einer Schlacht auf die Pariser Stadtlandschaft gelegt hat. Es gibt ja nicht nur den Bahnhof gleichen Namens,
sondern im Viertel um die neue Bibliothek herum auch jede Menge Austerlitz-Brücken, -Straßen, -Gassen und -Café
... reale jüdische Biografien benutzen, um sein ästhetisches Spiel zu treiben?
Diese Frage war mir von Anfang an bewusst. Meine Überlegung dazu war, dass das, was
von deutschen Autoren nichtjüdischer Herkunft über dieses Thema der Verfolgung und der versuchten Ausrottung des jüdischen Volks geschrieben worden ist,
im Allgemeinen unzulänglich ist und über weite Strecken aus Peinlichkeiten besteht, auch aus Usurpationen.
Das Paradebeispiel ist für mich Alfred Anderschs Roman "Efraim". Da versuchte ein Autor, eine Art von - sei es ästhetischem, sei es realem - Kapital aus diesem Thema zu schlagen.
Man geht selbst dann noch auf Eis, wenn man mit den Überlebenden ausführlich spricht, sich erzählen lässt. Man muss sich der Tatsache bewusst sein, dass es bei solchen Begegnungen bestimmte Grenzen gibt, dass die Redezeit begrenzt ist, dass man wiederkommen muss, dass man das Vertrauen dieser Personen gewinnen mus Und das Vertrauen muss so weit gehen, dass der Text letztlich vor diesen Personen bestehen kann.
Susi Bechhöfer
Austerlitz, Jeroným [AUS 215]
im Staatsarchiv Prag registriert 1934 bis 1939
Austerlitz, Leopold [AUS 215]
im Staatsarchiv Prag registriert 1934 bis 1939
Austerlitz, Tomáš [AUS 215]
im Staatsarchiv Prag registriert 1934 bis 1939
Austerlitz, Viktor [AUS 215]
im Staatsarchiv Prag registriert 1934 bis 1939
Austerlitzová, Agáta [AUS 216ff]
Mutter Austerlitz'.
Zieht im Mai 1933 in Haus Nr. 12 Prag Sporkova ein. Lebt mit M. Aychenwald
zusammen.
Bewundert Jacques Offenbach über alles - daher Austerlitz' Vorname.
Mitte Dezember 1942 nach Terezín deportiert
Abgebildet ist die Tschechin Pavlína Kittlová, Künstlername Ema Destinová (1878 - 1930),
Opernsängerin, die Psedonym von ihrer Lehrerin übernahm, eine der besten dramatischen Sopranstimmen ihrer Zeit
Aychenwald, Maximilian [AUS 221]
Vater Austerlitz', aus Petersburg stammend, wo sein Vater bis 1918 einen
Gewürzhandel betrieb. Einer der aktivsten Funktionäre in der tschechoslowakischen sozialdemokratischen
Partei. Lernt die um 15 Jahre jüngere Agáta
in Nikolsburg kennen
Bader Köpf [SG 276f]
siehe Köpf
Balbina [AW 147]
Schwester des Onkel Adelwarth
Baldanders [RS 34]
literarische Fabelgestalt.
Auch Jorge Luis Borges führt in dem von ihm 1974 herausgegeben Bestiarium El libro de los seres imaginarios einen Baldanders auf.
Barbier von Segringen [LL 12]
Eigentlich "Der Barbierjunge von Segringen", Held der gleichnamigen
Kalendergeschichte Hebels im
Schatzkästlein des rheinsichen Hausfreunds (1809)
Barnabas [UH 14]
Familie in Kafkas Schloßroman
Barnett, Dick [LK 136]
Dick Barnett, Ingenieur in Anderschs Kirschen der Freiheit ohne direkten Bezug zur Handlung. Konstruiert bei Lockheed Aircraft Corp. in Kalifornien den Düsenjäger "F 94"
Bein, Salomon [AW 317]
Jüdischer Lehrer in Steinach
Vorbild: Moritz Bein, jüdischer Lehrer in Steinach, Sohn: Alex Bein/Aleksander Bayn, israelischer Archivar und Historiker (Alex Bein "Hier kannst dunicht jeden grüßen" Hildesheim Zürich New York 1996)Vater: Salomon Bein
Benedetti [CS 52]
Lehrer von Aquaviva in Porto Vecchio, ehemaliger Husar
Benedikt [AUS 37]
Metzger in W., der mit einem dicken Gummischlauch am Mittag die
Kacheln seines Schlachtraums abspritzt, an dem der Icherzähler auf seinem Schulweg vorbeimusste.
Reales Vorbild: Benedikt Kraus (vgl. "Zeugnisse aus W." )
Bereyter, Amschel [AW 75]
Großvater Paul Bereyters
Jude, Krämer in Gunzenhausen
Ehelicht über 50jährig seine christliche Dienstmagd Rosina, ca. 25 Jahre.
Einziger Sohn: Theo Bereyter
Bereyter, Paul [AW 41ff]
[CS 226]
Lehrer des Icherzählers, "Dreiviertelarier"
|
* Sonthofen 23. Dezember 1909 + ebda. 30. Dezember 1983
Vater Theo,
Mutter Thekla. Aufgewachsen in W,
in der Nachbarschaft der Gärtnerei Lerchenmüller, Lehrerseminar Lauingen, 1934/35 Probejahr in W,
lernt Helen Hollaender kennen.
In den darauf folgenden Monaten Tod des Vaters und der Mutter, die Liebste wird deportiert. Erste Stelle
in W..
Kurz darauf - kaum dass er die Namen der Kinder sich eingeprägt hat - wegen seiner jüdischen Vorfahren 1935
aus Dienst entfernt (Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 7. April 1933: § 3 (1) Beamte,
die nicht arischer Abstammung sind, sind in den Ruhestand ... zu versetzen), B. flüchtet nach Frankreich,
Herbst 1935 bis Anfang 1939 in Besancon, dann Dole (bei einer Familie Passagrin) als Hauslehrer tätig, 1939 Rückkher
nach Deutschland, Bürokraft Autowerkstatt in Oranienburg, nach wenigen Monaten Gestellungsbefehl, 6 Jahre Soldat in Polen,
Belgien, Frankreich, auf dem Balkan, Rußland, am Mittelmeer bei der Artillerie. Nach dem Krieg wieder in W,
wohnt im 1. Stock der Gärtnerei Lerchenmüller, später in Mietshaus auf Grundstück der ehemaligen Gärtnerei Lerchenmüller,
unterrichtet ab 1946 an der örtlichen Schule, vorzeitig Ruhestand (Angstattacken, Suizidversuch), entwickelt
Obsession für das Eisenbahnwesen, häufig Besuche in Frankreich. 1975 am grauen Star in Bern operiert. Die letzten
12 Jahre überwiegend in Yverdon bei Mme Landau. Selbstmord,
indem er Kopf auf Eisenbahnschienen bei W.legt.
Vorbild: Sebalds geliebter Volksschullehrer Armin Müller
|
Siehe
Bereyter, Thekla [AW 75ff]
+ 1936 Ehefrau Theo Bereyters
und Mutter Paul Bereyters ,
gestorben ein paar Wochen nach ihrem Ehemann an Depression, nachdem Familienbesitz "arisiert"
Bereyter, Theo [AW 75ff]
"Halbjude"
* Gunzenhausen
+ Sonthofen 1936
Vater Paul Bereyters,
Ehefrau Thekla.
Vater Amschel Bereyter
jüdischer Krämer in Gunzenhausen, Handelslehre Augsburg,
Anstellung Nürnberg, 1900 Eröffnung eines Emporiums in ,
fährt Mitte der 20er Jahre einen Dürkopp , mit dem er Aufsehen in Tirol,
Ulm und am Bodensee erregt. Stirbt am Palmsonntag, genau 2 Jahre nach den
schweren Ausschreitungen gegen Juden in Gunzenhausen an Wut und Angst.
Berganza[LW 77]
poetischer sprechender Hund. Erstmals 1613 bei Cervantes (Zwiegespräch der Hunde in ?Exemplarische Novellen")
E.T.A.Hoffmann, romatischer Dichter, Komponist weilt 1808-13 in Bamberg Er läßt in mondheller Nacht den verzweifelten Hund von einem Spaziergänger auffinden, einem, der gerade in der Hoffnung sich gewogen hatte, etwas Besonderes könne ihm begegnen. Bei Hoffmann berichtet Berganza dem ahnungsvollen Ich-Erzähler von seinen aufregenden Erlebnissen und Beobachtungen, er debattiert mit ihm über Gesellschaft und Liebe, Literatur und Geschichte, schimpft gegen die falschen Propheten. Am Morgen jedoch springt der Hund davon, sein Weg geht weiter, den Menschen überfällt ein Grauen ("Nachricht von den neuesten Schicksalen des Hundes Berganza")
Berger, Guiseppe[SG 124]
Großonkel mütterlicherseits des Icherzählers; war in den neunziger Jahren des (vor)letzten Jahrhunderts eine Zeilang Buchhalter in Oberitalien
und besaß das Buch "Beredter Italiener".
Exlibris:
Binswanger, Fritz[AW 46]
Mitschüler des Icherzählers seit 1952 in
"unverbesserlich schweinische Handschrift" - wie der Icherzähler. Aus einer vielköpfigen Kleinhäuslerfamilie,
die im Schwarzenbach wohnt, stammend, "keinen richtigen Vater", höchstes Interesse an Viktualien. Wird Koch von
Weltrenommée, vervollkommnet seine Kochkunst im Grandhotel Dolder in Zürich und im Victoria Jungfrau in Interlaken, gefragt in New York, Madrid, London. Icherzähler und er begegnen sich 1984 in London im Lesesaal des British Museum, wo B. Kochbücher aus dem 18. Jhdt.
studiert.
Bleston [LW 22ff]
fiktive englische Stadt, in der Jacques Revel, ein Franzose in Michel Butors Roman L´Emploi du temps
zeitlich genau situierte Aufzeichnungen macht, um sich über seinen Hass auf die ihn aufsaugende fremde Stadt, sich selbst und ihre makabren Geheimnisse Klarheit zu verschaffen. Revel ist Praktikant für ein Jahr bei einer Exportfirma, Akt des Schreibens zentrale Rolle des Romans (Sebalds Bleston=Manchester (Mancunian Cantical)
Le meurtre de Bleston ist aber auch die Kriminalgeschichte von George Hamilton, die Jacques Revel
als Wegweiser durch die fremde Stadt dient (Die Erlebnisses des Ich-Erzählers von den Schwindelgefühlen in Norditalien lassen grüßen!)
Bleyberg, Saly [AUS 245]
Wiener, Vertriebener aus der "Ostmark"
Wird gezwungen, sein Geschäft an einen gewissen Haselberger zu überschreiben
Bovary, Emma [NN 81] [RS 17]
Hauptperson in Madame Bovary, Roman von Flaubert 1856. Eines der großen Werke der Weltliteratur.
Emma lebt nach Tod der Mutter allein mit ihrem Vater auf dessen Hof. Heiratet den Landarzt Charles Bovary, der die schöne, gebildete Frau verehrt. Verspricht sich von der Heirat gesellschaftlich aufregenderes Leben, ist dann aber rasch von dem Dorfalltag und ihrem eher einfach strukturierten Mann gelangweilt. Drängt ihn, einträgliche Praxis aufzugeben, um in größere Ortschaft umzuziehen. In Yonville freunden sich beide mit Apotheker Homais und dessen Familie an. In Homais? Haus lebt Kanzlist Léon, mit dem Emma eine Art Seelenverwandtschaft, begründet in ihrer beider Interesse für Literatur und Musik, verbindet.
