Cohens Hinwendung zu religiösen Themen erreicht im 1984 nach einer längeren Pause erschienenen Album Höhepunkte.
"If It Be Your Will" hat Cohen selbst als seinen besten Song bezeichnet. Von den Selbstzweifeln der frühen Alben
ist weniger zu spüren.
If it be your will, that I speak no more
And my voice be still, as it was before
I will speak no more, I shall abide until
I am spoken for, if it be your will
If it be your will, that a voice be true
From this broken hill, I will sing to you
From this broken hill
All your praises they shall ring
If it be your will, to let me sing
From this broken hill
All your praises they shall ring
If it be your will, to let me sing
If it be your will, if there is a choice
Let the rivers fill, let the hills rejoice
Let your mercy spill
On all these burning hearts in Hell
If it be your will, to make us well
And draw us near and bind us tight
All your children here, in their rags of light
In our rags of light, all dressed to kill
And end this night, if it be your will
If it be your will
Ist es dein Wunsch, dass ich verstumme
Und meine Stimme schweigt, wie es war,
Werde ich verstummen und schweigen bis
Ich erlöst bin, so du es willst.
Ist es dein Wunsch, dass eine Stimme wahr spreche,
Singe ich zu dir von diesen Hügeln.
Von diesen Hügeln
Aller Lobpreis erklinge
Wenn du wünschst, dass ich singe.
Von diesen Hügeln
Aller Lobpreis erklinge
Wenn du wünschst, dass ich singe.
Ist es dein Wunsch, wenn du es vermagst
Lasset die Wasser fließen, die Berge erklingen.
Deine Gnade überwalle
All die Herzen in der Hölle dösen
Wenn es dein Wunsch ist, uns zu erlösen.
Nimm uns auf und halte uns dicht
Deine Kinder all, im Tuch aus Licht.
Wir im Engelsgewand in der strahlenden Tracht
Ist es dein Wunsch, beende die Nacht.
Wenn du es wünscht.
Dance me to the end of Love
2009 schreibt Johannes Riess im Blog des Österreichischen Jüdischen Museums anlässlich eines Konzerts von Cohen:
Am 26. August 1943 wurden aus Krimilew im südlichen Polen 400 Juden in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert. Am selben Tag wird das Ghetto
von Zawiercie bei Kattowitz liqudiert, die Juden ebenfalls ins Vernichtungslager von Auschwitz gebracht.
Mitte 1943 wurde auch auf Befehl der SS das Mädchenorchester im Frauenlager Auschwitz-Birkenau aufgebaut.
Geleitet wurde es von der berühmten österreichischen jüdischen Geigerin Alma Rose, der Nichte von Gustav Mahler.
Ein Männerorchester gab es in Auschwitz schon seit Jänner 1941. Die Musik wurde von den Nationalsozialisten befohlen, die Orchester,
die es in fast allen Konzentrationslagern gab, mussten einerseits für gute Laune unter der SS sorgen und andererseits spielen, wenn neue
Transporte ankamen.
Seit ich (musikalisch) denken kann, liebe ich die Lieder von Leonhard Cohen, höre sie immer und immer wieder.
Ich bin kein Musikspezialist oder gar -kritiker, mir gefällt ganz einfach seine Musik und sie berührt mich, mir gefällt seine Lyrik, ich liebe
das schwermütige Timbre seiner Stimme.
Leonhard Cohen zitiere ich seit vielen Jahren bei Führungen im Museum jedes Mal, wenn über das Wort „Kohen“ (Plural ‚Kohanim‘, Priester)
gesprochen wird, als Beispiel dafür, dass man am Namen (Kohn, Kahn, Cohen, Katz – Kohen Zedek ‚gerechter Priester‘ usw.) die priesterliche Tradition,
in der der Namensträger steht, erkennen kann. Und fast jedes Mal registriere ich, dass mein Beispiel bei vielen jungen Besucherinnen/Besuchern
so gar nicht ankommt, weil sie Leonhard Cohen offensichtlich nicht (mehr) kennen …
Ich liebe die Lieder von Leonhard Cohen nicht wegen ihrer jüdischen und/oder zeitgeschichtlichen Interpretationen (ich mochte sie schon, als
ich die Zusammenhänge noch gar nicht begriff), ich glaube aber, dass es faszinierend ist, diese Zusammenhänge zu kennen. Sie graben sich ins Gedächtnis
ein und ich höre heute manche Lieder von Leonhard Cohen nicht weniger gern, aber anders.
