Wie kommt ein geborener Bayer (Amberg/Opf) und Mittelfranke (Uffenheim - Man muss Gott für alles danken, selbst für einen Middelfranken)
mit sächsischen Wurzeln (Leipzig) zum Segeln?
Im Mai - ich ging in die Obersekunda - kam unser Religionslehrer zu meinen Eltern und fragte, ob wir eventuell einen schwedischen gleichaltrigen
Schüler für ein paar Monate bei uns aufnehmen könnten, damit er Deutsch lerne. Meine Eltern waren einverstanden.
Gunnar kam aus Uppsala, wo
sein Vater Professor für Theologie war. Wir verstanden uns von Anfang an gut, die drei Monate verbrachte er mit meinen Klassenkameraden und mir -
abends oft in unserer Stammkneipe - er war süchtig nach den einarmigen Spielautomaten.
Mein Vater teilte aber sein Taschengeld, das in ausreichendem Umfang vorhanden war, genau ein, damit er es nicht an einem Abend verspielte.
Am Ende seiner Zeit bei uns machte Gunnar auf einmal den Vorschlag, ob ich nicht für ein paar Wochen (die Schweden haben ganz lange Sommerferien)
mit in ihr Sommerhaus bei Lysekil mitkommen wolle. Ich war sofort begeistert. Mein Vater fragt beim Klassenleiter an, ob dies möglich sei, worauf dieser erklärte:
Christian ist zwar ein rotzfrecher Lümmel, aber in allen Fächern gut - ja, er kann meinetwegen nach Schweden mitfahren.
Familie Göransson traf sich in Hälsingborg, wo wir in einem Superhotel übernachten. Die älteste Schwester war in England zum Englisch lernen,
die jüngere Schwester in Frankreich ebenso wie der Zwillingsbruder von Gunnar.
Erwähnenswert das Klo im Doppelzimmer, wo ich mit Gunnar übernachtete. Gegenüber der Kloschüssel das lebensgroßes Bild einer geilen Nackten.
Auf ihrer Stirn ein Schild: Hier küsste mich das erste Mal mein Vater. Dann ein Schild über ihrem Mund: Hier küsste mich mein erster Freund.
Über ihren Brüsten ein Schild: Hier küsste mich das erste Mal mein Ehemann .
Über ihrer Scham ein Schild mit der winzigen Aufschrift: Vorsicht - Sie scheißen gleich auf die Brille!
(man musste aufstehen, um es lesen zu können). Aus einer Zeit, wo Beate Uhse im prüden Deutschland noch
nicht die sexuelle Befreiung betrieben hatte ...
Ich verliebte mich natürlich sofort in die ältere Schwester von Gunnar, eine bildhübsche Schwedin. Interessant waren die Physiognomien
der Zwillingsbrüder. Gunnar hatte das Gesicht eines Franzosen, aber die Figur eines Schweden. Sein Bruder war klein und drahtig, also Figur eines Franzosen,
aber das Gesicht eines Schweden. Gene: Der Vater der Mutter war ein französischer Admiral.
Das traumhafte Ferienhaus der Göranssons, rot mit weißen Rahmen mitten im Wald auf der Halbinsel mit Lysekil stammte original von Astrid Lindgrens Saltkrokan.
Zum Pinkeln mussten wir die Außentreppe hinunter und uns an einen Baum stellen, wo mir, verschlafen wie ich war, ein furchtbares Unglück geschah.
Eine Zecke ließ sich auf meine Eichel fallen und biss sich fest. Ausreißen verboten, weil dann der Kopf drinblieb und irgendwelche Krankheiten im
Körpfer verbreitet.
Um 6h schlich sich die Mutter hoch und weckte uns leise. Wir sollten auf den Gullmarsfjord hinausrudern und fischen.
Die Brüder warfen missmutig ein Netz aus, das Meer kochte rundum und sofort war der Käscher voll.
Die ganze Zeit gab es frischen Fisch zu essen.
Zwischen 10 und 11 - totale Überraschung - ruderten wir, die Zwillinge und ich, zu ihrem Segelboot, das an einer Boje hing: Ein Starboot mit Kiel.
Und so kreuzten wir täglich über den Fjord.
Die Brüder gaben sich natürlich keine Kommandos, alles - Wenden und Halsen - ging wie von selbst. Und Klein-Christian kam erst einmal ins Grübeln.