Auch Geburt der Tochter Berthe ändert nichts daran, dass Emma zunehmend unzufrieden, unter Depression und Stimmungsschwankungen leidet. Als Léon nach Paris umzieht, trauert sie hinterher wie einer verlorenen Liebe, steigert sich, um den Verlust zu kompensieren, in Luxussucht, verschuldet sich beim Händler Lheureux.
Lernt den Grundbesitzer Rodolphe kennen, der Diener von Charles behandeln lässt. Bei Ausritt lässt sie sich verführen. Steigert sich in kopflose Liebe zu Rodolphe, der lediglich nette Abwechslung sieht. Teure Geschenke für ihn, und luxuriöse Kleidung und Einrichtungsgegenstände lassen Emma samt Familie immer mehr verschulden, auch diesbezüglich hintergeht sie Charle Plant Flucht mit Rodolphe, dieser verlässt sie kurz vorher, Emma erkrankt. Sie erholt sich, Charles fährt mit ihr zur Abwechslung ins Theater nach Rouen, wo sie Léon treffen. Emma beginnt Affäre, lügt Charles vor, Klavierstunden zu nehmen, um Geliebten zu treffen.
Händler Lheureux hat die zahlreichen Wechsel weitergegeben, Pfändung droht, Emma belügt Charles noch immer, bittet Léon um, der ihr nicht helfen kann. Sie beitet sich Rodolphe an, auch er kann und will ihr nicht helfen. Sie schluckt Arsen, stirbt nach grauenvollemTodeskampf.
Charles kommt nicht darüber hinweg, die Forderungen und Pfändungen lassen bald ihn und Tochter Berthe in Schmutz und Armut leben. Als er die Briefe Léons und Rodolphes findet, ist er endgültig ein gebrochener Mann und stirbt kurze Zeit später. Die Tochter zur Großmutter, die bald stirbt, landet bei verarmter Tante, wird in Baumwollspinnerei geschickt.
Anklänge in NN: Prosa aus dem letzten Jahrhundert, der hilflose Pfarrer, Emmas Brautkleid verfängt sich in den Disteln, Emma verbrennt Hochzeitsstrauß, Leo zerreißt seinen Brief, Emma hält sich länger am Fenster auf, Kind Bertha stürzt und blutet, armer Landarzt träumt von posthumer Verführung
Brandeis [AW 62]
hochtalentierter (studiert Geige auf dem Konservatorium) Sohn des Organisten in
Buchner, Peter [CS 229]
Schüler von Chorregent Zobel
bucklige Männlein [LW 76f]
Das bucklige Männlein aus "Des Knaben Wunderhorn" von Achim von Arnim und
Clemens Brentano
Will ich in mein Gärtlein gehn,
Will mein Zwieblein gießen,
Steht ein bucklig Männlein da,
Fängt gleich an zu niesen.
Will ich in mein Küchel gehen,
Will mein Süpplein kochen,
Steht ein bucklig Männlein da,
Hat mein Töpflein brochen.
Will ich auf mein Boden gehn,
Will mein Hölzlein holen,
Steht ein bucklig Männlein da,
Hat mir's halber g'stohlen.
Will ich auf mein Keller gehn,
Will mein Weinlein zapfen,
Steht ein bucklig Männlein da,
Tut mir'n Krug wegschnappen.
Setz ich mich ans Rädlein hin,
Will mein Fädlein drehen,
Steht ein bucklig Männlein da,
Läßt das Rad nicht gehen.
Will ich an mein Bänklein knie'n,
Will ein bischen beten,
Steht ein bucklig Männlein da,
Fängt gleich an zu reden:
"Liebes Kindlein, ach, ich bitt',
Bet' für's bucklig Männlein mit".
Bünzlin, Züs [Logis in einem Landhaus 113]
Figur aus Kellers
Novelle "Die drei gerechten Kammmacher" (in Die Leute von Seldwyla 1856)
Catharina von Siena [RS 264]
Figur im gleichnamigen Stück von J.M.R. Lenz
Clara [AW 7, R 310, 349f]
Frau/Begleiterin des Ich-Erzählers, der - nachdem er zuhause angerufen, auf sie wartet in der Bar Mermaid in Hedenham
und deren Vater am 13. April 1995 im Coburger Hospital verstirbt
Colo [AW 55]
Schuhmacher in , Philosoph und Atheist.
Spielt mit Bereyter am Sonntag Schach
Colonel Chabert [AUS 260, 365ff]
Novelle von Balzac zur Frage: Was macht ein ehrenwerter Mann in Zeiten, in denen die Ehrlosigkeit vorherrscht? Wie soll ein mutiger und selbstaufopfernder Mensch leben, wenn solche Eigenschaften verschmäht werden, ja wenn man nur dank Korruption, Rücksichtslosigkeit und Geld zu Macht und sozial geachteter Stellung gelangen kann?
1817, ein unbekannter Mann im Anwaltsbüro des Herrn Derville sucht um einen Termin nach - offensichtlich schon zum fünften Mal. Mit seinem altmodischen Mantel und seiner schmutzigen Krawatte, bleich und hungrig, gleicht er mehr einem Toten als einem lebenden Mann. Wenn er seinen Hut lüftet, fällt die fettige Perücke ab und entblößt einen kahlen Schädel, gespalten durch eine fürchterliche Narbe vom Hinterkopf quer über den Schädel bis zum rechten Auge.
Er wird gehänselt und wie ein unliebsamer Bettler behandelt. Er solle doch um 1 Uhr morgens wiederkommen, sagt ihm der Sekretär, und als er den Raum verläßt, fragt er ihn noch nach seinem Namen.
"Chabert", antwortet der Mann.
"Der bei Eylau gefallene Oberst?" fragt einer der Schreiber spöttisch, der sich an den berühmten Namen erinnert.
"Derselbe, mein Herr", antwortet Chabert und geht.
Zum Erstaunen des ersten Schreibers taucht in den frühen Morgenstunden, als er die Rechtsfälle für den nächsten Tag bereitlegt, dieselbe makabre Figur tatsächlich wieder im Anwaltsbüro auf. Der junge und brillante Rechtsanwalt Derville kehrt von einem gesellschaftlichen Abend in sein Büro zurück. Er trägt noch seinen Abendanzug. Wie der Autor Balzac will Derville die Nacht nutzen, um besonders konzentriert zu arbeiten. Hier im Halbdunkel wartet ein Mann, so still wie der Tod, seine Gestalt im Halbdunkel verborgen, sein Kopf scheinbar verrückt - "wie ein Rembrandtbild ohne Rahmen". Derville ist bereit, die Geschichte des Mannes anzuhören, der sich als Oberst Chabert beschreibt, den vor etwa zehn Jahren "bei Eylau gefallenen".
Der berühmte Oberst Chabert war einst Napoleons beliebtester Kommandeur, der Retter der Schlacht von Eylau in Ostpreußen im Jahre 1807. Chaberts Regiment führte eine Kavallerieattacke gegen den russischen Vormarsch und konnte das Blatt für Napoleon wenden. Chabert selbst wurde mit einem Säbel auf den Kopf getroffen und unter seinem Pferd begraben, während 1.500 französische Kavalleristen unter dem Kommando von Murat über seinen Körper hinwegdonnerten. Man begrub ihn zusammen mit Tausenden weiterer Gefallener dieser blutigen Schlacht in einem Massengrab. Die bekannte Geschichte dieses Helden ist in den Chroniken der französischen Bürgerkriege und Revolutionen von 1792 bis 1815, den berühmten Victoires et Conquetes, festgehalten worden.
In Wirklichkeit, so der Überlebende, war Chabert aber nicht gestorben. Begraben tief unten in dem Massengrab, erlangte er sein Bewußtsein wieder und fand sich umgeben von Finsternis und Stille, die hin und wieder vom Stöhnen noch lebender Toter unterbrochen wurde. Er griff nach einem Armknochen und arbeitete sich langsam und qualvoll durch die verwesenden Körper nach oben, bis er schließlich nackt auf ein verschneites und verlassenes Schlachtfeld gelangte. Nach seiner Rettung durch eine arme Bauernfamilie, schwebte er monatelang zwischen Tod und Leben, Bewußtsein und Bewußtlosigkeit.
Als er wieder im Vollbesitz seiner Sinne war, beschloß er, im fernen Frankreich seine Todesanzeige rückgängig zu machen und seinen Namen und Eigentum zurückzufordern. Aber die offizielle Gesellschaft hatte keinen Bedarf für einen toten Soldaten. Nur die armen und früheren Kameraden halfen ihm, als er ohne einen Sou und namenlos herumirrte.
Wie Odysseus wanderte er zehn Jahre lang umher. Aber anders als Odysseus' Frau Penelope war Chaberts Frau ihm nicht treu geblieben.
Sie ließ seine Briefe zurückgehen, bezeichnete sie als gefälscht und ihn als Betrüger. Graf Chabert hatte die ehemalige Straßendirne in den Status einer Gräfin gehoben, und als er tot gemeldet wurde, nutzte sie sein Vermögen und seine Ländereien, um in die Aristokratie einzuheiraten. Sie wurde dazu von Napoleon ermutigt, der an einer Versöhnung zwischen den neuen Elementen, die die Revolution nach oben gebracht hatte, und der alten Aristokratie interessiert war.
Nach einem zweijährigen Aufenthalt in einer Anstalt für Geisteskranke in Stuttgart traf Chabert seinen ehemaligen Sergeanten Boutin, der inzwischen selbst zu den Ausgestoßenen gehörte. Boutin war gerade aus China zurückgekehrt, wohin er sich geflüchtet hatte, nachdem er im Gefolge von Napoleons fürchterlicher Rußlandinvasion in einem sibirischen Gefängnis gelandet war. Boutin ging nach Paris, um mit der Gräfin Chabert Kontakt aufzunehmen, fiel aber in der letzten Schlacht Napoleons 1815 bei Waterloo.
Diese Soldaten der unteren Klassen waren die menschliche Kraft, auf deren Opfer sich die Revolution in Frankreich und in ganz Europa gestützt hatte. Nachdem sie das feudale System zerstört und der neuen Ordnung den Weg geebnet hatten, wurden sie nun abgeschoben auf die Friedhöfe Europas und in die Slums von Paris, verstümmelt und verschmäht, die Vorboten des künftigen Jean Val Jean von Victor Hugos Die Elenden.
"Da waren wir nun, zwei merkwürdige Überbleibsel, ... die der Sturm von einem Ufer zum andern trägt. Wir beide zusammen hatten Ägypten, Syrien, Spanien, Rußland, Holland, Deutschland, Italien, Dalmatien, England, China, die Tartarei und Sibirien gesehen; es fehlten uns nur noch Indien und Amerika", sagte Chabert zu Derville. "Aber was hilft es! Unsere Sonne ist untergegangen, und wir müssen jetzt alle frieren."
Derville ist der erste der nach-napoleonischen Gesellschaft, der es wagt, den Oberst offiziell anzuerkennen. Chabert ist von seiner Sympathie überwältigt. Es ist, als ob er zum zweiten Mal aus dem Grab entsteigt!
"Ich war unter Toten begraben, jetzt aber bin ich unter Lebenden begraben, unter Urkunden, unter Tatsachen, unter der ganzen Gesellschaft, die mich wieder in die Erde zurückstoßen will."
