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Unterwegs auf Odysseus' Spuren oder Mozart-Fan oder Ulysses-Leser ?
Willkommen, Besucher Nr.
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Mit Homer, Mozart und James Joyce durchs Jahr - täglich eine Episode aus der Odyssee, der
Musik von Amadé und dem Buch Ulysses...
Amadés Werke: reine Musik -
Odysseus' Irrfahrten: von Homer in Hexametern erzählt -
Bloomsday: den 16. Juni 1904 in Dublin beschreibt James Joyce in den Kapiteln der Odyssee -
Miteinander verwoben: frappierende Übereinstimmungen und erstaunliche Anknüpfungspunkte. Heißt nicht Mozarts Vater Leopold (nicht unbedingt geliebt vom Sohn) und heißt nicht Bloom, der sich einen Sohn wie Stephen (James) wünscht, ebenfalls Leopold?
Und wieviel Kirchen- und Küchenlatein zitieren James Joyce und Mozart - alle, die das in der Schule (noch) gelernt haben, werden sich freuen ...
Mozart-Fans aus der ganzen weiten Welt versorgen YouTube mit Amadés Musik, ob aus Nord- oder Südamerika, Japan,
Russland, Europa. Beweis für die weltumspannende Faszination seines Genies....
Neugierig auf Don Giovanni, dessen letztes Abenteuer der Tod ist:
Dem Reisenden Erlösung, dem Nach-dem-Leben-Suchenden letzte Wahrheit.
Neugierig auf Leporello, die Kehrseite seines Herrn, Mitreisender und Mitgezeichneter.
Neugierig auf Odysseus, die Irrfahrten allen Lebens.
Neugierig auf Amadé, der diese und andere Figuren auf die Reise schickt, ihre
Hoffnungen, Ängste, Träume und Alpträume spürbar macht. Der seine Konflikte mit Autorität und Rebellion,
Liebe und Tod, Geborgenheit und Einsamkeit, Wahrheit und Lüge uns erleben lässt. Der die "innere Geschichte"
seines Lebens erzählt, selten konform mit den äußeren Umständen.
Und fasziniert von James Joyces Ulysses, kongenial von Hans Wollschläger übersetzt und von einem erstklassigen Sprecher-Team im Hörspiel des SWR und Deutschlandfunks vertont: 1.290 Minuten!
1967 hat Joseph Strick "Ulysses" verfilmt - einfühlsam und sehenswert (englisch).
Odyssee
Odysseus - auf seinen Spuren segelten wir jahrzehntelang im veilchenblauen Meer, und
über ihn soll Muse auf der ersten Zeile Auskunft geben - Odysseus, wer ist dieser Mann?
Ältestes und einflussreichstes Werk der Weltliteratur aus dem 8. Jahrhundert v. Chr.,
das handelt von den Abenteuern des Königs auf Ithaka und seiner Gefährten im Kampf um Troja und auf seiner überlangen Heimreise.
Hierzu ein persönliches Erlebnis aus jüngster Zeit:
Meine Tochter kauft sich für die Bahnfahrt anstatt der aktuellen Zeitung das Reclam-Heft mit der Odyssee, weil der Vater immer
die ersten Verse auf altgriechisch (und deutsch) laut auswendig rezitierte:
Sage mir, Muse, die Taten des vielgewanderten Mannes,
Welcher so weit geirrt, nach der heiligen Troja Zerstörung,
Vieler Menschen Städte gesehn, und Sitte gelernt hat,
Und auf dem Meere so viel' unnennbare Leiden erduldet,
Seine Seele zu retten, und seiner Freunde Zurückkunft.
Sie war ratlos, weil sie vor lauter unbekannter Figuren und seltsamer Handlung auf den ersten Seiten nichts über Odysseus erfuhr - sie
hat recht.
