. Zwei Wege Wenn die Chinesen Rügen kaufen
Zwei Wege - ein Werk



Wenn die Chinesen Rügen kaufen, dann denkt an mich

Wie mich seine Erzählung Der Spaziergang von Rostock nach Syrakus fasziniert (sowohl als Leser wie als Segler), so auch - neben den vielen anderen Werken von Friedrich Christian Delius - sein Kassandra-Tagebuch, das handelt von einem gekündigten Wirtschafts-journalisten, dem Jahr 2017, dem ganzen Jahrhundert, von Politik, Wirtschaft, Personen und und und...
Delius phantasiert beim Wandern über die Kreidefelsen schon mal 100 Jahre voraus: wenn dankbare Chinesen der heutigen Kanzlerin ein Denkmal auf Rügen errichten. Wenn Zeitgenossen dann fragen: Wie war das damals im frühen 21. Jahrhundert, als Europa auseinanderbröselte? Er berichtet die Vergewaltigung Griechenlands in der Bankenkrise. Er schildert die Blindheit gegenüber China, das mit seiner Wirtschaftsmacht und antidemokratischen Ideologie immer näher rückt. Wir hören von Ferne (oder schon ganz nah?) das tektonische Beben der alten Weltordnung.
Ein widerborstiger, pointierter, hochpolitischer und hellsichtiger Roman.

Ein paar Auszüge:

Oktober

24.
"Es wird knallen, wenn wir nicht endlich aufwachen!" sagte der ehemalige Daimler-Boss Reuter im Sommer und meinte die maßlosen, marktzerstörenden, asozialen Manager.

25.
Insel Santorin proppenvoll mit Chrinesen, die durch die schmalen Gassen drängeln und schieben.

26.
Griechenland macht bei dem Verweis auf die Menschenrechte in China schon nicht mehr mit, so bleibt die EU wegen der geforderten Einstimmigkeit blockiert und stumm.

27.
Wenn die Chinesen Rügen kaufen, dann denkt an mich.

28.
Witzig auch, dass alle den Begriff "Alternative" falsch verwenden, allen voran die AfD selbst, deren Erfinder nicht mal deutsch können: Alternative bedeutet die Entscheidung zwischen zwei Möglichkeiten, also entweder - oder und nicht: hier geht’s lang!

29.
... wie schon die Schüler belogen und betrogen werden sollen - von den Lehrern auf Anweisung der Schulbehörde. So sollen jetzt in Berlin 50 % eines Jahrgangs "das Abitur mitnehmen".

30.
Wenn die Chinesen Rügen kaufen, in 50 oder 100 Jahren – wer wird ihnen den Weg geebnet, die Voraussetzungen geschaffen, sie gewiss ohne Absicht, aber in reiner Torheit geradezu eingeladen haben?



November

1.
Habt ihr das gewusst oder geahnt? Man hätte alles wissen können, die Lektüre eines anständigen Wirtschaftsteils hätte gereicht.

3.
Immer noch zeichnet sich keine neue Regierung ab. Alle fragen: Was macht, was will die M.?

5.
Freund Roon schickt mir ab und zu Links zu irgendwelchen Shows, in denen Trump karikiert wird. Es freut mich, die Amis lachen zu hören. Auch wenn man nicht immer weiß, ob das Lachen eingespielt wird.

7.
London ist das Weltzentrum der Geldwäsche.

8.
Sondierungs-Eiertänze.

9.
Tag des Mauerfalls und der Synagogenbrände

10.
Gäbe es in den USA oder in der Eurozone den politischen Willen, ließe sich das parasitäre Geschäft von heute auf morgen beenden.

12.
Ein junger Uhu auf dem Balkon. ... Seinen fragenden Blick nicht vergessen: Was machst du hier?

13.
Auch das war mir neu: Man darf bei Aldi maximal 25 Stunden, in Drogeriemärkten z. B. nur 15 Stunden arbeiten. Weil denen normal Festangestellte zu teuer sind.

15.
Zurück am Bahnhof Zoo, stieg ich aus, ging die paar Schritte zur Gedächtniskirche an die Stelle, wo der islamistische Attentäter zwölf Menschen umgebracht hatte.



16.
"Steueroasen bieten Schutz vor der Gier der Finanzminister", so der Ressortleiter Wirtschaft der "Welt".

17.
... was ich seit mehr als 25 Jahren zu wiederholen müde geworden bin, dass die EU-subventionierten Lebensmittel so viele Afrikaner in den Hunger und zur Flucht in Richtung EU treiben.

20.
Da müssen immer wieder Griechen, Italiener wie Prodi und andere kommen und uns sagen, wie weise es war, dass der Bundesrepublik 1953 auf der Londoner Schuldenkonferenz ein Großteil der Riesenschulden erlassen wurde.

21.
Anstrengende Zeiten für Vogeldeuter.

22.
"Nicht so viele Zahlen, bitte!" Also nur ganz wenige: 62 Leute besitzen so viel wie 3,7 Milliarden, die Hälfte der Menschheit.

24.
Jetzt berichet auch Arte: 150 Weingüter Bordeaux in chinesischem Besitz.

26.
Der Innenminiser lässt die Aken über den "Landshut"-Einsatz der GSG 9 von 1977 für weitere 20 Jahre sperren - bis 2037!

30.
Orbán, der sich als Verteidiger des christlichen Abendalnds geriert, dient sich mit großem Eifer China an.

Dezember

1.
Der Wurstpanscher, der am meisten von der Lücke profitierte, ist natürlich immer noch der Boss von Schalke 04.



3.
China weiß, wie man Zensur übersetzt:"die Internet-Harmonie verteidigen".

5.
Jetzt kommt's an den Tag: Wer hätte gedacht, dass Kanzler Kohl 25 Jahre lang ein Steuerkrimineller war?



6.
Wir kennen das bislang nur aus dem Roman "1984", jetzt wird das digital perfektioniert: Das Auge des Staates sieht nicht nur alles, es sammelt auch alles und sortiert die Menschen in verschiedene Kasten.

7.
Ein Chinakenner erzählt, dass selbst chinesische Millionäre in Angst leben. Einer mit einem behinderten Sohn fürchtet, dass nach seinem Tod trotz aller Verfügungen und Testamente jemand den Sohn umbringen oder sonst wie beseitigen könnte, um an das Geld zu kommen.

9.
Je mehr geschwafelt wird, je schwammiger das Vokabular, je falscher die Grammatik, desto mehr hört man neuerdings als rhetorisches Pausenzeichen zwischen den Sätzen und Halbsätzen das Wort "Genau!".







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Kassandras Schlusswort (meint Delius etwa damit auch sich?):

Tagebuchschreiber werden mit der Zeit zu Narzissten und/oder Weltverächtern und/oder Misanthropen. Lieber wären mir die Gegenrichtungen. Noch ein Grund, so langsam mit diesen Notizen aufzuhören.