In einer der bewegendsten Szenen des Buchs wagt sich der Anwalt Derville in die Slums von Saint Marceau, das ärmste Viertel am Rande von Pari Er fährt mit seiner Kutsche durch die schmutzigen, holprigen Straßen und kommt an einem baufälligen Gebäude an, vollständig zusammengezimmert aus Baumaterial, das man anderswo in der Stadt abgetragen hat. Hier haust Chabert zusammen mit Kühen, Ziegen, Kaninchen und einer verarmten Familie eines früheren Regimentssoldaten mit dem Namen Vergniaud, der nun Milchmann ist. Der Oberst lebt in einem einzelnen Zimmer mit schmutzigem Boden und Strohbett. Eine Pfeife und eine Kopie der Soldatenzeitung "Les Bulletins de la Grande Armée", dies sind seine einzigen Einrichtungsgegenstände.
Derville ist schockiert. Wie kann Chabert - der Mann, der den Sieg der Schlacht von Eylau entschieden hat - so leben? Vergniaud ist ein "alter Ägypter", erklärt Chabert, ein Veteran der ägyptischen Feldzüge Napoleon "Nicht nur daß alle, die von dort zurückgekommen sind, so etwas wie Brüder sind: Vergniaud gehörte damals zu meinem Regiment, wir haben in der Wüste das Wasser miteinander geteilt."
"Ich habe niemandem Unrecht getan, habe niemals jemanden von mir gewiesen und schlafe ruhig", so Chabert.
Als Derville gehen will, bittet ihn Vergniaud um eine kleine Anleihe, um Chabert Kleidung und Möbel kaufen zu können. "Eher würde ich mich selbst verkaufen als ihn ohne Zigarren sehen zu wollen", ruft Vergniaud au Wenig später erfahren wir, dass Vergniaud bankrott gegangen ist, sein Haus verloren hat und sich selbst als armer Droschkenkutscher verdingen mus
Derville verabschiedet sich und fährt zum feinen aristokratischen Bezirk Faubourg Saint-Germain, wo sich der Graf und die Gräfin Ferraud mit Chaberts Vermögen ein luxuriöses Haus gebaut haben.
Die dort wohnende gesellschaftliche Schicht ist das genaue Gegenteil der Bewohner des soeben verlassenen Quartier Balzacs sorgfältige Beschreibung würde auch auf heutige Luxusviertel zutreffen. Wen hat nicht schon einmal der krasse Gegensatz zwischen den innerstädtischen Slums und den reichen Vororten in den Großstädten schockiert?
Nach dem Tod ihres Ehemanns war die Gräfin reich geworden. Nachdem Napoleon ihr eine stattliche Pension zukommen ließ, brachte sie es in kurzer Zeit auf ein Einkommen von 40.000 Pfund im Jahr. Nach Napoleons Niederlage 1815 wurde ihr neuer Ehegatte von der Aristokratie umworben und sie in der oberen Gesellschaft glanzvoll aufgenommen. "Neben ihren Gefühlen fand ihre ganze Eitelkeit in dieser Heirat Erfüllung. Sie würde eine Frau ?comme il faut? werden!"
Unter den neuen Gesetzen erhielt ihr zweiter Mann seine ertragreichen Ländereien zurück, die in der Revolution konfisziert worden waren. Sein ganzer Ehrgeiz richtete sich nun darauf, die höchste Position des Landadels, die eines Pairs von Frankreich, zu erlangen.
Um die Karriereleiter hochsteigen zu können, engagiert Graf Ferraud einen korrupten Sekretär namens Delbecq, einen früheren Anwalt, versiert in kriminellen Aktivitäten. Die Gräfin lässt den Sekretär ihres Mannes nicht aus dem Auge. Skrupellos hat dieser Schurke die Schwankungen an der Börse und die steigenden Vermögenswerte in Paris während der Restauration ausgenutzt und war damit in der Lage, das Vermögen der Gräfin innerhalb von drei Jahren zu verdreifachen. Als Gegenleistung erhält Delbecq eine offizielle Position in einer Provinzstadt, die ihm ermöglicht, eine reiche Erbin zu heiraten und auf diese Weise sein eigenes Vermögen und seine politische Karriere zu sichern.
Doch nun, inmitten ihres Triumphes, hat die Gräfin ein moralisches Leiden überfallen. All ihr Reichtum kann die Tatsache nicht verdecken, dass sie keinen sozialen Status hat. Ihre niedere Herkunft steht dem Pairsrang für ihren Gatten im Wege. In einer verhüllten Drohung spricht Graf Ferraud über die Scheidung zwischen Talleyrand und seiner Geliebten, die der berühmte Minister 1802 auf Geheiß von Napoleon geheiratet hatte. Welche Frau könnte solch einen Ausdruck des Bedauerns verzeihen, der den Keim ihrer eigenen Zurückweisung in sich trägt?
Und wenn nun bekannt würde, dass der erste Mann der Gräfin noch am Leben ist? Sie muss ihn um jeden Preis besiegen! Es gibt viele Frauen der höheren Gesellschaft in Paris, wie Balzac erklärt, die in ähnlicher Weise ihre dunklen und monströsen Geheimnisse tief in ihren Herzen begraben und ihr scheinbar amüsantes Leben fortsetzen.
Balzac verleiht Derville die Rolle eines Kommentators und Schlichters der neuen Gesellschaft. Obwohl Derville Teil dieser neuen Gesellschaft ist, steht er ihr kritisch gegenüber und ist in der Lage, die Ehrenhaftigkeit des alten Soldaten zu bewundern. Obwohl er der Anwalt der Gräfin ist, versucht er, einen vorteilhaften Vergleich für Chabert auszuhandeln und schießt ihm sogar Geld vor.
Seine intime Kenntnis der sozialen Positionen des Grafen und der Gräfin Ferraud erlaubt ihm, ihre Schwächen als Verhandlungsmasse einzusetzen. "Sind nicht Anwälte in mancher Hinsicht Politikern vergleichbar, nur daß sie private Angelegenheiten zu regeln haben?" fragt Balzac in seinen Betrachtungen über Derville.
Balzac hatte eine Ausbildung als Anwaltsgehilfe und bereitete sich auf eine Karriere in der Justiz vor. In seinen Geschichten wimmelt es von guten und schlechten Anwälten. Abgesehen von den Juristen als Romangestalten bildet die Justiz auch den Rahmen, innerhalb dessen die neue Gesellschaft verstanden werden kann. Menschliche Beziehungen werden durch Gesetze, Verträge und unmenschliche Bindungen ersetzt, und Gerechtigkeit für die Armen besteht in Kriminalisierung und ständiger Gefangenschaft.
Im Verlauf der Geschichte wird der Wunsch nach Rehabilitierung seitens des Obersten durch grausame Intrigen der Gräfin zerstört. Sie fühlt, dass der Oberst sie immer noch liebt, und lotst ihn in ihren Landsitz, umsorgt ihn dort liebevoll, erweicht sein Herz mit der Anwesenheit ihrer kleinen Kinder und versucht, mit Hilfe ihres Sekretärs Delbecq einen Unterschrift unter Papiere zu erschleichen, in den der Oberst auf seinen Namen Chabert verzichtet.
Am Ende revoltiert Chabert und rennt mit Verachtung fort, ohne die falschen Papiere unterzeichnet zu haben, aber auch ohne einen einzigen Pfennig seines Vermögens von seiner Frau zurückzuerhalten.
Er verschwindet und fällt "gleich einem in den Abgrund geschleuderten Stein von Sturz zu Sturz immer tiefer in den Morast von Verkommenheit hinab, der in den Straßen von Paris so üppig wuchert." Als Vagabund wird er in das ständige Gefängnis für Landstreicher Saint Denis eingeliefert, aber einige Zeit später trifft Derville Chabert noch einmal.
"Wie", sagt Derville überrascht, "haben Sie nicht eine Rente für sich ausbedungen?" "Ich bin unversehens von einer Krankheit befallen worden, dem Ekel vor der Menschheit", antwortet Chabert. "Wenn ich denke, daß Napoleon auf Sankt Helena ist, so ist mir alles hier gleichgültig."
Zwanzig Jahre später, in der Nähe des schrecklichen Altersheims von Bicêtre, in dem geisteskranke, straffällig gewordene und verarmte alte Leute unter fürchterlichen Bedingungen des Hungers zusammengepfercht werden, trifft Derville erneut den früheren Obersten Chabert, inzwischen ein gebrochener und geistig verwirrter alter Mann.
"Nicht Chabert, nicht Chabert", ruft der Mann. "Ich heiße Hyazinth. Ich bin kein Mensch mehr, ich bin Nummer 164, siebenter Saal."
"Was für ein Schicksal", sagt Derville, der inzwischen Richter ist. "Aus dem Findelhaus hervorgegangen, endet er im Altersheim, nachdem er zwischendurch Napoleon geholfen hat, Ägypten und Europa zu erobern."
Selbst vom Ekel vor der Gesellschaft ergriffen, entscheidet Derville, sich mit seiner Frau auf das Land zurückzuziehen.
Ein spannended Verwirrspiel um Schein und Sein, Lüge und Wahrhaftigkeit.
Corradi [AW 58]
Büchsenmacher in
Creuve, Serge [LW 14]
Kunstmaler, zeichnet Kinder reicher Leute mit Rötel auf raues Papier,
hat einmaliges WC - gemeint (oder Schreibfehler) Serge Creuz
D. [NN 88f]
Ingenieur, lebt in Zürich. Hat Glauben an Wissenschaft verloren und liest
Naturbeschreibungen des 18. Jhrt
de Jong, Cornelis [RS 229f]
Holländer, dem der Icherzähler im Crown Hotel in Southwold begegnet.
Aufgewachsen auf einer Zuckerplantage in der Nähe von Surabaya, Studium der
Landwirtschaft in Wageningen, Zuckerrübenbauer in der Gegend von Deventer.
Beabsichtigt Landkauf in East Anglia.
Dembowski, Gräfin [AW 185f] [SG 24]
AW:
Der Erzähler fährt im Sptember 1991 nach Deauville. Dort träumt er von einer Schiffs- und anschließenden Bahnreise in das Deauville des Jahres 1913. Im Spielcasino sieht er Cosmo und Ambros.
" Tatsächlich schien mir an Unergründlichkeit mit ihm vergleichbar einzig und allein jene österreichische Gräfin,femme au passé obscur, die in den etwas abgelegenen Ecken meiner Deauviller Traumphantasien hofhielt. Eine ungeheuer feingliedrige, beinahe transparente Person in grau- und braunseidenen Moiréekleidern, war sie zu jeder Tages- und Nachtzeit umgeben von einer Schar von Verehrern und Verehrerinnen. Niemand kannte ihren wahren Namen (eine Gräfin Dembowski gab es in Wien nicht), niemand vermochte ihr Alter zu schätzen oder wusste, ob sie ledig verheiratet oder verwitwet war. Ich bemerkte die Gräfin
Dembowski erstmals, wie sie, was außer ihr keine Frau gewagt hätte, draußen auf der Terrasse vor dem Casino ihren weißen Sommerhut abnahm und neben sich auf die Balustrade legte. Und zum letztenmal erblickte ich sie, als ich, aus dem
Deauviller Traum wieder erwacht, ans Fenster meines Hotelzimmers getreten war. Der Morgen brach soeben an. Farblos noch ging der Strand in das Meer und das Meer in den Himmel über. Da erschien sie, in dem fahl allmählich sich ausbreitenden Zwielicht, auf der verlassenen Promenade des Planches. Auf das geschmackloseste zusammengerichtet und auf das entsetzlichste geschminkt, kam sie daher, mit einem hoppelnden weißen Angorakaninchen an der Leine. Außerdem hatte sie einen giftgrün livrierten Clubman
dabei, der immer, wenn das Kaninchen nicht mehr weiterwollte, sich hinunterbeugte zu ihm, um es ein wenig zu füttern von dem riesigen Blumenkohl, den er in seiner linken Armbeuge hielt."