Er hatte
sich Segeln immer so vorgestellt: Man breitet die Segel rechts und links aus (Fachleute sagen 'Schmetterling') und der Wind bläst von hinten rein
und schiebt
das Boot vor sich her. Mitnichten: Der schlechteste Kurs. Der beste Kurs, wenn der Wind genau 90° von der Seite kommt, aber die größte Show,
wenn der Wind fast von vorne kommt (maximale Höhe am Wind und stärkste Kränkung (wie die Franken sagen, wenn sie Krängung meinen,
die Schieflage des Bootes)).
Wieder was gelernt.
Am Mittwoch musste Gunnar zur Nachhilfe Englisch nach Lysekil, wozu er aber keine Lust hatte. Er schickt stellvertretend Christian hin, und der
Nachhilfelehrer quittiert den Besuch Gunnars (der mit einer Freundin in der Zeit spazieren ging) auf einem Zettel für die Eltern. Eine der schönsten
Schulferien meines Lebens ...
Erst im Jahr 2.000 legen wir wieder in Lysekil an.
Um Eindruck auf meine (zweite) Freundin zu machen, fuhr ich im Sommer 1966 mit ihr an den Ammersee und will eine Jolle für 3 Stunden
mieten.
host an Schein? fragt der Bootsverleiher.
Was für einen Schein? Mir war entgangen, dass man in Deutschland einen (nein, mehrere!) Scheine braucht, um ein Segelboot zu führen.
Host koan Segelschein?
Nachdem ich ihm verprechen musste, Segeln zu können: For assi!
Es ging alles gut (auch die Freundin war beeindruckt) - es nexte mol host an Schein! Belehrung zum Abschied.
In schneller Folge A-, BR-, BK- und C-Schein Schein.
A-Schein in Dießen bei Heinrich Seidl, Trainer der Olympia-Segelmannschaft 1936.
BR-Schein (heute SKS - Sportküstenschifferschein - obwohl kein Mensch weiß, wo die Sportküste liegt ...) in Juist bei einem Segellehrer,
der Alkoholiker war,
zusammen mit Apotheker Rilke, dem Neffen des Schriftstellers. Beeindruckend: Nach einer Stunden dauernden Nacht- und Nebelfahrt von
Helgoland zurück nach Juist
(mir bis heute ein Rätsel, wie er den Kurs fand - nicht mal die Pricken waren zu sehen), gibt der Segellehrer Kommando zum Ankern.
Rundum nur Finsternis, wir wussten nicht, wo wir uns befanden (GPS usw. gab es damals nicht) - der Lehrer zieht sich nackt aus, springt (besoffen)
ins Wasser
und verschwindet im Nichts: Bis morgen. Rilke und ich warten das Tageslicht ab - und siehe da, wir haben genau gegenüber dem Haus
unseres Ausbilders den Anker geworfen, fielen trocken und konnten an Land wandern.
Wer um Juist segelt, kennt selbstredend diesen Segel-Thriller.
In schneller Folge BK- (heute SSS-) und C- (heute SHS-) Schein.
Bei der Bayer. Fahrtensegler-Gemeinschaft e. V. lerne ich Günter Oligschläger kennen, der mir mehrfach seine
"John Silver" verchartert, eine
traumhafte Ketsch, gebaut 1936 Eiche auf Eiche.
Und es war der Anfang der 107 Törns weltweit. Christian verschlingt Segel-Klassiker und hat silberne
Träume von der Barke mit der gläsernen Fracht.
Nächste und wohl wichtigste Stufe auf der Leiter zum Fahrtensegler:
Ägäis-Törn 1978 mit Commodore Christian Horatio Bissel, seines Zeichens
landesweit bekannter Strafverteidiger, dem ich in einer absurden Strafsitzung vor dem Amtsgericht Erlangen als Staatsanwalt gegenübersitze.
Commodore und die Prinzessin
Ich muss eine irre Anklage vertreten: Erregung öffentlichen Ärgernisses:
Drei gutaussehenden und ebenso gekleideten jungen Männern (Medizinstudenten) warf ich vor, sie hätten in den Morgenstunden
etwa gegen 3h15 ein bekanntes Stundentenlokal in Erlangen verlassen und öffentlich ihre Geschlechtsteile entblößt (sie mussten nur dringend schiffen).