In einem Interview erzählt Cohen die Entstehungsgeschichte seines Liedtextes "Dance me to the end of Love", insbesondere der Textzeile
"Dance me to your beauty with a burning violin":
... es ist merkwürdig, wie Songs beginnen, denn der Ursprung des Songs, jedes Lieds, hat eine Art Korn oder Samen, die dir jemand gibt oder
die dir die Welt aushändigt, und das macht den Vorgang des Liedschreibens so mysteriös.
Das kam genau davon, dass ich hörte oder las oder wusste, dass in den Todeslagern ein Streichquartett neben dem Krematorium zu Aufführungen
gezwungen wurde, während dieser Horror vor sich ging, und für diese Menschen war dieser Horror ebenfalls ihr Schicksal. Sie würden klassische
Musik spielen, während ihre Mitgefangenen getötet und verbrannt wurden.
Und so bedeutet diese Musik "Dance me to your beauty with a burning violin" die Schönheit, die in der Vollendung des Lebens, im Ende dieser
Existenz, im leidenschaftliche Element dieser Vollendung liegt.
Aber es ist dieselbe Sprache, die wir verwenden, um uns dem Geliebten zu ergeben, so dass es nicht wichtig ist, dass irgendjemand die Entstehung
davon kennt, denn wenn die Sprache aus dieser leidenschaftlichen Quelle stammt, ist sie in der Lage, alle leidenschaftliche Aktivität zu umfassen
1) Anspielung auf Bathseba, die Frau Urijas, die David ihm ausgespannt hat
2) Anspielung darauf, dass zur Strafe Davids Reich nach seinem Tod in zwei Teile zerbrach
3) Anspielung auf Dalilah, die Samson seine langen Haare abschnitt,
in denen das Geheimnis seiner übermenschlichen Kraft lag
Und als das Jahr um war, zur Zeit, da die Könige ins Feld zu ziehen pflegen, sandte David Joab und seine Knechte mit ihm und ganz Israel, damit sie das Land der Ammoniter verheerten und Rabba belagerten. David aber blieb in Jerusalem. Und es begab sich, dass David um den Abend aufstand von seinem Lager und sich auf dem Dach des Königshauses erging; da sah er vom Dach aus eine Frau sich waschen; und die Frau war von sehr schöner Gestalt. Und David sandte hin und ließ nach der Frau fragen und sagte: Ist das nicht Batseba, die Tochter Eliams, die Frau Urias, des Hetiters? Und David sandte Boten hin und ließ sie holen. Und als sie zu ihm kam, schlief er bei ihr; sie aber hatte sich gerade gereinigt von ihrer Unreinheit. Und sie kehrte in ihr Haus zurück. Und die Frau ward schwanger und sandte hin und ließ David sagen: Ich bin schwanger geworden.
Zur Strafe Davids zerbrach das Reich nach seinem Tod in zwei Teile.
John Cale Brüssel 1992:
"Hallelujah", das meistgecoverte Lied der Welt: Über drei Jahrzehnte ändert Leonard Cohen immer wieder die Verse.
Was sich dahinter verbrigt, recherchiert Rose-Maria Gropp 2017 in ihrem Blog - und viele Leser helfen mit
Bernice Ehrlichs 'Coronalied'
1988 schreibt Cohen zusammen mit Jennifer Warnes und Bill Elliott das Lied der Bernadette:
Hallelujah 1988
Und am 17. Mai 2010 singt Lenny
People, I didn’t come to Lörrach (da fand das Konzert statt!) to fool you
Bob Dylan hat "Hallelujah" 1988 gecovert
Das schrieb die Süddeutsche zu Cohens Tod:
Seinen bekanntesten Song konnte Cohen selbst irgendwann nicht mehr hören.
Hommage an ein vernichtend hoffnungsvolles Lied.