Siehe auch Dembowski, Mathilde (SG 24)
Deutsch [NN 87]
Jude aus Kufstein, 1938 als Kind nach England, des Englischen nicht
mächtig geworden. Icherzähler berichtet ihm in den 60er Jahren
seine Erlebnisse in Manchester.
Vorbild: Sebalds Vermieter
Peter Jordan
in Manchester. Zuerst wohnt Sebald allein in einem Zimmer im
Haus der Jordans,
als dann Ute, die er 1967 in Sonthofen heiratet, hinzukommt, ziehen Sebalds in den Speicherraum, wo sie mehr Platz haben.
Jordan wusste nach der Kristallnacht definitiv, dass er nicht länger in Deutschland bleiben konnte, dass es für seine Familie in Deutschland keine Zukunft gab. Er durfte nicht länger zur Schule gehen, im Mai 1939 bekommt er ein Visum, wird nach England geschickt. Froh und erleichtert, aus Deutschland herausgekommen zu sein, hofft er darauf, dass seine Eltern nachkommen.
Sein Vater
(siehe AW S. 278: dort stellt er den Vater Ferbers/Aurachs dar) fühlte sich aber sehr wohl in Bayern, liebte die Alpen und belog sich in gewisser Weise selbst im Glauben, dort irgendwo überleben zu können. Wesentlich später erfährt Jordan, dass die Deutschen seine Eltern nach Kaunas deportierten und erschossen.
Ein Mitbewohner im Haus Jordan war
Sir Peter Jonas (1993 - 2006 Staatsintendant der Bayerischen Staatsoper München), der sich oft mit den Eheleuten Sebald unterhielt. Seine Familie stammt aus Hamburg, und er erzählte über das dortige Leben, die Emigration und seine Internatszeit. Sebald schrieb alles auf und Jonas findet erstaunt Jahre oder Jahrzehnte später ganze Passagen aus seinen Erzählungen in Austerlitz und anderen Sebald-Werken wieder ...
Dincklage, Joseph [Luftkrieg und Literatur 143ff]
Hauptfigur in Anderschs Roman Winterspelt von 1974. Alterswerk, handelt von fiktiven Ereignissen kurz vor der Ardennen-Offensive im Winter 1944?1945 in der Umgebung von Winterspelt. Der deutsche Kommandeur Dincklage (seit 1938 an verschiedenen Kriegsschulen, bei Ausbruch des Kriegs Fähnrich, im Frühjahr 1940 Leutnant (0berrheinfront), 1941/42 Oberleutnant und Hauptmann (Afrika), 1943 Ritterkreuz und Ernennung zum Major (Sizilien), vom Herbst 1943 bis Herbst 1944 bei der Besatzung in Paris und Dänemark), betreibt, angesichts der Sinnlosigkeit weiterer Kämpfe, die Übergabe seines Truppenteils an den amerikanischen Gegner. Eingeweiht in seinen Plan ist Käthe Lenk, eine gradsinnige Dame und Schullehrerin, die Dincklage - "obwohl sie den Krieg haßte" - wegen seines Ritterkreuzes bewundert.
Der Botschafter Schefold wird im Niemandsland erschossen von dem verbiesterten Soldaten Reidel.
Dunja [LW 14]
Ehefreu des Serge Creuve
Ebentheuer [SG 265f]
Uhrmacher in in W. , Sohn Eustach hat Wasserkopf
Efraim [Luftkrieg und Literatur 140ff]
Efraim Roman von Andersch. Chefredakteur Horne schickt seinen Korrespondenten George
Efraim nach Berlin, mit dem offiziellen Auftrag, über die Kuba-Krise zu berichten, und der privaten Bitte, nach seiner Tochter Esther Bloch zu forschen, die 1938 verschwunden ist. Efraims Reise wird zur Reise in die eigene Vergangenheit.
Einsiedler [AW 48f]
Inhaber der Südfrüchtehalle Einsiedler in . Choleriker,
schenkt dem Icherzähler und Binswanger je eine Kaiserbirne
Elias, Emyr[AUS 65ff, 198ff]
+ Anfang 1954 augewachsen in Llandwddyn (im Stausee von Vrnwy untergegangene Gemeinde),
calvinistischer Prediger, ehemals Missionar. Pflegevater Austerlitz'. Verkraftet Tod seiner Frau Gwendolyn nicht und wird geistesgestört 1947 ins Denbigh Mental eingeliefert. Angelehnt an Susi Bechhöfer
Ellis, Edward [AW 20 ff]
Freund von Dr. Selwyn
Elvira[CS 233]
Figur aus der Oper Ernani
Emma [NN 81]
siehe Emma Bovary
Empyrum [CS 175 f]
Ungeborenes Fabeltier Herbecks zum Thema "Das Embryo"
Engelwirt [SG 286]
Gastwirtschaft in W.
Engelwirt, alter [SG 264]
in W.
Engelwirt Sallaba [SG 221f, 272]
der einbeinige Pächter der Engelwirtschaft,
zerstört in der Nacht, in der Icherzähler Ramona und den Jäger Schlag beim
Geschlechtsverkehr beobachetet, die gesamte Einrichtung der
Gaststube
Vorbild: Schigulla, siehe "Zeugnisse aus W."
Erkrem [SG 227]
Türke, mietet 25jährig das Büro von
Baptist Ambroser
Dessen Tochter Lena bekommt ein Kind vom ihm, das aber nur eine Woche lebt.
Kurz daruf verlässt Erkrem Wertach, angeblich nach München als Südfrüchtehändler
Ernest [AW 64f]
Schulfreund von Lucy Landau ,
das jüngste Kind in einer vielköpfigen Arbeiterfamilie.
Evan [AUS 78ff]
Schuster in der Nähe des Predigerhauses in Bala, Geisterseher.
Bei ihm lernt Austerlitz Walisisch ("förmlich im Flug"). Drei Söhne, einer davon Owen, Filmvorführer
in Bala
Zitat aus einem Blog: "One branch
of my family was an Evans family that lived at Penbryn, Capel Celyn. I know
that Penbryn was a farm so would this be a different dwelling to Penbryn
Fawr ? His
second wife was Catherine Jones (my paternal great-grandmother), b 1857
in Llanuwchllyn and I believe they then lived at Gwernygenau - a farm which
I know to have been flooded in 1963 to create Llyn Celyn.
Gwernygenau was the other side of a valley to Pyrsau, from where
Catherine Jones' family came."
Fabrizio [RS 153]
Held des Stendhal-Romans "Die Kartause von Parma"
In Fabrizio del Dongo veranschaulicht Stendhal jenes Lebensgefühl, das er als »Beylisme« bezeichnet, die Jagd nach Glück, die er von leidenschaftlichen Ausnahmemenschen unter Missachtung gesellschaftlicher und moralischer Schranken fordert. Der Roman gilt neben "Rot und Schwarz" als bedeutendstes Werk des Autors: erzählt die Lebensgeschichte des Fabrizio del Dongo aus einer reaktionären, österreichtreuen Familie in der napoleonischen Ära. Gegen den Willen der Familie nimmt Fabrizio auf französischer Seite an der Schlacht von Waterloo (1815) teil. Die episodenhafte Schlachtschilderung nehmen zahlreiche Schriftsteller nach ihm auf, u. a. Leo R. Tolstoi und Arnold R. Zweig. Die Schlacht bei Waterloo nicht aus dem Blickwinkel eines alles überschauenden Beobachters dargestellt, sondern zerlegt in einzelne Episoden, aus der Sicht und dem Erleben des Helden geschildert. Jede Szene dient der Charakterisierung des Individuums, der Beschreibung seines veränderten Bewusstseins läßt so Gesamtverlauf der Schlacht entstehen
Fahnstock, Prof. [AW 150,]
absolviert Ausbildung in Lemberger Anstalt unmittelbar vor 1. WK,
geht nach Linz, (wohin sein Vater aus Galizien eingewandert ist), spricht mit östrreichischem Tonfall,
geht 1921 in die USA, 2jährige Ausbildung in staatl. Krankenhaus in Albany, wird Leiter der Privatklinik/Pflegeanstalt in Samaria
Ithaca, sirbt in den 50ern an einem Schlaganfall, Nachfolger Abramsky
Farrar, Frederick [RS 62ff]
* Lowestoft 1906 + 1992
Rechtsanwalt, Richter, Sohn eines Notars (auch Konsul für Dänemark und das Ottomanische Reich), aufgewachsen in Lowestoft (umsorgt und behütet von drei schönen Schwestern Violet, Iris und Rose), ab Anfang 1914 Besuch der Prep School nahe Fore/Northamptonshire, studiert 1924 bis -28 auf Wunsch des Vaters Jura in Cambridge und London, mehr als 50 Jahre tätig als Rechtsanwalt und Richter, erwirbt 1982 das Nachbarhaus des Ich-Erzählers, um Rosen, Veilchen und Iris zu züchten, legt einen der schönsten Gärten in der ganzen Gegend an, stirbt im Frühsommer 1992 in seinem Garten an Verbrennungen (er hatte seinen Morgenmantel mit dem Feuerzeug angezündet), begraben auf dem Friedhof von Framingham Earl (wie Sebald) - (nicht zu vewechseln mit Frederick Wiliam Farrar, dem 1831 in Indien geborenen und 1903 gestorbenen Autor, Fellow of Trinity College, der in Harrow lehrte und Headmaster des Marlborough College's wurde, späterer Dean von Canterbury. Sein Hauptwerk das Kinderbuch Eric, or Little by Little von 1858. Er veröffentlichte ein Vielzahl von Werken über theologische, pädagogische und andere Themen).
Ferber, Fritz [AW 337ff]
Vater Aurachs/Ferbers
* 1889 Kunsthändler München verh. mit Luisa Landsberg
Ferber, Luisa [AW 337ff]
geb. Lanzberg, Mutter Aurachs/Ferbers
* Steinach 1889
Ferber, Max [AW 217ff]
Friedrich Maximilian F. Jude * München 1924 + Manchester 1991 Vater Kunsthändler in München (Eltern November 1941 nach Riga deportiert, ermordet).
Mai 1939 mit Flugzeug nach England geschickt.
Tatsächlicher Hintergrund:
Sebald: Ferber geht eigentlich auf zwei Personen zurück. Eine ist mein Vermieter in Manchester, D. Die Erzählung von Ferbers
Flucht aus München 1939, im Alter von fünfzehn, und was danach seinen Eltern passierte, das ist D's Geschichte.
[Juni 2009 - Erste Verlegung von "Stolpersteinen" in Bad Kissingen
Artikel vom 19. Juni 2009 in der "Mainpost":
BAD KISSINGEN - Verbeugung vor Opfern des Terrors - Gunter Demnig verlegt erste Stolpersteine in Bad Kissingen
Stolpersteine zum Gedenken an die Opfer der Nationalsozialisten zu verlegen, findet Peter Jordan, sei ein guter Gedanke.
Über die Steine zu stolpern, erinnere daran, "was damals passiert ist". Jetzt gibt es diesen Ansatz,
Erinnerung wach zu halten, auch im Trottoir der Maxstraße und am Marktplatz, in der Erhardstraße und am Rathausplatz.
Jordans Großeltern Clara und Lazarus Frank gehören zu den ersten Kissinger Opfern der Nazis, derer mit Stolpersteinen gedacht wird.
