W.G.Sebald


Verpasst

Warum hat W.G. Sebald diese Literaturpreise nicht erhalten?

Drei Auszeichnungen, die exemplarisch für eine idealtypische Schriftstellerkarriere von seinem Kaliber stehen: Bachmann-Preis, Büchner-Preis und Literaturnobelpreis.

In der Logik der Konkurrenz um kulturelle Legitimierung zur Etablierung spezifischer intellektueller Auslese- und Bestätigungsinstanzen (Bourdieu) spielen Literaturpreise eine herausragende Rolle. Das Ritual ‚Literaturpreis‘ führt mit den preisstiftenden Institutionen, Verlagen, Autoren, Medien, Literaturkritikern sowie Lesern alle wesentlichen Instanzen des literarischen Feldes zusammen. Es signalisiert und beeinflusst auf diese Weise auch aktuelle literarische Tendenzen. So werden Prozesse und Strategien sichtbar, die auf eine Nobilitierung bzw. Kanonisierung ästhetischer wie (literatur)politischer Wertmuster abzielen.
Der Band diskutiert diese Zusammenhänge durch Fallbeispiele zu Autoren, Preisen, Jurys oder Vergabeinstanzen ebenso wie durch strukturelle oder typologische Perspektiven auf Funktionen, Begriffe, Konzepte oder ideologische Dimensionen der Literaturpreisvergabe und gibt ein anschaulichen Bild des gegenwärtigen literarischen Lebens und enthält exemplarischen Beiträge zu Preisen, Preisträgern, Preisgebern und den Mechanismen und Strategien der Preisvergabe sowie ein Register der behandelten deutschsprachigen und internationalen Preise .

Uwe Schütte schreibt mit unter dem Titel "Gratulationen: Über W.G. Sebald und seine Literaturpreise".

Mitherausgeber Christoph Jürgensen:
"Formen der Dichter-Ehrungen sind so alt wie die Literatur selbst. Eine umfassende Literaturgeschichte dieser Ehrungen müsste daher bereits in der Antike ansetzen und etwa Beispiele für solche Rituale berücksichtigen wie die Dichterkrönungen im Rahmen der griechischen Peisistratos-Auszeichnungen im 6. Jahrhundert v. Chr. oder Odysseus’ Ehrung des Sängers Demodokos, von der Homer im 8. Gesang der Odyssee erzahlt. Sie müsste sich femer mit der Tradition des poeta Iaureatus beschäftigen, die mit Petrarcas Krönung 1341 auf dem Kapitol in Rom einsetzt und in Deutschland erst 1804 endet, und zwar mit der Krönung Karl Reinhards für seine Edition der Gedichte Gottfried August Bürgers. Zudem wären in diesem Zusamrnenhang prinzipiell alle Formen mäzenatischen Handelns zu beachten, die sich auch heute noch gelegentlich finden lassen. Und diese Geschichte müsste schließlich eine moderne Traditionslinie der Preisverleihungen nachzeichnen, die ihren Ausgang nimmt von dem zu Schillers hundertstem Geburtstag 1859 von Prinzregent Wilhelm gestifteten Schillerpreis, weil sich dort erstmals die Tradition höfischen Mäzenatentums mit dem Vorschlagsrecht einer beratenden Jury verband, die sich den Statuten gemäß aus ,,ordentlichen Mitgliedern der Königlichen Akademie der Wissenschaften“ und aus ,,anderen dazu eingeladenen Nobilitäten Deutschlands“ zusammensetzte.
Die Institution der Auszeichnung von Autoren bzw. ihrer Werke ist folglich keine Erfindung des literarischen Marktes. Doch sicher ist die Bedeutung öffentlicher ritueller Handlungen, mittels derer Autoren, Literatur und lnstitutionen sichtbar gemacht werden, mit der Herausbildung des ,Marktplatzes Literatur‘ ab Mitte des 18. ]ahrhunderts und dann mit der zunehmenden Medienkonkurrenz im 20. und 21. Jahrhundert noch einmal erheblich gewachsen. Das Konzept einer autonomen Dichtung und eines autonomen, gewissermaßen interesselosen Dichtertums, das nicht nach weltlicher Anerkennung und vor allem nicht nach ökonomischen Profit strebt, hat sich als eine der überlebensfähigsten Selbstmystifikationen innerhalb des literarischen Feldes erwiesen."