Die Bayern würden zu Odysseus sagen: »A Hund isser fei scho!«
Die ersten 4 Gesänge (von 24) erzählen so gut wie nichts über Odysseus, sondern von dessen Sohn Telemach und seiner Suche nach dem Vater.
Die Handlung um Odysseus setzt erst im 5. Gesang bei der Nymphe Kalypso ein - auch das nicht chronologisch -, die Odysseus seit sieben Jahren auf ihrer Insel
Ogygia festhält, ihm Unsterblichkeit und ewige Jugend in Aussicht stellt, aber dennoch nicht sein Herz zu fesseln
vermag - zu groß ist Odysseus' Sehnsucht nach seiner Frau Penelope, die er vor 20 Jahren verließ. Wir
begegnen Odysseus am Strand, quasi Aug in Aug mit seinem mächtigsten Widersacher, dem Meeresgott Poseidon.
Seefahrt tat auch in der Antike not, doch für die Griechen war das Meer damals ein Ort des Schreckens.
Den Hass des Poseidon hat Odysseus gleich zweifach auf sich gezogen: indem er das Poseidon heilige Pferd für
seine Kriegslist zur Eroberung Trojas missbraucht, und indem er den Poseidonsohn Polyphem blendet. Modern
ist die Odyssee aus mindestens zwei Gründen: weil es ein Buch der Liebe ist, mit starken und unvergesslichen
Frauenfiguren wie Kirke und Kalypso, Nausikaa und Penelope, und weil im Mittelpunkt dieses Epos ein Mensch
steht, der von so unbändiger Neugier getrieben ist, dass er selbst in den Hades hinabsteigt, um sie zu stillen.
Die - uneinigen - Götter und Halbgötter mit menschlichen Zügen wirken stets mit am ruhelosen Schicksal des listenreichen
Helden und einsamen Dulders. Durch die Himmel der Liebe und die Hölle der toten Seelen geht seine Reise. Er trifft Kikonen,
Lotophagen, Kyklopen, Laistrygonen, Sirenen, Phaiaken, Kirke und Kalypso, Skylla und Charybdis, durchsegelt Orkane,
erleidet Schiffbruch ...
War es ein oder sind es mehrere Verfasser?
Wie immer die Antwort auf diese Homerische Frage auch lautet: Der Sänger der „Odyssee“ muss besonders gut erzählen,
um seinen Zuhörern die bekannten Geschichten aus dem Troja-Sagenkreises schmackhaft zu machen.
Atemberaubend die Dramaturgie des Freiermords:
Der Erzähler pendelt zwischen gleichzeitigen
Ereignissen an verschiedenen Schauplätzen. In Lakedaimon sucht Telemach seinen Vater, die Götterversammlung
im Olymp beschließt dessen Heimkehr, Odysseus harrt derweil in der Grotte Kalypsos seines Schicksals.
Der Erzähler wechselt zwischen Perspektiven und Zeiten, lässt Teiresias die Zukunft voraussagen und
Odysseus den Phäaken in großer Rückblende seine Irrfahrten berichten.
Und immer hat eine Episode fast genau 30 Zeilen, mit denen der Sänger seine Zuhörer in Atem hält;
das Blog bringt jeden Tag eine davon. Hatten die antiken Sänger ihren Vortrag ebenfalls für ein Jahr geplant?
Der listenreiche Protagonist ist ein Trickser vor Gott Zeus, einer, der alle hinters Licht führt – den Kyklopen Polyphem,
dem er sich als „Niemand“ vorstellt, bevor er ihn blendet. Oder den getreuen Sauhirten Eumaios, dem er die Lügengeschichte
auftischt, er sei ein Ex-Troja-Kämpfer aus Kreta. Odysseus, ein kluger, sein Risiko kühl kalkulierender Politiker – ob er sich an
den Mast binden lässt, um dem Gesang der Sirenen zu lauschen, oder ob er lieber sechs Mann der Skylla opfert, als die
gesamte Besatzung an Charybdis zu verlieren. Verblüffend, wie selbstbestimmt und gewitzt Odysseus innerhalb
mythischer Zwänge agiert.