Peter Jordan lebt in Manchester. Früher, erzählt er, sei es für ihn schwer gewesen, nach Deutschland zurückzukehren.
Dass es ihm nun leichter fällt, schreibt er auch Gunter Demnig und den Initiatoren der Aktion Bad Kissinger Stolpersteine zu.
Demnig ist der Ursprung und die Gegenwart der Aktion. Der Kölner Künstler kam am Freitag in die Kurstadt,
um hier seine ersten sieben Kissinger Stolpersteine zu setzen. Trotz der großen Verbreitung in Deutschland und Europa
sind Demnigs Stolpersteine nicht unumstritten. Peter Jordan und die weiteren Mitglieder seiner Familie, die nach Kissingen kamen,
bieten dafür das beste Beispiel. Seine Eltern, seien jene Nazi-Opfer gewesen, berichtet Jordan, denen man vor fünf Jahren in München zwei
Stolpersteine setzte, "die sechs Wochen später wieder entfernt wurden, weil sie dort nicht erlaubt sind".
Dass er jetzt beim Gedenken an seine Großeltern dabei sein konnte, freue ihn deshalb sehr. ]
Das zweite Modell ist ein bekannter Künstler
Der Vermieter: Peter Jordan * 1923, mit Eltern 1925 von Steinach nach München verzogen, Mai 1939 nach London gebracht, von seinen Onkeln Hans/Nathan und Julius Jordan unterstützt, später nach Manchester verzogen (Peter Jordan: Manche der anderen Jungen nannten uns 'Jud' oder 'Saujud' Wolfram P. Kastner: "auf einmal waren sie weg" 116 )
Eltern: Siegfried Fritz Jordan * 1889 und Paula Jordan, geb. Frank * Steinach an der Saale 1889. Kunsthändler mit Ausstellungen in Kur- und Ferienorten, 1940 müssen sie ihr Münchner Haus verlassen, beide deportiert und 1941 in Kaunas ermordet
Paula und Siegfried Jordan
Großmutter: Clara Frank geb. Ansbacher (Lily Lanzberg ) * Leutershausen 1863 + (Suizid) 1936
Urgroßvater: Lazarus Frank * Steinach an der Saale , Jude, Vieh- und Pferdehändler, 1905 nach Bad Kissingen verzogen, Erwerb der Villa in der Erhardstr. 21, + Theresienstadt 1942 siehe
Lanzberg-Villa
dessen Kinder: 1. Paula (Luisa Lanzberg ) * ebda 1889 2. Julius (Leo Lanzberg ) * ebda 1889 (Zwillinge) 3. Thea * ebda 1891 (Verfasserin von Erinnerungen an ihre Kindheit und Jugend) verh. 1916 4. Nathan/Hans * ebda 1896 5. Irma * ebda 1896
Paula Frank, befreundet mit einem 'Doktor' genannten Bratschisten aus dem Ensemble der 'Wiener', leistet während des Kriegs Krankenpflegdienste
Julius Frank studiert neuere Sprachen in Würzburg, München, Grenoble, Paris und Oxford, Lehrer für Englisch und Französisch in Nürnberg. Erinnerungen des Julius Frank: "Jüdisches Leben in Deutschland" Bd. 2 Stuttgart 1979
Thea Frank emigriert 1933 in die Schweiz (hatte "Arier" geheiratet)
Nathan Frank geht in die Türkei, dann wohl nach Amerika
Irma heiratet "Arier"
[vgl. K. Gasseler in "Sebald. Lektüren." Eggingen 2005 157 ff m.w.N]
Zum Künstler Frank Auerbach
Siehe
fil'Ariane [LW 25]
Ariadne-Faden (frz. Ariane=Ariadne), in griechischen Mythologie Geschenk der Prinzessin Ariadne, Tochter des Minos, an Theseu Mit Hilfe des Fadens findet Theseus den Weg durch das Labyrinth, wo das Ungeheuer haust. Er tötet ihn und findet mit dem Faden den Ausgang.
Redewendung 'Jemand hat den Faden verloren'
Fini, Tante [AW 97ff]
Tante Fini mit Onkel Theo (1950 New York)
Die nach Amerika ausgewanderte Verwandtschaft des Icherzählers in "Ambros Adelwarth"
Tatsächlicher Hintergrund:
Sebalds Tante Annie siehe bei Amerikaner , arbeitet als Dienstmädchen der reichen Familie Wallerstein in einer großen
Wohnung in der 5th Avenue/New York, .
Fitzpatrick, Adela[AUS 114ff]
Mutter von Gerald F. , geht später mit Willoughby nach North Carolina
Fitzpatrick, Aldous[AUS 114ff]
Vater von Gerald F. , Biologe, stürzt im letzten Kriegswinter über dem
Ardennerwald ab
Fitzpatrick, Alphonso[AUS 128ff]
Der mehr als dreißig Jahre ältere Bruder des Vaters von Gerald F. , aquarelliert + Herbst 1957
Fitzpatrick, Evelyn[AUS 114ff]
Der mehr als zwanzig Jahre ältere Bruder des Vaters von Gerald F.
, geplagt von der Bechterewschen Krankheit
, katholisch + Herbst 1957
Fitzpatrick, Gerald[AUS 109ff]
Schulfreund von Austerlitz , war ihm im Internat Stower Grange (das Gerald bis 1957 besucht)
als "Faktotum" zugeteilt, beide leiden unter Heimweh, F. versucht, das Internat anzuzünden, entwickeln gemeinsam
Fotos in der Dunkelkammer, besitzt zuhause drei Brieftauben, Vater Aldous ist über dem Ardennerwald abgestürzt,
Familie lebt in der Nähe von Barmouth im Landhaus Andromeda Lodge, wo Austerlitz - auch während Militär- und Studienzeit - Dauergast ist.
Vorfahren F.s hatten Bekanntschaft mit Charles Darwin, der in der Nähe arbeitete. F. lernt fliegen, absolivert ein Astronomiestudium, forscht in Cambridge, wohnt in Quy bei Cambridge, kauft sich vom ausbezahlten Erbteil eine Cessna, große Flugleidenschaft, geht nach Genf an ein astrophysisches Forschungsinstitut, stürzt in den Savoyer Alpen tödlich ab.
[Ein Gerald Fitzpatrick betreibt in Holz bei Wängle eine Ballonfahrtunternhmen!]
Flossie [AW 97, 104]
Die nach Amerika ausgewanderte Verwandtschaft des Icherzählers in "Ambros Adelwarth"
Fräulein Edith [LL 133]
Saaltochter (Kellnerin) in Bern, Figur in dem Roman "Der Räuber" (1925) von Robert Walser
Frohmann [AW 262]
aus Drohobycz. Figur des Josef Roth, die Sebald zwei Mal
zitiert, vgl.
Fürgut [SG 43]
Dorfschreiber. Der Ich-Erzähler halluziniert ihn
Geschwendtner [CS 232ff.]
Polsterer in (Sonthofen), Laiendarsteller in der Oper Ernani
Gherardi [SG 27]
(la Ghita) Figur in Stendhals Schrift Über die Liebe
Goldsteiner, Anna [SG 55f]
die Großmutter Olgas (Ehefrau des Icherzählers?) im Altenheim in
der Martinsstraße in Klosterneuburg
Gregor [RS 13]
[Luftkrieg und Literatur 133]
a) Gregor Samsa, Hauptfigur in Kafkas "Die Verwandlung": Der Reisende erwacht eines Morgens, hat Gestalt eines menschengroßen Ungeziefers (Käfer ?): Die Alltagsrealität wird unmittelbar mit jener des Surrealen konfrontiert.
b) Gregor, eine der 6 Gestalten in Anderschs "Sansibar oder der letzte Grund", die alle nur das Ziel haben: Aus Deutschland zu verschwinden.
Pfarrer Knudsen aus Rerik muss die Plastik, ?lesenden Klosterschüler? aus seiner Kirche nach Schweden bringen lassen, da sie von den ?Anderen? sonst geholt wird. Er fragt den Fischer Knudsen ihm zu helfen. Dieser weigert sich, weil er sich und seine Frau nicht in Gefahr bringen will. Zur selben Zeit befindet Gregor in Rerik, der dem letzten Parteigenossen in Rerik, nämlich Knudsen, das Fünfpunktesystem näher bringen soll. Als sich die beiden in der Kirche treffen, bemerkt Gregor den ?Lesenden Klosterschüler? und ist sofort fasziniert von ihn. Als er dann noch erfährt, dass er in Gefahr ist, beschließt er sofort, ihn nach Schweden zu bringen. Danach trifft Judith, eine Jüdin, die ebenfalls nach Schweden will. Gregor beschließt auch ihr zu helfen. Er überredet Knudsen, die Plastik nach Schweden zu schmuggeln. Heimlich fasst er auch den Plan Judith mit auf Boot zu bringen. Am Abend fährt Knudsen schon voraus und wartet bei dem vereinbarten Treffpunkt auf den Jungen, Gregor, die Plastik und die überraschend mitgebrachte Judith. Es kommt zur Auseinandersetzung zwischen Gregor und Knudsen, weil dieser Judith nicht mitnehmen will. Gregor übermannt Knudsen und so bringt dieser den Klosterschüler und Judith nach Skille.
Gretchen [LL 117]
Figur aus Goethes Faust
Giulietta [LW 28]
feiert offensichtlich in einem Kloster in Holland Geburstag, wo der Ich-Erzähler geladen ist
Anklang an Beethovens ?Unsterbliche Geliebte"? Für sie drei Namen vermutet: Gräfin Giulietta Guicciardi, Amalie Sebald und Gräfin Therese v. Brunsvik
Gwendolyn [AUS 84ff]
Frau des Predigers Elias
Pflegemutter Austerlitz'. Erkrankt ab 1945, stirbt am 6. Januar 1947
Haselberger [AUS 245]
Ihm muss Saly Bleyberg als Vertriebener sein
Geschäft in Wien überschreiben
Hazel, William [RS 52ff]
Gärtner in Somerleyton. Trifft den Icherzähler, berichtet Folgendes: Ihn beschäftigt ab seinen letzten Schuljahren der Luftkrieg gegen Deutschland, Anfang April 1945 Zeuge der Kollision und des Absturzes zweier Thunderbolts der US Air Force über Somerleyton, Anfang der 50er Jahre als Besatzungssoldat in Lüngeburg, lernt Deutsch und will Berichte über Bombenkrieg lesen, findet nichts [offensichtlich
Sprachrohr für die Thesen Sebalds in "Lufkrieg und Literatur"]
Hernani [CS 233]
Figur aus der Oper "Ernani" von Verdi, die auf dem Roman Hernani
von Victor Hugo basiert. Handlung spielt um 1500 in den Bergen von Aragonien und in Saragossa.
Räuberbande, deren Anführer Ernani, ein verstoßener Adliger ist. Ernanis Geliebte Elvira soll
mit ihrem Vormund und Onkel Herzog Silva verheiratet werden. Im Schlussakt feiert Ernani Hochzeit
mit Elvira. Zu später Stunde das Paar allein. Aus der Ferne ertönt
der Ton eines Hornes, der an den Schwur erinnert. Silva erscheint maskiert und fordert rachsüchtig
die Einlösung des Versprechens: "Wann immer dieses Horn erklingt, wird sich Ernani töten." Als ein Mann von Ehre,
der sein Wort hält, ersticht sich Ernani, Elvira bricht ohnmächtig an seiner Leiche zusammen.
