Das Zitherspielen ist für mich eine schlimme Plage gewesen und die Zither selbst eine Art Folterbank,
an der man sich vergebens verrenkte und die einem die Finger krumm werden ließ,
von der Lachhaftigkeit der für die Zither geschriebenen Stückchen ganz zu schweigen.
Nur ein einziges Mal, am Beschluß, wie es sich erweisen sollte, meiner dreijährigen Zitherlehrzeit,
habe ich das mir in zunehmendem Maße verhaßte Instrument freiwillig aus seinem Kasten genommen,
als der von mir über alles geliebte Großvater während des ersten Föhnsturms
nach dem sibirischen Winter sechsundfünfzig im Sterben lag und ich ihm, der halb schon hinübergedämmert war,
die paar Sachen vorspielte, die mir nicht von Grund auf zuwider gewesen sind, zuletzt, wie ich noch weiß, einen langsamen Ländler
in C-Dur, der mir beim Spielen bereits, so will es mir jetzt in der Erinnerung erscheinen, so zeitlupenhaft zerdehnt vorgekommen ist,
als dürfte er nie ein Ende nehmen.
Ich denke nicht, daß ich damals, als Zwölfjähriger, habe erahnen können,
was ich viel später in einer der Studien Sigmund Freuds, wenn ich mich nicht täusche,
gelesen habe und was mir sogleich einleuchtete, nämlich daß das innerste Geheimnis der Musik eine Geste
sei zur Abwehr der Paranoia, daß wir Musik machen, um uns zur Wehr zu setzen gegen die Überflutung durch die Schrecken
der Wirklichkeit. Jedenfalls habe ich mich von jenem Apriltag an geweigert,
weiter in die Zitherstunde zu gehen oder die Zither auch nur einmal noch anzurühren.