Geburtsbild von W. G. Sebald
Mit Sonne, Merkur und Venus in Stier sowie dem Aszendenten in Jungfrau Betonung des Elements Erde; diesem Grundton stehen die beiden durch Stellung an den Hauptachsen hervorgehobenen Planeten Saturn und Neptun in Luftzeichen gegenüber. Leben und Werk zwischen Himmel und Erde. Weiter Betonung der Taghälfte sowie symmetrische, ansprechende Planetenverteilung und Aspektstruktur – Strahlkraft und Attraktivität.
Sonne, Mond und Aszendent
Sonne in Stier im neunten Haus: Sicherheitsbedürfnis und Orientierung am Greifbaren, Materiellen, oft Musikalität – der Sebald-Sound. Werte und Ideale; feines Gespür für Grenzen,daneben auch Ab- und Ausgrenzungen. Wandern, Abwandern, Auswandern: Bewandertheit. Behutsamkeit, Freude am Schönen; Qualität und Beschaffenheit als wichtige Kategorien.
Mond in Widder im siebten Haus: Emotional leicht ansprechbar, erregbar, heftige Stimmungsschwankungen; gefühlsmäßige Ausrichtung auf das Du, das Gegenüber, den Einzelmenschen. Launisch; rasch wechselnde Stimmungen. Gefühlsoffen, direkt, dabei Gefahr der Selbsttäuschung. Max für die, die ihn kannten, W. G. für alle anderen.
Aszendent Jungfrau: Feiner, genau unterscheidender, analytischer Verstand; praktische Intelligenz, Sprachbegabung, Sammeltätigkeiten verschiedenster Art. Empfindliche Verdauung, oft heilkundig; vorsichtig; differenzierte stoffliche Wahrnehmung. Vorbehalt und Sammlung.
Maximalbedeutsame Planeten
Saturn in Zwillinge am M.C. im Quadrat zum Aszendenten: Klare, strikte, geistig begründete Wertvorstellungen, Normen und Regeln, auch tiefe Selbstzweifel (Quadrat Aszendent). Autorität auf dem gewählten beruflichen Gebiet; Schaffung neuer Standards, weitreichende Wirkung im Berufsfeld. Saturn im Zenit, ein dunkler Leuchtturm, der seine melancholischen Strahlen über das Land und über den Himmel streichen lässt. Zugleich Auftakt und Höhepunkt des Geburtsbildes. Dominantes Vaterbild.
Neptun, im Mai 1944 erst seit neun Monaten in der Waage, wird bis 1955 in diesem Zeichen stehen; kollektive Sehnsucht nach Ausgleich und Gerechtigkeit. Hier eingebunden ins Persönlichste durch die Konjunktion mit dem Aszendenten und die Opposition zum Mond.
Schwer fassbare, nicht klar umrissene Persönlichkeit, der schöne Schein, eine Sammlung vager Bilder. Fremdes wird anempfunden und wieder aufgelöst, Schwächen und Schwindel,
wechselnde Welten und Wirklichkeiten. Starkes Mutterbild mit Ungewissheiten (Opposition Mond).
Merkur, Venus und Sonne in Stier, Häuser Acht und Neun
Merkur Quadrat Pluto, Venus Quadrat Jupiter
I me mine… vielleicht manchmal doch nicht so schön? Merkur im achten Haus hat ein waches Auge für das Hintergründige im Leben. Das Quadrat zu Pluto stellt sich keck quer zum Mainstream, hinterfragt etwa gängige Einstellungen zum Kriegsleid; verbalisiert über das Biquintil zu Neptun im ersten Haus die Schauungen und Ahnungen des Autors.
Venus Quadrat Jupiter: Beziehungsmuster und Wahlinstinkt vertragen sich schlecht mit der Lehrer-Rolle des angesehenen Löwe-Jupiter im elften Haus (Professor, Preisträger). Bestimmt ein schwieriges Thema, das Außenstehende vielleicht auch gar nichts angeht.