Herrington und Lighthbown [RS 76]
Angeblich englische Wissenschaftler, die das absonderliche Naturphänomen
des Leuchtens toter Heringe um 1870 untersucht haben, in der Hoffnung,
daß sich aus der von den toten Heringen ausgeschwitzten lumninösen Substanz
die Formel zur Erzeugung einer organischen ... Lichtessenz würde ableiten lassen
Herz, Adam [CS 230]
"Falschsinger" in der Kirche von ,
Stallknecht, entlaufener Klosterbruder
Hilary, André [AUS 101ff, 206, 235]
Geschichtslehrer in Stower Grange , eben erst aus dem Heeresdienst
entlassen und mit der Napoleonischen Ära bis ins einzelnste vertraut. Getauft auf 'André' nach Marschall Masséna , von kleinauf umgeben von einer mehrer Generationen anhaltenden Napoleonbegeisterung, studierte am Oriel College . Hielt des öfteren
wegen eines Bandscheibenvorfalls auf dem Rücken liegend Unterricht! Sein Glanzstück: Die Schilderung der Schlacht von Austerlitz.
Hollaender, Helen [AW 71ff]
aus Wien. Ein paar Monate älter als Paul Bereyter.
Mehrwöchiger Ferienaufenthalt in Wohnt bei Bereyters im Haus, Mutter in der Pension Luitpold einquartiert.
Kehrt Anfang September nach Wien zurück. Wahrscheinlich mit Mutter über Theresienstadt in Vernichtungslager deportiert.
Holzlehner, Josef [CS 238]
Legte das Alpinum hinter dem Hotel des Icherzählers in Bregenz an.
Ausbildung in Wien in der Anstalt Kundmanngasse (zusammen mit Wittgenstein
), Schullehrer in Österreich, im WK 2 als Kriegsgefangener in Schottland
Hormayr [AW 51]
Lehrer in S , Vorgänger Bereyters
, läßt straffällige Schüler
stundenlang auf kantigen Holzscheiten knien
Icherzähler Alle Werke
Sebald: Die bürgerliche Person ist etwas anderes als der Schriftsteller.
Der Schriftsteller ist etwas anderes als der Erzähler. Und der Erzähler ist wiederum etwas anderes als die Figuren,
die er beschreibt. Aber die Lebensdaten und Details meiner Biografie, das stimmt in aller Regel ziemlich genau.
Icherzähler ALL'ESTRO [SG 39ff]
heißt W. Sebald, Brille, 1,84m groß, braune Augen, aus Deutschland stammend (verbringt die ersten neun Jahre seines Lebens in der
Ortschaft W.( 76); leidet unter den unsäglichen Gesprächen seiner "Landsleute aus Schwaben,
Franken und Bayern"), besitzt einen Paß der deutschen Botschaft in London vom 15. April 1985, lebt seit 25 Jahren in England, 1985 in
Poringlamp ( 121).
1978 ist er mit Olga in Klosterneuburg, um ihre Großmutter im Altersheim in der Martinsstraße zu besuchen.
Oktober 1980 fährt er nach Wien, in der Hoffnung
durch Ortsveränderung über eine besonders ungute Ziet hinwegzukommen. Legt in der Leopoldstsadt
end- und ziellose Wege von morgens bis abends zurück. Trifft und spricht tagelang niemanden.
Leidet unter Halluzinationen. Ca. 10 Tage hält der Zustand an. Besucht Ernst Herbeck in Klosterneuburg,
will dann nach Venedig. Herbeck und Erzähler fahren mit der Bahn nach Altenberg hinaus, gehen
über Kritzendorf zurück. Auf dem Stadtplatz Klosterneuburg kommen sie fast einem Kieslaster unter die Räder.
Kommt am Abend des 31. Oktober
mit dem Venezianeer Malachio ins Gespräch, mit dessen Boot er um Mitternacht
den Großen Kanals hinauffährt. Am 1., 2. und 3. November verläßt er sein Hotelzimmer nicht.
Bemerkt zwei junge Männder, die ihm schon seit Tagen begegnen und beobachten. Fährt mit dem Zug nach Verona.
Auch dort sieht er die jungen Männer. Ein Kellner erkennt ihn als Engländer. Er flüchtet mit dem Zug nach Innsbruck.
1987 macht er die Reise von Wien über Venedig nach Verona noch einmal. Fährt mit dem Bus von Venedig nach Riva.
Wird für einen Päderasten gehalten, weil er ein Foto von Kafka ählichen Zwillingen verlangt. Gibt bei seiner Wirtin vor,
einen Kriminalroman zu schreiben. Sein Paß geht verloren. Fährt nach Mailand, erhält neuen Paß vom 4. August 1987.
Zurück in Verona gibt er sich im Hotel als Jakob Philipp Fallmerayer au Wird auf dem Corso Cavour um ein Haar überfahren.
Beschäftigt sich mit Taten der Gruppe Ludwig.
Icherzähler AMBROS ADELWARTH [AW 95ff]
A. ist des 1944 geborenen anonymen Erzählers Großonkel, an den er wenig eigene Erinnerung hat und den er nur einmal -
im Sommer 1951 - sieht, als sämtliche "Amerikaner" in W wochenlang in der Wohnung über der Engelwirtschaft
(vgl. IL RITONO IN PATRA
) zu Besuch waren. Von der mühelos nach der Schrift gestalteten Rede A.s ist er zutiefst beeindruckt, von seiner hochvornehmen Erscheinung fühlen sich alle anderen anwesenden Verwandten in ihrem Selbstwert bestätigt, wenn sie - was der Siebejährige im Gegensatz zu den stets in ihren Einbildungen befangenen Erwachsenen genau spürt - in Wahrheit durch den Vergleich mit dem Onkel geradezu deklassiert werden. Vom Tod A.s 1953 erfährt der Erzähler nicht
Die Sommerbesuche der Amerikaner sind erster Beweggrund für die vom Erzhähler als Heranwachsenden gehegte Vorstellung, daß er nach Amerika auswandern würde. Noch wichtiger ist die Zurschaustellung einer anderen Art von täglichem Leben durch die am Ort stationierte Besatzungsmacht, deren allgemeine Moral von den Einheimischen, wie er ihren halb hinter vorgehaltener Hand, halb lauthals gemachten Bemerkungen entnimmt, als einer Siegernation unwürdig empfunden wird. Sie lasssen die von ihnen requirierten Häuser verlottern, haben keine Blumen auf dem Balkon und statt Vorhängen Fliegengitter im Fenster. Die Weiber gehen in Hosen herum und werfen ihre lippenstiftverschmierten Zigarettenkippen einfach auf die Straße, die Männer haben die Füße auf dem Tisch, die Kinder lassen die Fahrräder in der Nacht im Garten liegen, und was man von den Negern halten soll, weiß sowieso kein Mensch. Gerade diese abschätzigen Bemerkungen bestärken den Erzähler in seiner Sehnsucht nach dem einzigen Ausland, von dem er überhaupt eine Ahnung hat. In den endlosen Schulstunden vor allem und in der Abenddämmerung malt er ich sich seine amerikanische Zukunft in allen Einzelheiten und Farben au
Phase der imaginären Amerikanisierung seiner Person, während der er streckenweise zu Pferd, streckenweise
in einem dunkelbraunen Oldsmobile die Vereinigten Staaten in allen Himmelsrichtungen durchquert, erreicht ihren Höhepunkt
zwischen sechzehnten und siebzehnten Lebensjahr, als er Geistes- und Körperhaltung eines Hemingway-Helden in und an sich auszubilden versucht, ein Simulationsprojekt, das aus verschiedenen Gründen, die man sich denken kann, von vornherein zum Scheitern verurteilt ist. In der Folge verflüchtigen sich die amerikanischen Träume allmählich und machen, nachdem die Schwundstufe erreicht ist, einer bald gegen alles Amerikanische gerichteten Abneigung Platz, die schon im Verlaufe seiner Studienzeit so tief in ihm sich festsetzt, dass ihm bald nichts absurder erscheint als der Gedanke, er könnte irgendwann einmal ungezwungenermaßen eine Reise nach Amerika unternehmen.
Dennoch fliegt er am 2. Januar 1981 nach Newark, um Genaueres über die nach Amerika ausgewanderten Verwandten in Erfahrung zu bringen.
Gleich außerhalb des Flughafengeländes kommt er um ein Haar von der Straße ab.
Von Tante Fini in der Altenkolonie Cedar Glen West erfährt er viel über seine Verwandten und deren Leben,
sie betrachten ein von A. hinterlassenes Ansichtskartenalbum, Onkel Kasimir
erzählt aus seinem eigenen Leben.
Mit ihm fährt er ans Meer, wo dieser ein Foto macht; die Aufnahme schickt er ihm zwei Jahre später zusammen mit
seiner goldenen Taschenuhr. Noch in New York beginnt der Erzähler mit seinen Aufzeichnungen und fragt
sich, ob er nach Ithaca in die Pfleganstalt fahren soll, wo A. starb. Er will aber seinen Rückflug nicht
verfallen lassen oder scheut sich vor genaueren Nachforschungen.
Erst im Frühsommer 1984 reist er nach Ithaca, macht die - zwischenzeitlich geschlossene - Anstalt aus und erfährt vom ehemaligen Psychiater
Dr. Abramsky Näheres über die Schocktherapie, an der A. verstirbt.
Mitte September 1991 fährt der Erzähler von England nach Deauville, einem häufigen Aufenthaltsort A., um das dortige Treiben zu schildern, das ihn an die Zeit 1913 erinnert.
Aus dem Agendabüchlein A.s, das ihm Tante Fini mitgab, rekonstruiert er dessen Italien-, Griechenland- und Orientreise mit Cosmo
vom 20. August 1913 an. Der letzte Eintrag stammt vom 26. Dezember in Jerusalem.
Icherzähler AUSTERLITZ [AUS 3ff]
Anonymer Icherzähler fährt in der zweiten Hälfe der 60er Jahre wiederholt von England nach Belgien, teils zu Studienzwecken,
teils aus ihm selbst unerfindlichen Gründen, teils nur 2 Tage, teils für mehrere Wochen. Einmal in Antwerpen wird er von
Unwohlsein erfaßt, das ihn während der gesamten Zeit in Belgien nicht mehr verläßt. Er besucht im Tiergarten am Astridplein
das Nocturama. In seiner Erinnerung geraten die Bilder von dort mit denen der Salle des pas perdus der Centraal Station durcheinander, wo er Juni 1967 auf den 33-jährigen A. trifft, der ihm immer wieder - bis 1996 - begegnet. Bei Durchsicht seiner Aufzeichnungen stellt der
Erzähler fest, dass er 1971 in Luzern gewesen ist, und zwar vor der Nacht auf den 5. Februar, in der der Bahnhof durch einen Brand schwer geschädigt wird.
Am nächsten Morgen hofft der Erzähler vergeblich, A. am Handschuhmarkt wieder zu treffen. Er fährt mit dem Zug nach Breendonk und begegnet A. wenige Tage später in Lüttich, im November in Terneuzen, in der Vorweihnachtszeit in Zeebrugge - sie haben beide auf derselben Fähre gebucht. Bis dahin haben sie sich auf Französich unterhalten, nunmehr auf Englisch. In den nachfolgenden Jahren besucht der Erzähler A. fast jedesmal, wenn er in London ist, an dessen Arbeitsplatz in Bloomsbury.
