1978/Neufassung 1991








Du musst verstehn! Aus Eins mach Zehn,
Und Zwei lass gehn, und Drei mach gleich,
so bist du reich. Verlier die Vier!
Aus fünf und sechs - so sagt die Hex -
Mach Sieben und Acht, so ist´s vollbracht:
Und Neun ist Eins, und Zehn ist keins.
Das ist das Hexeneinmaleins!

Als sie Giordano Bruno verbrannten
sandte sein Gott keine Blitze gegen das Unrecht
munter flackerte das Feuer
der Pöbel musste manchmal husten zwischen zwei Lachern
so qualmte Giordano
oder Grandier
neben seinem Scheiterhaufen
sonnte sich Richelieu
vierzehn Nonnen
mit Klistierspritzen garniert
wälzten sich vor Wollust und Gier
und das christliche Abendland
sann befriedigt
nach weiteren guten Taten.
Was hat dieser Ketzer mit uns zu tun
flötet unser Jahrhundert
doch
dreihundert Jahre später
konnte ein gewisser Trotzki
angeklagt
der Unzucht mit der Freiheit

das Haupt vom Dogmenbeil schon gespalten
dreihundert Jahre später
konnte dieser Trotzki
die Menschheit nur noch um Vergebung bitten für seinen Henker.

Immer noch werden Hexen verbrannt
auf den Scheiten der Ideologien.
Irgendwer ist immer der Böse im Land
und dann kann man als Guter
und die Augen voll Sand
in die heiligen Kriege ziehn!

Gerechter Krieg,
heiliger Krieg.
Nur zum Teufel:
Welcher Gott ist denn nun der richtige?
Der glitzernde Gott der Börsianer vielleicht?
Und welcher Gott hat den Giftgasverkäufern
die Absolution erteilt?

Gibt es ein gerechtes Gas,
und wird es erst böse, wenn es uns treffen könnte?

Gerechter Krieg,
heiliger Krieg.
In erster Linie ist es ein männlicher Krieg,
einer Wirtshausschlägerei nicht unähnlich.

Man spricht von Waffengang
und meint Verstümmelung,
sie verfehlen militärische Objekte
und meinen Tausende,
vielleicht sogar Hunderttausende von Toten.
Man nennt alles rücksichtsvoll "Szenario"
und verschweigt den Massenmord.

Heimtückische Sprache,
die verschleiern soll,
dass es um Menschen geht.
Menschen mit Hoffnungen und Nöten,
keine Nationen und Bündnisse und Armeen,
sondern einzelne, verwundbare Menschen.

Aber lasst uns doch jetzt einmal
die Möglichkeit ergreifen,
alles ganz anders zu versuchen,
wie einer,
der kurz vor dem Tod noch das Leben
erleben und durchleben möchte,
ohne Rücksicht auf das Gequassel der
Zyniker und Drübersteher.
Laaat uns doch jetzt mal alles das versuchen,
was wir uns noch nie so richtig zugetraut haben.

Lasst uns freundlich sein,
wo wir feindlich sein sollten.
Lasst uns kindlich sein,
wo wir erwachsen sein sollten.

Lasst uns herzlich sein,
wo wir logisch sein sollten.
Lasst uns fraulich sein,
wo wir männlich sein sollten.

Dass diese Welt nie ende -
nur dafür lasst uns leben!





Giordano Bruno siehe
Urbain Grandier siehe
Golfkriege siehe