Bei aller neptunischen Verlorenheit und Uneindeutigkeit (Trigon Neptun) bietet die StierSonne einen soliden Grundstock des Eigenen, Gewissen, in sich Ruhenden als Hintergrund zur öffentlichen, literarischen, fiktiven, vielleicht auch anempfundenen Person (Trigon Aszendent). Von hier bezieht der starke Saturn Rückhalt, Inhalt, Gehalt.
Mars, Mondknoten und Pluto an der Spitze des elften Hauses
Löwe-Jupiter im elften Haus Trigon Mond
Krebs-Mars an der Spitze des elften Hauses will sich selbst, das Eigene, Vertraute, Familiäre gegenüber der Gesellschaft behaupten und durchsetzen – dies umso mehr, als diese Gesellschaft mit Löwe-Pluto im elften Haus auch eine gewaltsame, das Individuelle vernichtende Gestalt annehmen kann. Zwischen diesen beiden Polen steht der nördliche Mondknoten, das „Steigrohr des Unbewussten“ (Thomas Ring), und fördert manches zutage, was aneckt, auf Widerspruch stößt, Auseinandersetzungen nach sich zieht. Löwe-Jupiter im elften Haus wird zum angesehenen Lehrer, der sich auch spontan einem einzelnen Gegenüber zuwenden kann (Trigon Widder-Mond im siebten Haus).
Neptun-Mond-Opposition in den Häusern 1 und 7
Das Jupiter-Venus-Quadrat als Parallele zur Neptun-Mond-Opposition
Wie Saturn im Zenit gleichsam den Höhepunkt der ganzen Konstellation darstellt, ist die Neptun-Mond-Opposition die Basis, die Grundlage, auf der sich alles abspielt. Als Entsprechung von Neptun im ersten Haus schafft Meister Sebald, der große Zauberer, unerhörte Welten, in denen seine eigene Person unversehens verschwindet. Der Mensch bleibt im Werk ebensowenig greifbar wie der Autor, der Erzähler und die auftretenden Personen; wer ihn persönlich kannte, mag ihn hingegen als Widder-Mond-Max erlebt haben. Parallel dazu verläuft das oben bereits angesprochene Venus-Jupiter-Quadrat, sodass von einem mal mehr, mal weniger liebenswürdigen Lehrer über das einfühlsame Gegenüber bis hin zur gar nicht recht anwesenden Person vieles vorstellbar erscheint.
Chiron im zwölften Haus, Quadrat Uranus, Trigon Merkur, Quincunx Mond
Sosehr der starke Neptun im ersten Haus auch mit merkwürdigen Zufällen, changierenden Wirklichkeiten und wiederauferstandenen historischen oder fiktiven Persönlichkeiten aufwarten mag, bleibt doch – zumindest im schriftlichen Werk – die Frage nach dem Transzendenten und Überpersönlichen etwas verengt auf einige wiederkehrende Themen. Chiron im zwölften Haus verweist auf eine alte, unstillbare Verletzung in diesem Bereich, und gemäß der angereihten Aspekte
– fällt es schwer, den Göttern das Feuer zu stehlen: Chiron Quadrat Uranus;
– ergibt sich eine gute und fruchtbare Kompensation im Sprechen, Schreiben und Sammeln: Chiron Trigon Merkur;
– besteht eine gewisse Unvereinbarkeit, ein Missklang zwischen dem Überpersönlichen und der eigenen Befindlichkeit, den eigenen Bedürfnissen: Chiron Quincunx Mond.
Zuguterletzt
Hier könnte und sollte die Kombinatorik beginnen, bei der die dargestellten Einzelfaktoren sich gegenseitig modifizieren und ergänzen – Ansätze dazu mögen bereits erkennbar geworden sein. Dies stellt, zusammen mit der Herausarbeitung der Schnittstellen zur Biografie wie auch zu den einzelnen Werken und Inhalten, eine große Aufgabe dar. So kann und will dieser Text nicht mehr sein als ein Einblick, ein kurzer, verdichteter Abriss einer Deutung des Geburtsbildes von W. G. Sebald.
Klaus Köhler, Freiburg
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