Hierdurch stand in der Anklageschrift fühlte sich der Zeuge P. in Person des Polizeibeamten P. in seiner Geschlechtsehre beleidigt und somit
sei ein Staftatbestand erfüllt (ich hielt lediglich § 118 OwiG für erfüllt). Dr. Bissel - meine Kollegen hatten mich schon vor seiner insbesondere
das Leben der Staatswanälte belastenden Art gewarnt - stand auf und fragte höflich an, ob er kurz was sagen dürfe, was ihm der erfahrene und
volksnahe Amtsrichter erlaubt.
Herr Staatsanwalt, hohes Gericht, wollen Sie wirklich die Blüte der deutschen Jugend, die da vor Ihnen sitzt (er zeigt mit umfassender Gestik auf
die Angeklagten) vernichten wegen eines Vorfalls, in den jeder von uns bestimmt einmal hätte kommen können wegen Blasendrucks?
Der Richter genoss sichtlich die weiteren, rhetorisch hervorragenden Ausführungen Dr. Bissels und wandte sich dann mit jeweis derselben
Frage an die Angeklagten, um deren Vermögensverhältisse festzustellen.
Angeklagter 1): Vater Chefarzt einer Klinik
Angeklagter 2): Vater gefallen
Angeklagter 3): Vater Siemens-Ingenieur
Dann wirft der Richter folgende Beträge ins Spiel: 1) 500 DM 2) 200 DM 3) 400 DM
Ich wusste gar nicht mehr, wo ich war.
Der Verteidiger bedankt sich mit bewegten Worten und ist mit allem einverstanden - mich, den Staatsanwalt fragte keiner.
Das Gericht stellte dann jeweils gegen Zahlung der genannten Geldbußen das Verfahren ein und nach 20 Minuten war die Sitzung beendet.
Vorher hatte ich noch erklärt, ich müsse bei meinem Abteilungsleiter in Nürnberg tel. dessen Einverständnis erholen. Amtsrichter: Staatsanwalt,
du glaubst doch nicht wirklich, dass du um 1/2 9 in Nürnberg jemanden erreichst? Staatanwalt Wirth erklärt sich einverstanden.
Als ich draußen vor dem Sitzungssaal auf den nächsten Aufruf warte, kommt Dr. Bisselund begrüßt mich mit Handschlag.
Herr Wirth, ich habe gehört, Sie segeln - welche Scheine? Alle einschließlich SHS. Das ist ja mehr wert als mein Dr. jur. Mit dem, was ich nun vorschlage, will ich Sie keinesfalls irgendwie beeinflussen oder befangen machen.
Ihm sei gestern ein Mann bei seinem geplanten Törn ausgefallen, ob ich nicht Lust hätte mitzufahren.
Mir war schwindlig geworden, ein absoluter Traum, aber für einen kleinen Beamtensohn wohl unerreichbar: 3 Wochen Segeln in der Ägäis!
Zuhause ein- und dreijähriges Kind, ob man die drei Wochen mit der Mama allein lassen kann? Die Mutter war einverstanden - ich bin ihr noch
heute zu tiefstem Dank dafür verpflichtet.
Horatio, der perfekte Navigator und Segler, der alles souverän beherrscht und von dem ich nahezu alles fürs Fahrtensegeln lernte,
und noch heute denke ich unheimlich gern an diesen Törn, bei bei dem Prinzessin Hohenlohe, seine Freundin, dabei war, mit der ich zufälligerweise
auch dienstlich zu tun hatte (davon später).
Mit an Bord gehen Dietusch (der Erfinder der Poroton-Steine) und noch ein Rechtsanwalt mit Frau - eine ganz schön umfangreiche
Crew für unser Schiffchen, eine Dufour 35 namens IKAROS.
Traumtour, auf der ich 2 schwerwiegende Fehler machte -
davon später...
Eigentlich darf man's nicht erzählen, denn es geschah eine schwere Straftat gem. § 316c StGB:
Meuterei auf der John Silver
Wer rechtswidrig die Herrschaft über ein im zivilen Seeverkehr eingesetztes Schiff übernimmt, wird
mit Freiheitsstrafe von 5 bis 15 Jahren bestraft. Es passiert auf dem Törn
1982.
Skipper war Dietmar J., immerhin im Besitz des C-Scheins, heute SHS (Sporthochsee-Schifferschein), höchste Klasse der Segelscheine.
