uns as letzte Mal gesprochen habn. Vor über zwanzig Jahren bin ich an deinem Grab gestanden und hab mei ganze Wut rauslassen. Konnst di no erinnern, Willy, woaßt as no? Gestern habns an Willy daschlagn, und heit, und heit, und heit, heit werd a begrabn. Lange Zeit hab ich dieses Lied nicht mehr gesungen, Willy, und ehrlich gsagt, i hab koa rechte Lust mehr ghabt, mich um die Politik zu kümmern. Ma braucht a immer wieder seine Auszeiten, wo ma sich um sich selber kümmern muß, wo ma einfach uferlos vor sich hin leben will. Und dann hat sich alles so überstürzt. Mit einem Schlag sind die schönsten Utopien zerplatzt, innerhalb von einer Nacht hat sich die ganze Welt verändert. Und das war eine berauschende, eine wundervolle Nacht, wie die die Mauer zerschlagen haben. Ja, Willy, du hast schon richtig gehört, die Mauer ist weg, Deutschland ist wiedervereinigt. Wenigstens auf dem Papier. Aber man hat halt wieder alles falsch gemacht, was falsch zu machen war. Unsere Flottmänner haben in Windeseile die DDR aufgekauft, wildgewordene Versicherungsvertreter sind wie die biblische Heuschreckenplage über das Land hergefallen, und unsere Politiker, diese mutierten Gebrauchtwagenhändler, haben es wieder fallenlassen. Und drüben will sich jetzt keiner mehr daran erinnern, wie begeistert sie dem Kohl zugejubelt haben, weil er ihnen wunderschöne Videorecorder versprochen hat. Und jetzt: Arbeitslosigkeit und eine große Leere im Herzen. Der bunte Vogel Freiheit hat ganz schön die Flügel gestutzt bekommen, und die Mauer zwischen den Deutschen scheint unüberwindbarer als jemals zuvor. Aber wer ein Volk bescheißt und betrügt, der muß halt damit rechnen, daß es durchdreht. Und sie drehen alle durch, Willy, du kannst dir gar nicht vorstellen, was los ist. Deutschland brennt, Willy, und solche wie du sind rar geworden. Gestern habns an Willy daschlagn, und heit, und heit, und heit, heit fangt des ois wieder an. Hast as schreien ghört, in Rostock, Willy, du muaßts doch ghört habn, Ausländer, Asylanten, die Ärmsten und Schwächsten habn sich diese Feiglinge natürlich ausgesucht. Aber die dummen Buben waren gar nicht das Schlimmste, sondern diese ganze feixende und Beifall klatschende Meute, die drum rum gestanden ist. Ja, Willy, Beifall hams geklatscht, während über hundert Vietnamesen verzweifelt um Hilfe geschrien haben. Und vorher in Hoyerswerda, in Hünxe und dann in Mölln und, und, und... Weißt du noch, wie sie damals den Staat aufgerüstet haben gegen die RAF? Grad jetzt in München haben sie beim Weltwirtschaftsgipfel Armeen angekarrt, um den Staat gegen hundert Leut mit ihre Trillerpfeifen zu schützen, aber da ging's halt gegen hohe Politiker, wertvollere Menschen anscheinend, weil jetzt, jetzt macht die Polizei einen Schichtwechsel, wenn Vietnamesen abgefackelt werden und Neger aufgeklatscht. Abfackeln, aufklatschen, ja wo samma denn, Willy - und glaubst du, einer unserer Politiker hätte sich persönlich entschuldigt, nix da, als Antwort auf diese Schweinereien haben sie versprochen, das Asylproblem in den Griff zu bekommen - dem Mob recht geben, nur um an der Macht zu bleiben und die nächsten Wahlen zu gewinnen, pfui Deife, Willy, pfui Deife! Gestern habns an Willy daschlagn, und heit, und heit, und heit, heit fangt des ois wieder an. Gestern habns an Willy daschlagn, und heit, und heit, und heit, heit fangt des ois wieder an. Na, Willy, du bist schon nicht mehr allein mit deinem Schicksal, und vielleicht habt ihr euch im Himmel drobn sogar getroffen, der schwarze Amadeu und du, und er hat dir seine Geschichte schon verzählt, aber trotzdem, trotzdem muß man's immer wieder rausschreien, vielleicht kannst du dich an das Gedicht noch erinnern, vom Pfarrer Niemöller: "Als die Nazis die Kommunisten holten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Kommunist. Als sie die Sozialdemokraten einsperrten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Sozialdemokrat. Als sie die Gewerkschafter holten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Gewerkschafter. Und als sie mich holten, gab es keinen mehr, der protestieren konnte." Ja, den Amadeu, den Angolaner, den habns daschlagn, datreten, weil er Neger war, weils ihrn Spaß haben wollten, und drei Polizisten sind dabeigstanden und wollten "mit dieser Gruppe nicht in Konflikt geraten". Siehst as jetzt, wia weit ma wieder san? "Deutschland den Deutschen", grölts durch Eberswalde, und mit Baseballschlägern und Messern gehts den Negern an den Kragen. Die laufen um ihr Leben, Willy, aber oan dawischns no, und Eberswalde schweigt dazu, denn a bisserl lästig war'ns halt doch, die vielen Neger, und dann kreisen sie den Amadeu ein und schubsen ihn herum, ja ma wird doch an so an Neger noch a bissen schubsen dürfa, und der Antonio Amadeu Kiowa versteht die Welt nicht mehr und zittert und schreit, und Eberswalde schweigt dazu, aber Deutschland gehört nun mal den Deutschen. Klar, sie haben sich's ja alle verdient, ein sauberes, ein reiches Land, und dann ziehen sich die Glatzen Kapuzen übern Kopf und binden sich Tücher vors Gesicht, wie im richtigen Kino, und dann springen sie dem Amadeu mit ihren schweren Stiefeln ins Gesicht, immer und immer wieder. Willy, mein Gott, Willy, mir kanntn di wieder so braucha, wir alle braucha doch oan wies du oana bist, Willy, da muaß doch was gscheng, da müaß ma doch was doa, alle miteinander: Gestern habns an Amadeu daschlagn, aber heit, aber heit, aber heit, heit halt ma zsamm. Gestern habns an Amadeu daschlagn, aber heit, aber heit, aber heit, heit halt ma zsamm. |