Im Dezember 1996 begegnet der Erzähler in der Salon Bar des Great Eastern Hotel in der Liverpool Street A. wieder, als er allein kurz vor Weihnachten über Ipswich "hinunter" nach London/Liverpool Station wegen einer Augenerkrankung fährt. Im Wartezimmer erinnert er sich an die Winter seiner Kindheit in den Alpen. Tags darauf trifft er sich mit A. und sie gehen durch London an der Themse spazieren, besuchen Geenwich.
Ein Vierteljahr später besucht er ihn in dessen Wohnung in der Alderney Street. Später wandern sie über das Gräberfeld von Tower Hamlets zur Liverpool Street.
Im September 1997 besucht er den nach Paris verzogenen A. daselbst.
Seine Rückreise unterbricht der Erzähler in Antwerpen, fährt mit dem Zug nach Mechelen, wandert nach Willebroek und liest am Wassergraben der Festung von Breendonk das 15. Kapitel von Heshel's Kingdom zu Ende.
Icherzähler CAMPO SANTO [CS 19ff]
Anonymer Icherzähler steigt am ersten Tag nach seiner Ankunft in Piana in die
in die Bucht von Ficajola sich öffnende Schlucht und liegt den halben Nachmittag an dem kleinen Bach.
Schwimmt einmal aufs Meer hinaus und erreicht nur mit Mühe wieder das Ufer.
Noch schwerer ist der Rückweg und Aufstieg über die Serpentinenstraße.
Nach eineinhalb Stunden erreicht er den Ortsrand von Piana und besucht den
ziemlich verwahrlosten Friedhof. Der Bewuchs kommt ihm ungleich schöner vor, als der
Grabschmuck aus seiner jetzt schon so weit zurückliegenden Kindheit und Jugend im Voralpenland, den er
in unliebsamer Erinnerung hat. Am meisten verwundert ihn, daß keine der Grabinschriften älter als 60 oder 70 Jahre ist.
Er vermutete eine sukzeessive Auflösung der älteren Grabstätten.
Die Lösung findet er in einer Studie seines "hiesigen" Kollegen Stephen Wilson .
Der Erzähler erinnert sich, wie er als Kind zum ersten Mal am offenen Sarg seines Großvaters steht,
der da auf Hobelspänen liegt [vgl. "Das Schreibpapier" in Unerzählt 63]. Und seit einiger Zeit ist er sich sicher:
Je mehr einer zu tragen hat an der der menschlichen Art aufgebürdeten Trauerlast, desto öfter begegnen
ihm Gespenster Und er erinnert Begegnungen mit ein wenig zu klein geratenen Wesen:
auf dem Graben in Wien, in der Londoner U-Bahn, auf einem Empfang des mexikanischen Botschafters, bei einem Schleusenhäuschen am Ludwigskanal in Bamberg [vgl. "In Bamberg" LW 76]; und an einen
fast kohlschwarzen Mann, wahrscheinlich erst gestern zum Studium aus Afrika nach Norwich gekommen, an der Kassse eines Supermarkts gesehen und vergessen, bis am selben Abend drei Töchter eines Freundes kommen mit der Nachricht vom Tod ihres Vater
Icherzähler DIE ALPEN IM MEER [CS 39ff]
Bei einer Wanderung in der Forêt de Puntiello/Korsika erinnert sich der anonyme Erzähler an einen
Wald im Innerfern , durch den er als Kind mit dem Großvater gegangen ist.
Auf Exkursionen ins Innere Korsikas kommt es dem Erzähler vor, als sei die gesamte männliche Bevölkerung,
auf die Jagd gehend, an einem längst ziellos gewordenen Zerstörungsritual beteiligt. Mehr als einmal wird
ihm bedeutet, dass sie sich nicht mit einem dahergelaufenen Spaziergänger über ihr blutiges Geschäft unterhalten wollen
und er möge schleunigst, wenn er nicht über den Haufen gschossen werden wolle, verschwinden. Unterhalb von Evian will er einen
Jäger mit Doppelflinte fotografieren.
Er erinnert sich, wie er auf seinem Schulweg am Hof des Metzgers Wohlfahrt vorbeikommt, wo ein Dutzend Hirschkühe abgeladen werden.
Und in England sieht er später grünen Plastikschmuk für Fleisch bei familiy butchers.
In seinem Hotelzimmer in Piana liest er Flauberts Legende vom Sankt Julian. Aus dem offenen Fenster beobachtet er einen Fünfmaster auf dem Meer.
Icherzähler DIE DUNCKLE NACHT FAHRT AUS [NN 69ff]
Die Großeltern des anonymen Erzählers lassen sich am 9. Januar 1905 in Obermeitingen trauen.
Er besitzt Fotografien: Ein Klassenfoto von 1917 mit 47 "armseligen Artgenossen",
die Aufnahme vom 26. August 1943 von Vater und Mutter in einer botanischen Anlage in Bamberg.
Im "vorvergangenen Jahr" sieht der Erzähler Altdorfers Gemälde "Lot und seine Töchter" erstmals in Wien, es erinnert
ihn an die Erzählung der Mutter vom am 28. August 1943 in Flammen stehenden Nürnberg und verliert danach fast
den Verstand, als er über die Friedensbrücke geht.
Geboren ist der Erzähler am 18. Mai 1944 (wie Sebald) - der kalte Saturn regiert die Stunde -, wo ein Baldachinträger der Flurumgangsprozession
an diesem Himmelfahrtstag vom Blitz erschlagen wird und kurz vor seiner Einschulung brennt ein Sägedwerk in der Nähe ab.
Sonst ohne einen Begriff der Zerstörung aufgewachsen, aber als er bei Stürzen sich verletzt und mit einbandagierten Händen
stundenlang zum Fenster hinausschauend auf das Nachlassen der Schmerzen wartet, hat er die Vorstellung einer lautlosen Katastrophe, die sich vor dem Betrachter vollzieht. Über das, was er sich damals ersonnen, ist er immer noch nicht hinau Er erlebt das monatelange Sterben der
Großmutter.
Er zitiert ein du, das sagt, über den Bräutigam müsse man wachen, wie über einen Gelehrten in der Nacht.
Glück - auch mit den Kindern - verwandelt sich in Unglück. Seither wappnen sich beide mit Geduld. Als Trost bleibt das Unglück anderer Leute, etwa das von Flauberts Madam Bovary. Als eine kleine chinesische Optikerin seine Schläfen berührt, durchquert eine Welle sein Herz.
Er erinnert sich - "ein halbes Leben ist es her", wie er nach seinem Auszug aus der Provinz in Manchester Wohnung bezieht. Tagelang liest er
im Souterrain der Universitätsbibliothek die Schriften des Paracelsus, kehrt oft in Wirtschaften, besonders in Liston's Music Hall ein, geht in
Gospelkirchen.
Im Sommer des "vorvergangenen Jahrs" besucht der Erzähler den Ingenieur D. in Zürich. Am Arlberg schwindelt ihm die Seele:
wieder ein Sommer vergangen.
Am Morgen traut der Erzähler bisweilen dem Frieden und nimmt sich vor, einen neuen Anfang zu machen: mit der Tochter einen
Ausflug. Am Ufer des Meeres beim Atomkraftwerk Sizewell stellt er die Grundfragen nach dem Sinn der Liebe und des Leben
Der Erzähler träumt, er sei eigens nach München geflogen, um Altdorfers Alexanderschlacht anzuschaun.
Icherzähler DIE RINGE DES SATURN [RS 11ff]
Erzähler namens Sebald (bezeichnet Sebaldgrab als das seines Namenspatrons), aus Deutschland stammend, wo er die Grundschule besucht. 1964 erstmals in Brüssel und Waterloo.
Herbst 1966 von der Schweiz nach Manchester, 1991 von Bad Kissingen (allerhand Nachforschungen), Baden/Schweiz (Panikanfall), Zürcher See (Bootsfahrt) über Basel, Lindau (Glückssträhne in der Spielbank), München (Alte Pinakothek), Nürnberg (Sebald-Grab) und Amsterdam nach Den Haag, blickt vom Strand nach
England hinüber. Besichtigt im Maurithuis Die anatomische Vorlesung des Dr. Nicolaas Tulp und
Ruisdaels Ansicht von Haarlem mit Bleichfeldern. Fliegt ab Schiphol mit Propellerflugzeug nach Norwich.
1978 verdorren 6 Ulmen im Garten am Teich des Erzählers an der Ulmenkrankheit.
Im Herbst 1987 (Nacht vom 17. auf 18. Oktober) vernichtet Orkan Baumbestand im benachbarten bischöflichen Garten.
Ende August ("Hundstage") 1992 unternimmt er Fußreise durch Suffolk (siehe ).
In Southworld sieht er im Fernsehen BBC-Dokumentation über Roger Casement.
Besucht den befreundeten Michael Hamburger in Middleton, trifft den Holländer Cornelis de Jong, träumt von seinem mehrere Jahre zurückliegenden
Aufenthalt auf einem Landsitz in Irland, besucht Alex Garrard und besichtigt dessen Tempelmodellbau.
1993 wird er in einem Zustand nahezu
gänzlicher Unbeweglichkeit in das Spital der ihm vertrauten Stadt Norwich eingeliefert, wo er mit der Niederschrift des Buches beginnt; wird operiert. Nach erstem Frühstück danach sieht er einen Kondensstreifen am Himmel, den er in Rückschau für Anfang eines Risses hält, der seither durch sein Leben geht.
Nach Entlasssung aus dem Spital beginnt er mit Nachforschungen über Thomas Brown.
1994 (heute) Reinschrift des Buchs, die er am 13. April 1995 beendet.
Icherzähler DR. HENRY SELWYN [AW 5ff]
anonymer Erzähler mit Partnerin Clara - beide im Gebirge aufgewachsen - gelangt auf Wohnungssuche - kurz vor Antritt seiner Stellung in Norwich - im September 1970 nach Hingham.
In einem von Mauern und großem alten Garten umgebenen Anwesen, Prior's Gate, finden sie den Ehemann der Eigentümerin, einer Fabrikantentochter aus Biel in der Schweiz, Dr. Selwyn.
Sie ziehen 2 Tage später ein, Als sie ihr Badezimmer weiß streichen, erinnert das die Vermieterin an einen Taubenkobel. Erzähler findet das als einen Ausspruch über seine Lebensführung, an der er nichts zu ändern vermag. Ende April werden die Mieter von Dr. Selwyn zu einem petit comité eingeladen, zu dem ein Freund Selwyns ebenfalls kommt. Selwyn berichtet aus seinem Leben und einem Bergführer Naegeli, dem ere sehr zugetan war und der bei Beginn des Krieges 1914 tötdlich verunglückt. Dann wird eine Diaschau über die Reisen Sldwyns uns seines Freundes vorgeführt.
Im Mai 1971 zieht das Paar aus, weil Clara kurzerhand Haus kaufte, vor dem zwei Weiden stehen und wo Dr. Selwyn regelmäßige Besuche abstattet.
Er erzählt, als Clara in der Stadt ist, dem Erzähler sein Leben. Im Spätsommer nimmt Selwyn sich mit einem Jagdgewehr das Leben.
Am 23 Junli 1986 liest der Erzähler auf der Bahnfahrt von Zürich nach Lausanne, dass die Leiche Naegelis nach 72 Jahren am Oberaargletscher zutrage gebracht wurde.
Icherzähler DR. K.s BADEREISE NACH RIVA [SG 161ff]
(gibt es nicht): Lediglich als Leser ("wir, die Leser" und "kommt es mir vor") taucht ein "Ich" auf ( 188) und erklärt, dass Dr. K. die Geschichte des
Jägers Gracchus ersonnen habe
Icherzähler IL RITORNO IN PATRIA [SG 193ff]
anonymer Erzähler - Eltern aus W. und dem bayerischen Wald stammend - ist in W. im Seefelderhaus, in dem der Großvater
die Dachwohnung hatte, geboren.