Los ging’s in Grado, wo wir das Schiff erst mal nicht finden. Wir laufen bei Dunkelheit aus, trotz Nacht- und Farbenblindheit
des Skppers (und seiner Neigung zu übermäßigem Alkoholgenuss).
Zuerst donnern wir mit Bravour an die Einfahrt zum Stadthafen an Bb, dann laufen wir - nach Umkehr wegen schlechten Wetters -
vor der Guardia Zivil auf Grund.
Wegen des Starkwindes stranden wir schließlich längsseits an einem Österreicher - von dem Manöver Eindampfen-in-die-Vorspring hat unser Skipper
noch nichts gehört.
Wir segeln jedenfalls dann weit draußen vor der Küste (circa 15 sm) Kurs SSE. Ein Pfadfinder, mein guter Freund Rechtsanwalt Horst
S., navigiert mit dem Shell-Auto-Atlas, während der Skipper verzweifelt ein einsames Gasthaus sucht (er meinte Ravni Zakan West);
die Lichtmaschine verreckt, Reparatur in Šibenik. Beim ersten Crash rate ich Horst, auszusteigen - er will das Abenteuer aber weiter bestehen.
Christian steht 40 Stunden am Ruder, dann fällt es ihn. Dazwischen geht fast einer über Bord, weil er im Stehen eingeschlafen ist.
Gemeutert hat die Crew, als der Skpper bei Nacht und Nebel zwischen den Inseln Dugi Otok und Aba Vela in die Telascica einlaufen will.
Wir stimmen ab - Christian wird zum Skiper gewählt und Dietmar ohne Gegenstimme abgesetzt. Schockiert bedankt er sich, geht dann -
als wir am ächsten Tag Šibenik erreichen - vor dem Schiff auf und ab, hält laut Selbstgepräche, wie er die Meuterai abwehren will.
Dazwischen ist uns die Lichtmaschine verreckt - weil Dietmar vergessen hat, einen Schalter zurückzudrehen.
Unser Schlauchboot wurde geklaut, Skradin und die Wasserfälle haben wir aber gefunden.
Bei der Heimfahrt sind wir in Novigrad auf der Untiefe an Stb aufgelaufen.
Ein Italiener mit reziproker und falscher Hilfsbereitschaft gibt uns den Rest. Er verlangt von Land aus die Dirk und beginnt, uns systematisch
auf die Untiefe draufzuschaukeln, die "John Silver" steigt langsam aber sicher immer höher. Wir sitzen fest,
versperren erst mal stundenlang den Hafen. Wir verknoten alle unsere Festmacher und winden sie um die Poller bei der Tankstelle. Wir zerren mit
den Winschen unseren Kahn langsam von der Untiefe, und warten auf fallende Gezeit. Das nächste Hochwasser ist noch niedriger.
Dann heißt es leichtern (wir hatten Wasser gebunkert, getankt und gut gegessen) und bei der übernächsten Flut klappt es - nur mit Christian
alleine an Bord und mit Glück und Schwung.
Heute ist die Gefahr in Novigrad geringer:
Zum einen hat ein Taucher die Untiefe gesprengt - wir waren zufällig dabei - zum anderen legen heute alle Yachten in der riesigen neue Marina an.
Nachtrag: Tieftrauriges Erlebnis
Der Kran (siehe 'Crane' auf Seekarte) will eine in 10jähriger Heimarbeit gebaute Segelyacht ins Wasser setzen. Da bersten die Stahltrossen, die
Yacht taucht ein, knallt auf Grund und das superschwere Krangeschirr auf den Holzaufbau des Schiffes: alles geht zu Bruch ...
Der Törn 1984 hatte es ebenfalls in sich ...
Übernehmen sollten wir das Schiff in Ancona. Doch da war das Schiff nicht. Dann sollten wir nach Pescara. Doch da war das Schiff nicht.
Dann sollten wir nach Ortona - und da war das Schiff.
Wem das seltsam vorkommt, der sollte mal in den dort reinschauen:
YACHT-Beitrag von 1991 reinschauen.
Das Spiel hatte Methode.
Dieser nette Mensch gibt beim Korsika-Törn 1987 in der Marina Propriano vor, Hafenmeister zu sein. Seine Anwort auf Skippers Frage nach
seinem Ausweis: Un Corse n'ai pas un passeport!
