1998

Ballade vom Mazeppa



Mit eigenem Strick verstrickt dem eigenen Pferde
Sie schnürten ihn Rücken an Rücken dem Roß
Das wild aufwiehernd über heimatliche Erde
Gehetzt in den dunkelnden Abend hinschoß.

Sie schnürten ihn so, daß den Gaul der Verstrickte
Im Schmerz noch aufpeitschte durch sinnloses Zerrn
Und so, daß er nichts, nur den Himmel erblickte
Der dunkler ward, weiter ward, ferner als fern.

Wohl trug ihn der Gaul vor der hetzenden Meute
Blind und verzweifelnd und treu wie ein Weib
Ihm riß er, je mehr seine Feinde er scheute
Tiefer den Strick im blutwäßrigen Leib.

Auch füllte sich abends dann seltsam der Himmel
Mit fremdem Gevögel: Kräh und Geier, die mit
Lautlosem Flug und dunklem Gewimmel
Im Äther verfolgen den keuchenden Ritt.

Drei Tage immer gehetzter und schneller
Drei Ewigkeiten lang war die Fahrt
Wo der Himmer bald dunkler und wo er bald heller
Doch immer unermeßlicher ward.

Drei Tage will er zum Sterben sich strecken
Er kann's nicht im Flug zwischen Himmel und Gras
Und die Geier lauern schon auf sein Verrecken
Und sehnen sich wild auf das lebende Aas.
Drei Tage, bis seine Stricke sich sträubten -
Grün war der Himmel, und braun war das Gras!
Ach! es rauften wohl immer zu seinen Häupten
Kräh und Geier sich schon um das lebende Aas!

Und ritt er schneller, sie folgten ihm gerne.
Und schrie er lauter, sie schrien mit.
Beschattend die Sonn und Beschattend die Sterne
Verfolgten sie seinen keuchenden Ritt.

Drei Tage, dann mußte alles sich zeigen:
Erde gibt Schweigen und Himmel gibt Ruh.
Einer ritt aus mit dem, was ihm zu eigen:
Mit Erde und Pferd, mit Langmut und Schweigen
Dann kammen noch Himmel und Geier dazu.

Drei Tage lang ritt er durch Abend und Morgen
Bis er alt genug war, daß er nicht mehr litt
Als er gerettet ins große Geborgen
Todmüd in die ewige Ruhe eintrit.

Bert Brecht




Iwan Stepanowitsch Masepa (1639 - 1709).

Der Sohn aus einem rechtsufrigen Adelsgeschlecht der Ukraine studiert in Kiew und Warschau, wird Page am Hof von König Johann Kasimir von Polen und nach mehreren Jahren im Dienste des Königs und Reisen nach Westeuropa überrascht man ihn 1663 im vertrautem Umgang mit der Gattin eines Magnaten. Dieser bindet ihn nackt auf den Rücken seines eigenen Pferdes, dem man die Freiheit gibt. Übel zugerichtet wird er in die Ukraine gebracht, wo er in die Reihen der Kosaken eintritt. Später wählt ihn das Volk einhellig zum Hetmant.
Er festigt er seine Macht nach außen und innen, schützt die Grenzen gegen Einfälle der Türken und Tataren, fördert die orthodoxe Kirche und stärkt die Kosakenaristokratie. Er selbst besitzt an die 20.000 Güter, was ihn zu einem der reichsten Männer Europas macht. Er ist mit dem jungen Zaren Peter I. befreundet, dem er wichtige Dienste leistet.
Später wendet er sich gegen Russland, um die Ukraine zu befeien.
Er kämpft mit Karl XII. von Schweden gegen die Russen, verliert, flieht auf osmanisches Gebiet, wo er stirbt.

Nicht nur Brecht, auch viele andere Dichter, Komponisten, Maler und Filmer haben ihm Denkmäler gesetzt.
Masepa auf dem Zehn-Hrywnja-Schein: