Auf der steinernen Brücke kurz vor den ersten Häusern von
W . blieb ich lange stehen
Hintergrund W.
(Il Ritorno in patria)
Sebalds Biografin Carole Angier ('Speak, Silence' )
wird fündig in Wertach:
1. W. ist nicht Wertach, sondern ein imaginärer Ort, der nur im Kopf des Erzählers existiert. Sebald erreicht diese Distanz, indem er Erfindungen und literarische
Anklänge in seinen Text einwebt, vor allem von Kafka, und zwar in einem Maße, dass in ihnen fast so viel Kafka wie Sebald steckt. Andreas Isenschmid:
"Sebald hat gewissermaßen seine Autobiographie kafkaisiert."
Der Erzähler von Il Ritorno in patria ist Sebald und ist es nicht.
2. Schulkameradinnen Sebalds Lore, Erni und Irmgard.
Angier trifft sich mit ihnen 2015 in Wertach. Sie erzählen davon, wie 1990 die Lokalzeitung 21 Episoden aus Il Ritorno in patria abdruckt.
Die Schimpftiraden über die Tiroler amüsieren die Wertacher, an die Aufführung "Die Räuber" erinnern sie sich genau.
Dann beginnt der Ärger mit den Unwahrheiten: Lukas hatte keine gichtigen oder verkrüppelte Hände, Wertacherinnen haben keine dünnen Zöpfe.
Aber als Lukas alt war, hatte er tatsächlich eine durch Arthritis deformierte Hand - Sebald dramatisiert das wie üblich, aber es ist im Wesentlichen wahr.
3. Wahrheiten verdreht: Romana war so hübsch, wie Sebald sie beschreibt. Sie hatte eine Affäre, aber nicht mit einem Jäger,
sondern dem Wirt der Weinstube Steinlehner, der Schigulla hieß, tatsächlich auch nur ein Bein und einen Jungen von Rosi hatte.
Die Geschichte von der Wunde in seinem Bein und von seiner Frau ist wahr. Aber das hätte Winfried, da sind sich die Mädel einig, nicht hätte erzählen sollen.
Jemand will wissen, dass die Sexszene - der Jäger mit Romana, sie ist echt - von einem anderen Autor stammt. Der Jäger ist tatsächlich gestorben,
und es gab alle möglichen Gerüchte darüber. Mord? Schigulla Verdächtigter?
4. Dr. Rambousek hieß Dr. Dolleschel und war morphiumsüchtig.
5. Lukas: Hieß nicht Seelos sondern Lukas Berger. Er war früher ein guter Freund der Sebalds. Alle Geschichten in Il Ritorno in patria kommen von ihm,
die Wertacher sind noch wütender auf Lukas als auf Sebald - es endet mit Bitterkeit für alle, nur um einer Geschichte willen.
Karl Berger - von ihm stammt dieses Foto - war besonders wütend. Sebalds Mutter sicherte immer wieder zu, er werde es zurückschicken, aber er tat es nie.
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