Damit nicht genug: In Calvi legt ein Ausflugsdampfer seine Spring quer über die Einfahrt, kennzeichneet sie nicht und sie wickelt sich um unsere
Schraube, beim Befreiungsversuch bricht sich der Skipper mehrere Rippen.
Regatta 1987: Hier merke ich, dass Regattas mich nicht reizen.
Und nachträglich entsetzliche Erkenntnis: Dieser nette junge Mann hat es getan, und zwar 1.400 Mal - er war beim Törn dabei.
Nach außen war er der gute Onkel. Doch wenn er allein mit seinen Schützlingen war, wurde Jugendleiter Kalle G. (†56) zum Monster.
Über 26 Jahre hinweg hat der ehemalige Trainer des YachtClubs Ansbach-Gunzenhausen mindestens 57 Kinder und Jugendliche missbraucht.
Er begeht 2020 in der U-Haft Suizid.
Ausbildungs-Törn 1987
Von 5 Anwärtern 3 tot: Bruno Göllner, Siegfried Erdinger und Werner Hinz (2022)
Prägende Erlebnisse: Als die Anwärter mit dem Frühstück in Skrdin nicht fertig werden, legt Skipper Christian allein ab.
Falsch konstruierter ausgeklappter Cockpit-Tisch: man kann den Vorwärtsgang nicht einlegen. Skipper legt backstags ab und fährt
den gesamten Krka-Fjord rückwärts hinunter, Crew sitzt gelangweilt, weiter frühstückend, da - Beifall aus der ganzen Marina.
Als wir in Portoroz einlaufen wollen (Prüfungsabnahme tags darauf), ging eine Regatta zu Ende und wir finden in der Marina keinen Liegeplatz.
Wir legen deshalb außen an der Einfahrt (verboten) an, Siegfried soll den Anker draußen ein Stück ins Gelände bringen und dort in die Wiese
einhauen (s. Pfeil).
Als er mit dem Admiralitätsanker zu weit nach hinten ausholt, schlägt er sich mit der Spitze in den Rücken -
das furchtbare Geräusch ist bis aufs Schiff zu hören: schwere Verletzungen im Rückgrat.
Es folgen Odyssee-Törns nahezu jährlich, Troja erreichen wir (per Bus) erst 1997.
Jugendtörns fahren wir 1989, 2013, 2015, 2016, 2017 und 2022
Christoph am Ruder
Klassenkameraden unseres Sohnes wollen mal was Tolles erleben, Cornelis, unser Ältester will
seine Praxisprüfung BR machen, mein alter Segelfreund Gerd W. stellt uns seine Yacht aus reiner Kulanz absolut kostengünstig zu Verfügung,
die Eltern der jungen Crew vertrauen mir ihre Kinder an, Stefan, ein Segelschüler und -freund macht ebenfalls die Prüfung und ist Co-Skipper,
das Wetter spielt mit und die Jungs waren toll...
Kotor 1989
Die Nina, eine Frmosa Clipperketsch, 54ft LüA, trägt uns:
1989 zur überwältigenden Landschaft des Golfs,
zur Toteninsel Böcklins und der Piratenkirche Gospa od Škrpjela.
Bahamas Berry Islands 1989/90
Hier feiern wir Silvester - und auf dem Heimweg umkreisen wir
die Freiheitsstatue in New York. Wir waren mit 3 Yachten unterwegs und sahen den vergoldeten Kühlschrank eines gewissen Trump
samt goldenem Hubeschrauber oben auf ...
1990 ist es soweit, wir (5 Leute aus Ansbach: Zahnarzt, Richter, Steuerberater, Pfarrer, Arbeitsloser) werden Reeder.
Wir taufen unsere neue Yacht, eine Bénéteau 43, auf den tiefsinnigen Namen Wilder Markgraf.
Leider nahm das Unternehmen ein trauriges Ende - davon später ...
1990 phänomenaler Ägäis-Törn (in Nachahmung meiner ersten Odyssee mit Commodore Horatio C. Bissel):
Zuerst Überführung Athen - Santorin
Dann große Runde Ägäis mit vielen Highlights.
