Alligacine machen Krankheitserregern den Garaus

Wenn Mark Merchant nachts in einem Boot auf den Nebenflüssen des Mississippi unterwegs ist, hat er stets einen Trupp starker Männer, Drahtseile und Spritzen dabei. Denn der Biochemiker von der McNeese State University in Lake Charles im US-Bundesstaat Louisiana ist auf der Jagd nach Krokodilen - genauer gesagt nach deren Blut. "Alligatorblut hat ganz besondere Eigenschaften, denn es kann viele Bakterien und Viren vernichten", berichtete Merchant kürzlich auf der Frühjahrstagung der American Chemical Society in New Orleans.
Der Forscher isoliert aus dem Blutserum der Krokodile Eiweiße, die sogar gegen die besonders widerstandsfähigen Bakterien der Art Staphylococcus aureus wirken. Die Keime leben unter anderem auf der menschlichen Haut und richten dort normalerweise keinen Schaden an. Doch wenn sie in den Körper eindringen und gleichzeitig das Immunsystem geschwächt ist, können sie heftige Lungenentzündungen, Wundinfektionen oder Blutvergiftungen auslösen. Dann werden sie zu einer tödlichen Bedrohung, denn gegen die zurzeit verfügbaren Antibiotika sind sie weitgehend resistent. In früheren Untersuchungen hat Merchant bereits gezeigt, dass die Alligatoreiweiße - der Forscher nennt sie Alligacine - 23 Bakterienarten in Schach halten können.
Mit einer fünfprozentigen Serumlösung konnten die Forscher nahezu alle Viren bekämpfen. Die Lymphzellen selber blieben bei dieser Behandlung intakt - anscheinend können die Eiweiße, obwohl sie so aggressiv sind, menschlichen Zellen nichts anhaben. Die Forscher hoffen daher, mit den Alligacinen nicht nur neue Antibiotika, sondern auch Medikamente gegen Aids entwickeln zu können. Merchants Entdeckungen haben weltweites Aufsehen erregt, denn nur selten werden antibiotisch wirkende Substanzen in Tieren gefunden. "Normalerweise finden wir Stoffe mit einer solchen Wirkung nur in Pflanzen oder Mikroorganismen", sagt der Chemiker Markus Kalesse vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig.
"Besonders erstaunlich ist, dass die Tiere sogar Abwehrstoffe gegen Krankheitserreger entwickelt haben, mit denen sie sehr wahrscheinlich nie Kontakt hatten", sagt Mark Merchant. Um aus den Eiweißen des Krokodilblutes verträgliche Medikamente zu machen, müssen noch einige Hürden genommen werden. In keinem Fall dürfe man die Substanzen einem Menschen direkt ins Blut spritzen, warnen die Forscher. Schließlich könnten die aggressiven Stoffe auch nützliche Mikroorganismen töten und dadurch schlimme Nebenwirkungen auslösen.