1987 verbringt er die Oktoberwochen, nachdem er die ausgehenden Sommermonate in Verona beschäftigt war
(Anspielung auf " ALL'ESTRO" - siehe
, in einem weit oberhalb
Brunecks gelegenen Hotel. Fasst den Entschluß, nach England zurückzukehren, vorher aber noch eine gewisse Zeit nach W.
zu fahren, wo er seine Kindheit verbracht hat. Fährt mit dem Bus über von Innsbruck bis Oberjoch und geht dann zu Fuß
nach W. Anhand der besuchten Örtlichkeiten berichtet er von Personen und Begebenheiten wie aus der Schulzeit und
gehörten Geschichten während seiner Kindheit. Kommt im Engelwirt unter, wo die Familie mehrere Jahre im ersten Stock
gewohnt hatte - gibt sich als Auslandskorrespondent aus England au Nach etwa 10 Tagen besucht er Ludwig Seelos,
einen Bekannten aus der Kindheit, der in ihm ein Ebenbild des Großvaters sieht.
Bis Anfang Dezember in W., fährt er mit Zug durch das Rheintal über Hoek van Holland nach England,
begegnet der Winterkönigin, besichtigt in London in der Nationalgalerie Pisanellos San Giorgio con cappello
di paglia und fährt von Liverpool Station nach Nordosten in das offene Land.
Icherzähler KLEINE EXKURSION NACH AJACCIO [CS 7ff]
Anonymer Icherzähler verbringt im September 1994 zweiwöchige Ferien auf Kosika. Fährt mit Linienbus
die Westküste hinab nach Ajaccio. Stelt sich vor, dort zu wohnen, besucht das Museée Fesch
und die Casa Bonaparte. In den Abendstunden sitzt er zwei Stunden in einem kleinen Restaurant,
um 10 ist er in seinem Hotel und hört eine Bombenexplosion.
Icherzähler LA COUR DE L'ANCIENNE ÉCOLE
[CS 51ff]
Dem anonymen Icherzähler wird das Bild im "Dezember vergangenen Jahrs"
zugeschickt mit der Aufforderung, er möge sich etwas dazu Passendes ausdenken.
Dies fällt ihm schwer und Ende Januar ist es verschwunden und vergessen. Nach einer gewissen
Zeit kommt es in einem Brief aus Bonifacio zurück. Die Verfasserin hat es erkannt und
macht dazu Ausführungen. Der Erzähler habe es kommentarlos einem Brief vom 27. Januar beigelegt.
Vergl.
Icherzähler MAX FERBER [AW 217ff]
Anonymer Erzähler ist bis zu seinem 22. Lebensjahr nie weiter als 5 oder 6 Zugstunden von zu Hause weg gewesen. Entschließt sich
1966 im Herbst, nach England überzusiedeln. Kommt im Appartement "AROSA" in Manchester unter. Erkundet sonntags Manchester,
in der Nähe des Hafens stößt er auf das Atelier des Malers Max F. An einem Sommerabend 1967 geht er mit F. am Ufer des Schiffahrtskanals entlang. Irgendwann erzählt ihm F. seine Lebensgeschichte.
1969, nach Beendigung seiner Forschungsarbeiten, gweht er in die Schweiz, um in den Schuldienst einzutreten.
Nach einem Jahr kehrt er nach England zurück, um in Norfolk eine ihm in vieler Hinsicht zusagende Stellung anzunehmen. Er denkt, "F sei untergegangen in seiner Arbeit". Ende November entdeckt er zufällig in der Londoner Tate Gallery ein Bild F.und findet einen Bericht über ihn in einem Sonntagszeitungsmagazin. Er fährt mit dem Zug nach Manchester und redet 3 Tage mit F. (auch über des Erzählers fehlgeschlgenen Versuch, in einem deutschen Kulturinstitut in Münchner Fuß zu fassen). F. übergibt ihm die nachgelassenen Blätter seiner Mutter Luisa Lanzberg, die der Erzähler auszugsweise wiedergeben will.
Aus diesem Anlass fährt er Ende 1991 nach Steinach und Kissingen, besucht dort den Judenfriedhof. Er spürt in zunehmendem Maß, "daß die rings mich umgebende Geistesverarmung und Erinnerungslosigkeit der Deutschen, das Geschick, mit dem man alles bereinigt hatte, mir Kopf und Nerven anzugreifen begann." Er beschließt, seine Abreise vorzuverlegen, berichtet noch über eine Fahrt mit dem Motorboot zur Saline, auf der er mit der türkischen Bootsführerin ins Gespräch kommt. In den Wintermonaten 1990/91 arbeitet er an den Wochenenden und nachts an der
Geschichte F.s, wird aber mehr und mehr von einem Skrupulantismus gequält, sowohl wegen des Gegenstands der Erzählung wie wegen der
Fragwürdigkeit der Schirftstellerei überhaupt. Mit seinem Zögern, eine Fassung an F. zu übersenden, erreicht ihn die Nachricht, F. liege mit einem
Lungenempyhsem in einer Klinik in Manchester. Er besucht ihn dort in einem Männersaal mit mehr als 20 Betten, übernachtet im 5. Stock des Midland Hotels, wo F. in seinen letzten Jahren eine Suite gemietet hatte. Dem Erzähler kommt es vor, als höre er Musik aus seiner Zeit 1966/67
in Manchester und auf der vorgestellten Bühne erscheinen ihm Bilder aus einer Ausstellung (vom Ghetto Litzmannstadt, die der dort tätige Genewein aufgenommen hat).
Icherzähler PAUL BEREYTER [AW 39ff]
Des anonymen Erzählers Familie zieht 1952 vom Dorf W. in die 19 km entfernte Kleinstadt , die dem auf dem Dorf Aufgewachsenen
wie eine Großstadt anmutet, denn - seit er in München war , sind Schutthalden, Brandmauern und leere Fensterlöcher mit dem Wort Stadt
verbunden. Er tritt in die dritte, von B. geführte Klasse ein. Anhand vieler eigener Erinnerungen an B. schildert er dessen ungewöhnlichen Unterrichtstil und besondere Methoden (tiefgrefend anders als die seines sadistischen Vorgängers) wie Verhalten und späteres Leben einiger Mitschüler , seine Abneigung gegen die Kirche und sein klassisches (gepfiffenes) Repertoire.
Januar 1984 erfährt der Erzähler vom Tod B.s, der sich am 30. Dezember, eine Woche nach seinem
74. Geburtstag bei vor den Zug gelegt hat. Er beschäftigt sich immer häufiger mit B., fährt nach zu Nachforschungen, wo er seit seinem
Schulabschluss nur noch selten war. In der Schule hatten sie nur vom Paul gesprochen, wie von einem vorbildlichen älteren Bruder. Und doch wußte keiner, wer er war, Anlass für den Erzähler, sich wenn auch spät, ihm anzunähern.
Er malt sich den Suizid aus, trifft sich mit Lucy Landau, der Lebensgefährtin B.s, die er in Yverdon wiederholt besucht, und erfährt von ihr die ganze Wahrheit. Sie wundert sich nicht, daß der Erzähler trotz seiner Herkunft aus nicht weiß, dass B. "Dreiviertelarier" war und deshalb 1934 dem Schuldienst entfernt wurde.
Unbegreiflich ist dem Erzähler, dass B. 1939 nach Berlin zurückgeht und 6 Jahre Kriegsdienst leistet.
Icherzähler WIE DER SCHNEE AUF DEN ALPEN [NN 8]
Ein anonymer Icherzähler taucht jediglich in einem einzigen Nebensatz auf, wo
er unbefangen (und unerklärlich) behauptet, dem älteren Mann (alias Holbein, der besorgt nach dem Jüngling alias
Grünewald (St. Georg) blickt) - alias Dionysius - auf dem Bamberger Bahnhof begegnet zu sein (vgl. auch "Ausreise aus Bayern"
[LW 38])
Innerfern [CS 40]
vgl.
Irlam, Gracie [AW 224f, 264, 269]
* Urmston ca. 1928, Vermieterin des Icherzählers und Bordellbetreiberin des Etablissements "Arosa"
in einer Nebentraße der Great Bridgewaterstreet in Manchester, 1944 Heilsarmeemädchen.
Trägt einen rosaroten Morgenmantel aus Candlewickstoff. Findet sich mit ihren
Initialen im Titel des in der Tate Gallery hängenden Bildes Max Ferbers:
G.I. on her Blue Candlewick Cover und erneut als Flügelhornistin.
Jäger Gracchus [LW 57]
fragmentarische Erzählung Kafkas
von 1917 (posthum). In Riva am See kommt im Hafen eine Barke an. Eine Bahre, darauf ein Mensch mit verwildertem Äußeren, wird heraus getragen und in einem Haus, anscheinend Schule oder Knabeninternat, in ein Zimmer gebracht. Der Bürgermeister von Riva namens Salvatore tritt auf und begibt sich dort hinein. Eine große Taube hatte ihm nachts die Ankunft des Toten angekündigt. Der Mann auf der Bahre schlägt die Augen auf. Er sagt, dass er der tote Jäger Gracchus sei, der in Deutschland im Schwarzwald tödlich abstürzte, als er eine Gämse verfolgte. Er kann aber nicht im Totenreich ankommen. Sein Todeskahn verfehlte die Fahrt, vielleicht durch die Unachtsamkeit des Bootsmanne Dem Jäger Gracchus wäre der Tod sehr willkommen gewesen, aber er muss immer weiter durch die Welt segeln. In seiner Kajüte liegend, mit einem Frauentuch bedeckt, blickt er auf ein rätselhaftes Bild mit einem bewaffneten Buschmann, der mit seinen Speer scheinbar auf ihn zielt. Der Bürgermeister fragt nach der Schuld an dem Ganzen und auch, ob der Jäger in Riva bleiben wolle. Gracchus beantwortet beides nur vage mit seinem letzten Satz: ?Mein Kahn ist ohne Steuer, er fährt mit dem Wind, der in den untersten Regionen des Todes bläst.? Kafka hielt sich 1909 und 1913 in Riva am Gardasee auf. Namensvettern aus der römischen Geschichte, Volktribune: Die lateinische Bedeutung ?der Gnadenreiche? auf jemanden bezogen, dem ausdrücklich die Gnade des ersehnten Todes versagt wird? Wohl eher Anlehnung an 'gracchio', (ital. Dohle (tschech. Kavka)): Kafkas Identifizierung mit der Gestalt dieses Jägers
Judith [Luftkrieg und Literatur 133] [LL 109, 116f.]
eine der 6 Gestalten in Anderschs "Sansibar oder der letzte Grund"
, die alle nur das Ziel haben: Aus Deutschland zu verschwinden.
In Kellers
"Grünem Heinrich" ist dieser zwischen zwei Frauen,
Anna und Judith, hin- und hergerissen. Anna, die Tochter eines Lehrers, ein Mädchen in Heinrichs Alter, und Judith, eine etwa dreißigjährige schöne Witwe. Die zarte, engelhafte Anna erfüllt ihn mit romantischer, verklärender und idealisierender Liebe, die lebensfrohe, verführerische Judith erweckt seine Sinnlichkeit. Heinrich kann zu keiner der beiden Frauen eine Beziehung aufbauen und die Episode endet, ohne eine Auflösung zu finden, indem Anna zwei Jahre später stirbt und Judith nach Amerika auswandert
K., Dr [SG 165ff]
|