Es ist schwer, sich von Gemeinplätzen fernzuhalten in diesem Jahr. Hält man sich von ihnen fern,
ist nicht viel zu sagen. Der Tod ist eine Sache der Sprachlosigkeit.
Spricht man doch - es kann angemessen sein. Man könnte sagen "Leonard Cohen ist gestorben", man könnte sagen
"Einer der größten Musiker unserer Zeit", man könnte ihm irgendwelche Wünsche und Dankesbezeugungen mit auf dem
Weg geben. Man könnte versuchen, seine Bedeutung einzuordnen, seine großen Songs aufzählen, die üblichen
Geschichten erzählen. Doch zum Glück kann zuweilen Musik übernehmen, da, wo man nichts sagen will oder kann:
Sondern hören.
Das Lied, das in diesem Moment wohl viele hören, sein bekanntestes, meist zitiertes, ist "Hallelujah".
Es ist, auch das ist tröstlich, ein zugleich vernichtendes und hoffnungsvolles, ein in seinem Ernst humorvolles Lied.
"The fourth, the fifth, the minor fall and the major lift," dazu die Akkorde F - G - Am - F, je nach Version, und die
rhetorische, fast alberne Frage: "But you don't really care for music, do you?"
Es heißt, Cohen selbst habe 80 Strophen geschrieben. Der Song wurde so oft gespielt, dass Cohen im Juli 2009
im Guardian darum bat, "Hallelujah" doch bitte eine Weile nicht mehr zu covern. "Ich habe gerade eine Rezension
des Filmes 'The Watchmen' gelesen," sagte er, "und der Rezensent schrieb 'Can we please have a moratorium
on Hallelujah in movies and television shows?'. Und es geht mir nicht anders. Es ist ein guter Song,
aber zu viele Leute singen ihn."
Dabei hatte es fünf Jahre gedauert, den Song zu schreiben - und 15, bis er berühmt wurde. Das Album,
auf dem "Hallelujah" war, "Various Positions", wollte Sony nicht einmal veröffentlichen.
Sie fanden es nicht gut genug. Erst Jeff Buckleys Version machte das Lied berühmt; Buckley,
der es nicht als eine Hommage an Gott sah, sondern als "das Hallelujah des Orgasmus".
Als eine "Ode an das Leben und die Liebe." Er zweifelte so sehr an seiner Version,
dass er hoffte, Cohen würde sie niemals hören (ein Wunsch, der wohl unerfüllt blieb).
Es wurde viel geschrieben über die Vermischung christlicher und sexueller Bilder im Song, darüber, wie in Cohens
Fassung Delilah Samsons Locken abschneidet. "She tied you to her kitchen chair, she broke your throne and she
cut your hair". Aber eigentlich ist es der Küchenstuhl, der die biblische Szene in die Gegenwart versetzt,
und das Lied wird wohl noch gegenwärtig sein, wenn es schon eine Weile keine Küchenstühle mehr gibt.
Und bis dahin?
"Ich glaube nicht, dass ich jemals unter den Sternen verweilen werde. Ich glaube nicht,
dass ich jemals einen Lorbeerkranz haben werde. Ich glaube nicht, dass Geister erotische Botschaften
in mein warmes Haar flüstern werden. Ich werde nie eine anmutige Art finden, einen braunen Lunchbeutel
auf einer Busfahrt zu tragen. Ich werde zu Beerdigungen gehen, und sie werden mich an nichts erinnern",
schrieb Cohen in seinem Buch "Beautiful Losers".
In vielen Dingen hatte er recht, in manchen nicht. Er weilt jetzt unter den Sternen. Es wird noch viele
Coverversionen von "Hallelujah" geben. Viele Beileidsbekundungen, echte und leere. Cohen war immer für
beides, für das Hässliche und das Schöne, das Hohe und das Profane. Vielleicht ist sein Tod ein
Anlass, ein Zeichen zu setzen - für die Schönheit und gegen die Herrschaft des Geschwätzes,
das alles hässlich macht. Das liegt letztlich in der Gewalt der Hörenden.
Denn um eine rhetorische Frage zu beantworten, "But you don't really care for music, do you?" Doch,
tun wir. Wer nicht?