In neuzeitlich anmutender Subjektivität brennt Homer sein erzähltechnisches Feuerwerk ab. Irrfahrten und Odysseus’
verzögerte Heimkehr nach Ithaka haben sich mit spektakulären Bildern von Kampf, Schiffbruch und Rache tief ins kollektive
Bewusstsein gegraben.
Überall auf der Welt warten Menschen auf irgendetwas. Penelope ist Metapher für unentwegtes, hoffnungsvolles Warten und
Sehnen. Wie oft mag sie aufs Meer hinausgeschaut haben, immer in Erwartung, ein Segel könnte die Heimkehr des Odysseus
bedeuten. Ithaka als Wort, als Symbol, als Ziel einer Reise zu sich.
Und seit Heinrich Schliemanns Ausgrabungen ist der reale Hintergrund all dessen erwiesen, für Adorno ist Odysseus
der erste Charakter, der sich nicht den Göttern und dem Schicksal ergibt, sondern dagegen ankämpft, Herrscher wird
über das eigne Geschick, auferstanden am 16. Juni 1904 in Dublin als Leopold Bloom.
Kleiner Literaturhinweis:
Hanns-Josef Ortheil schildert in seinem Buch Die Mittelmeerreise: Roman eines Heranwachsenden
wunderbar, wie ein Schüler die Odyssee-Lektüre erlebt - lesenswert!
Wie bei Odysseus sind auch bei Mozart die nahtlos aneinandergefügten Reisen Sinnbild seines von Ruhelosigkeit
geprägten Lebens. 1763, im Alter von sieben Jahren, bricht Amadé zur ersten großen Konzerttournee durch Europa auf,
der geschäftstüchtige Vater hetzt ihn durch Europa: Salzburg, Wien, Mannheim, London, Paris, Den Haag, Mailand,
Mantua, Rom.
Die Kulissen seiner Kindheit und Jugend sind harte Postkutschenbänke, derbes Gasthofsleben, fürstliche Festsäle,
gepuderte Hofdamen, das geborgene Familienleben fehlt. Eine Musikkultur, die sich von den Fürstenhöfen in die bürgerliche
Welt verlagert und unter wirtschaftliche Zwänge gerät, feiert ihr Wunderkind.
Wer ist dieser Mozart?
Menschen bekennen sich auch nach langer Beschäftigung mit seinem Werk noch immer als Suchende.
Warum klingt seine Musik so einfach?
Kluge Menschen von Hegel bis Hildesheimer sehen in Mozart Genie, gepaart mit Unvernunft und Unreife, im Film "Amadeus" ist er eher ein hysterischer Jüngling als ein rebellischer Mann.
Ein einfühlsamer Kurfürst sagt zu dem 25jährigen: "Man sollte nicht meinen, dass in einem so kleinen kopf so was großes stecke" ...
Hans Neuenfels rät:
"Bei Mozart musst du alles befragen, sonst kommst du zu keinem Genuss. Winzige Steinchen trägst du zusammen.
Du hortest Details. Du drehst die Steinchen um und entdeckst plötzlich eine andere Farbe, einen anderen Klang.
Du musst die Steinchen wiederholt ordnen. Du verlierst die Nerven, wirfst alles durcheinander. Da entdeckst du
ein neues Bild, und du und ich begreifen: Alles an Mozarts Musik ist abgefangen, abgeschöpft, abgerungen, erfunden,
erdacht, entdeckt, erobert, ja, auch ertrotzt, erraten, erfingert, gewagt und erspielt, und ebendieses inbrünstig
versteckte Vorher, dieses winzige Davor, dieses Stelldichein mit sich selbst, dieses närrische Nadelöhr,
durch das er genüsslich mindestens zwanzig fette Kamele ziehen lässt, treibt ihn liebestoll und todesmutig
in die Unfehlbarkeit."
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