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Boris Herrmann
Ich bin eher auf der ängstlichen Seite
2019 bringt Boris die Klimaaktivistin Greta Thunberg auf der Yacht Malizia II von Plymouth nach New York City, wo sie beim Klimagipfel während der Generalversammlung der Vereinten Nationen an Gesprächen über die Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen teilnehmen will.
2020/2021 nimmt Boris als erster Deutscher auf der Yacht Seaexplorer (ex: Malizia II) an der Vendée Globe teil, die am 8. November 2020 startet. Im Südpolarmeer beteiligt er sich an der Such- und Rettungsaktion für Kevin Escoffier, dessen Boot zerbricht.
"Hey, ich bin Boris Herrmann. Ich segele einmal alleine um die Welt. Non Stop. Ich liege gerade in der Koje. Ist ziemlich anstrengend alles hier."
So ein Zitat von Bord. Es ist ein Abenteuer. Rund um den Globus. Die Naturgewalten werden unerbittlich sein.
"Die ersten Tage so einer Reise sind immer ein Auf und AB. Und ein Zweifeln. Warum bin ich weiter hinten als vorne? Warum mache ich das überhaupt alles? Und wie lange wird das um meines Gottes Willen alles dauern?
Natürlich ist kein Tag wie der andere. In ein paar Tage habe ich meinen Rhythmus gefunden. Und werde mich an Bord auch fühlen. Und in den Flow kommen. Und zuversichtlich sein. Und dann auch ein Auge haben für die Schönheit der Natur. Ja, und alle Entbehrungen einmal hinzunehmen, das bedeutet auch, dass man wieder mal versteht, wie gut es uns eigentlich geht, was wir alles haben."
Sonntag, 8.November Les Sabales-d'Olonne. Seine letzten Schritte an Land. 33 Schiffe laufen aus. So viele wie nie zuvor. 27 Männer - und 6 Frauen. Boris Herrmann ist der erste Deutsche bei dieser härtesten Regatta der Welt. Er startet für den Yachtclub Monaco. Über den Atlantik ist er schon 10 Mal gesegelt - aber nie allein.
Von der französischen Atlantikküste 24.000 sm rund um den Globus. Der Weg entlang der brasilianischen Küste ist zwar etwas länger. Aber deutlich schneller. Ums Kap der guten Hoffnung führt die Route nördlich der Eisgrenze durch das Südpolarmeer, an Australien und Neuseeland vorbei - in den Pazifik. Um das Kap Horn wieder in den Atlantischen Ozean. Und dann auf die Zielgerade - zurück nach Les Sables-d’Olonne, dem Department Vendée, nach dem das Rennen benannt ist.
Die Boote bei der Vendée Globe sind Geschosse aus Kohlefaser. 18 Meter lang. Sechs Meter breit. Das Gewicht liegt bei 8 t. Die Segelfläche hat die Größe von zwei Tennisplätzen - übereinander, maximale Geschwindigkeit 35 kn.
Die meiste Zeit verbringt Boris unter Deck, kontrolliert die Instrumente. Die Einstellung der Flügel. Radar. Wetter. Den Autopiloten. In der Regel schläft er nicht länger als eine Stunde am Stück. Eher in kleinen Etappen. Das übt er schon seit Jahren.
"Einschlafen ist gar nicht so leicht, wenn es so doll zur Sache geht. Und wenn man auch angespannt ist. Ich habe das eigentlich viel trainiert. Autogenes Training etc. Aber irgendwie kann ich es gerade nicht so gut anwenden. Es ist doch alles sehr überwältigend."
Komfortabel ist gar nichts auf dieser Tour. Selbst Erholung mühsam. Ein Schlafdefizit will er auf jeden Fall vermeiden. Denn aufkommende Müdigkeit wäre fatal: Überbordgehen wäre ziemlich sicher tödlich.
Süchtig nach Segeln - Driven by the Sea
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Süddeutsche 30.12.2020:
Wo Satelliten ins Wasser stürzen
Der Himmel ist so leer wie das Meer, nur Albatrosse und Weltraumkapseln kommen hierher. "Wir sind den Astronauten näher als den Menschen auf der Erde", sagt der Hamburger Skipper Boris Herrmann. "Point Nemo", der "Pol der Unzugänglichkeit" - dieser Fleck Wasser im Südpazifik, den die Segler der Vendée Globe in diesen Tagen passieren, trägt viele Namen. 2.688 km entfernt von Land und menschlicher Zivilisation liegt die Zone, Amerikaner und Russen lassen hier ihre Satelliten und Raumstationen vom Himmel stürzen, weil es so wunderbar einsam ist. Kein schlechter Ort während einer globalen Gesundheitskrise. Doch die Weltumsegler sind sich so nahe wie selten.
