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FYN 19






Perhaps one day

I will regain
the sight
of my
eyes


Ich befand mich damals gerade in einiger Unruhe, weil ich beim Heraussuchen einer Anschrift aus dem Telephonbuch bemerkt hatte, daß, sozusagen über Nacht, die Sehkraft meines rechten Auges fast gänzlich geschwunden war. Auch wenn ich den Blick von der vor mir aufgeschlagenen Seite abhob und auf die gerahmten Photographien an der Wand richtete, sah ich mit dem rechten Auge nur eine Reihe dunkler, nach oben und unten seltsam verzerrter Formen - die mir bis ins einzelne vertrauten Figuren und Landschaften hatten sich auf-gelöst, unterschiedslos, in eine bedrohliche schwarze Schraffur. Da-bei war es mir ständig, als sähe ich am Rand des Gesichtsfeldes mit unverminderter Deutlichkeit, als müßte ich mein Augenmerk nur ins Abseits lenken, um die, wie ich zunächst meinte, hysterische Seh-schwäche zum Verschwinden zu bringen. Gelungen ist mir dies allerdings nicht, trotzdem ich es mehrfach probierte. Vielmehr schienen die grauen Felder sich auszudehnen, und bisweilen, wenn ich die Augen abwechslungsweise auf- und zumachte, um den Grad der Sehschärfe vergleichen zu können, kam es mir vor, als sei auch linksseitig eine gewisse Beeinträchtigung des Blicks eingetreten. Schon ziemlich aus der Fassung gebracht von der, wie ich fürchtete, progressiven Verminderung meines Sehvermögens, erinnerte ich mich, einmal gelesen zu haben, daß man, bis weit in das 19. Jahrhundert hinein, den Opernsängerinnen, vor sie sich auf der Bühne produzierten, ebenso wie den jungen Frauen, wenn man sie einem Freier vorführte, ein paar Tropfen einer aus dem Nacht-schattengewächs Belladonna destillierten Flüssigkeit auf die Netzhaut gab, wodurch ihre Augen erstrahlten in einem hingebungsvollen, quasi übernatürlichen Glanz, sie selber aber so gut wie gar nichts mehr wahrnehmen konnten. Ich weiß jetzt nicht mehr, wie ich diese Reminiszenz an jenem dunklen Dezembermorgen auf meinen eigenen Zustand bezog, außer daß sie in meinen Gedanken etwas zu tun hatte mit der Falschheit des schönen Scheins und der Gefahr des vorzeitigen Erlöschens, und dass ich darum mich ängstigte um die Fortführung meiner Arbeit, zugleich aber erfüllt war, wenn ich das so sagen kann, von einer Vision der Erlösung, in der ich mich, befreit von dem ewigen Schreiben- und Lesenmüssen, in einem Korbsessel in einem Garten sitzen sah, umgeben von einer konturlosen, nur an ihren schwachen Farben noch zu erkennenden Welt.

Austerlitz S. 50f.

My eye
begins to be obscured
bemerkte Joshua Reynolds
am Vorabend des Sturms
auf die Bastille