Bis auf 700 km haben die schwachen Winde die besten zehn Boote zusammengeschoben, so eng war diese Regatta um die Welt noch nie. Am Freitagmorgen war Boris Herrmann sogar vorbeigezogen an dem französischen Seebären Jean Le Cam. Dritter auf halber Strecke, "davon hätte ich nie geträumt", jubelte der 39-jährige Hermann. Doch mittlerweile ist der erste Deutsche bei der Vendée Globe wieder zurückgefallen. Die Deutsch-Französin Isabelle Joschke setzt ihre verblüffende Fahrt fort und liegt auf Platz fünf.
33 Skipper sind am 8. November in Frankreich gestartet, sechs mussten schon aufgeben, denn die Ozeane sind unbarmherzig und die Regeln hart: Über 45 000 Kilometer müssen sie alleine, ohne Stopp und ohne fremde Hilfe bewältigen. Bei günstigen Bedingungen können die neuesten Schiffe übers Wasser fliegen, die Hälfte der Boote haben Tragflügel links und rechts des Rumpfes, soweit die Theorie. Aber meist blieben entweder die Winde aus, oder Stürme peitschten die Wellen zu haushohen Wänden; so konnten die Favoriten ihren Vorteil noch nicht ausspielen.
Gerade die Spitzenkräfte scheinen ihrem Tempo Tribut zollen zu müssen: Der Brite Alex Thomson, der das Feld durch den Atlantik anführte, musste früh aufgeben, nachdem er sein Boot mitten durch schwere Stürme brettern ließ. Der Franzose Kevin Escoffier verlor, auf Platz drei liegend, sein Schiff in den Wellen vor dem Kap der Guten Hoffnung, sein Konkurrent Jean Le Cam fand ihn erst nach zwölf Stunden auf einer Rettungsinsel im Wasser. Die Britin Samantha Davies schleppte sich nach Kapstadt, nachdem sie offenbar mit einem Wal kollidierte. Auch Nicolas Troussel (Mastbruch) und Sebastien Simon (Tragfläche und Ruder beschädigt) mussten ihre Segel streichen.
Meist schaffen es nur die Hälfte der Boote ins Ziel, das hat die Vergangenheit gezeigt. Auch deshalb ist Herrmann vorsichtig: "Ich will im Moment keinen groben Fehler machen", so lautet seine Strategie. "Bestimmt gibt es Verschleiß, den ich noch nicht sehen kann", glaubt Herrmann, aber im Moment könne das volle Potential seiner Seaexplorer ausgeschöpft werden.
Nach den Schwachwinden zuletzt schippert das Feld der Rekordfahrt vor vier Jahren hinterher, als es in 74 Tagen um die Welt ging. Die Ankunft ist diesmal für Ende Januar geplant. Allerdings hat Herrmann wie die meisten nur Proviant für 80 Tage an Bord. "Wenn immer etwas übrig bleibt, kann ich noch zehn weitere Tage durchkommen", rechnet er vor.
"Arg zu kämpfen" habe er mit der Einsamkeit, berichtete Herrmann vor Weihnachten in einer seiner wöchentlichen Videoschalten. Zum Fest hatte er eine Lichterkette aufgehängt und spielte die Sprachnachrichten seiner Familie ab, "das war wirklich schön", erzählt Herrmann in seinem Youtube-Tagebuch, "ich musste auch ein bisschen weinen".
Alleine auf hoher See wird der Kopf zur Echokammer, in der sich die Gefühle verstärken, weil man mit niemanden seine Erfahrungen teilen kann. Das beschäftigt auch Herrmann: "Ich muss immer noch lernen, alles mit mir selbst abzumachen." Senden auf allen Kanälen, das scheint sein Rezept zu sein gegen die Einsamkeit. Sogar eine Whatsapp-Gruppe hat er mit den anderen Seglern schon gegründet, in der er zuletzt einem Rivalen zuredete, bloß nicht aufzugeben. "Das bringt uns zusammen", sagt Herrmann.
Und so erlebt die Vendée Globe ein Rennen, in dem die Konkurrenten sich so verbunden sind wie selten und in dem die Außenseiter überraschen. Wie der zweifache Paralympics-Sieger Damien Seguin, der mit nur einer Hand sein scheinbar technisch unterlegenes Schiff steuert und den Anschluss an die Spitze hält. Oder sein Förderer Jean Le Cam, immerhin schon 61 Jahre alt. Der bretonische Skipper hat gerade einen Orden der französischen Ministerin für maritime Angelegenheiten bekommen für seine spektakuläre Rettungstat vor dem Kap der Guten Hoffnung. Er liefert sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit Boris Herrmann.
Doch vor dem Feld liegt nun das Kap Hoorn, ein Felsmassiv, das wie der Schwanz eines Skorpions ins Wasser ragt. In gut einer Woche sollten die Führenden es erreichen. Wie gefährlich es hier ist, weiß Le Cam: Er selbst kämpfte in diesem Gebiet um sein Leben, als er mit seinem Schiff vor zwölf Jahren kenterte, bis ihn ein Konkurrent aus dem Wasser zog. Nach dem Kap Hoorn wartet wieder sicherere, wärmere See, glaubt Boris Herrmann. Er sagt: "Lasst uns diese kommenden sieben Tage bestehen."
© SZ Thomas Gröbner
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