1990 führt uns der Wilde Markgraf zur Blauen Grotte, deren Existenez wiederholt angezweifelt wurde
1991 Rostock-Rügen
Mein SF Jonny nutzt die Wiedervereinigung, um den Wessis früher verschlossene Reviere zu erkunden und lädt mich ein,
mitzufahren. Danke, Wunderbar!
Dann beginnen die jährlichen Vatertag-Törns mit den neugewonnenen Freunden aus Chemnitz und Erzgebirge, die Tradition endet 2018.
In viele andere Regionen gehen weitere Lust-, Crash-, Ausbildungs- und Überführungs-Törns, Christian gründet eine Segelschule und
wird Segelprüfer. Er hatte jahrelang (ehrenamtlich) Hochsee-Segeln in seinem Verein unterrichtet. Als er bei einer Vereinsvollversammlung vorschlägt,
der Verein solle mal einen Hochsee-Törn für die Jugend organisieren (Jollensegeln auf dem Altmühlsee ist nur Ersatzbefriedigung),
quatscht einer dazwischen: "Du willst ja nur sauffa!"
Da hatte Christian die Schnauze voll und gründet SpoSA (Sportschifferschule Ansbach), die sich sofort riesigen Zulaufs erfreut.
Absolut nicht zu toppende Segel-Highlights sind Santorin, London, Orkneys, Kaledonischer Kanal (Loch Ness!), Scillys, Ärmelkanal, Dominica,
Berry Isalnds ...
2001 schlimmes Malheur in der Bucht Vourkari auf Kea in Griechenland
Als wir wegen des Starkwindes (bis 45 kn) in der vom Hafenhandbuch als ruhige Ankerbucht empohlenen Platz mit Vorleine festrmachen wollen, wickelt sich das vom Fischer illegal
quer über die Bucht gespannte und nicht gekennzeichnete feinmaschige Netz um die Schraube. Als ich das manövrierunfähige Schiff mit dem Dinghi
verlasse, um Hilfe zu holen, versagt der AB-Motor (Reste des zerfetzten Netzes in der Schraube): Weil Christian fahrlässigerweise nur einen Riemen dabei hat, kann er nur mit knapper Not der Brandung an der Felswand, auf die der Sturm ihn schleudert, entkommen, er wird in ein Dornengestrüpp an Land geworfen. Eine schwedische Crew hilft, dem frierenden Skipper
niemand außer er sich selbst: Er gelangt nach längerer Odyssee zu Fuß samt drei fremden Hosen wieder auf seine Yacht, 5 Uhr morgens...
Christian unternimmt von 1974 bis 2022 116 Törns auf 89 Yachten und legt 37.339 sm zurück. Als admiral führt er 37 Flottillen (insgesamt 125 Yachten).
Das schreibt mir Constanze, meine Tochter:
"Ich würde gern mal wieder was Kleines übers Meer schreiben", so James Joyce gegen Ende seines Lebens.
Dich, Papa und mich fasziniert wohl dieses Meer ebenso, wie wohl viele Seefahrer, Heimatlose, Sinnsuchende und James Joyce...
Wieso?
Das können Worte, die große Dichtung und nicht einmal James Joyce angemessen verschriftlichen.
Die Faszination hierfür gleitet wellenförmig, ungreifbar durch unsere Seelen hindurch.
Die See, nicht zu bändigen, unvorhersehbar schaurig berührend zugleich. Ohne Wasser jemals festhalten zu können, wollen wir das Meer, die See tief im Herzen verschließen.
Eines hast du mich gelehrt: das Leben, die wunderschönen Momente, liebevolle Menschen zu achten und Neues zu erleben. Das Leben jeden Moment zu leben.
Wenn ich neben Dir, mit Dir auf dem Boot stehe, treffen sich unsere Blicke und dann weiß ich: er fühlt es auch. Das Meer. Der Wind. Das Boot. Die zauberhafte Welt, dieses Dasein hier.
Wie kann das alles hier nur sein ?
Es berührt mich auf so unglaublichw Weise und dies verbindet uns beide - ungesagt in der Stille.
Wie viele Momente uns ohne Worte eben verbinden.
Nehmen wir die Poesie: wir beide lesen Lyrik, lassen uns in die Worte fallen - treiben ein wenig. Doch das Gefühl, die Emotionen, die Stimmung wiederum lassen sich oft nicht wörtlich erfassen. Es ist eine stille Essenz, eben wieder diese Lebensessenz, die bleibt. Ein flüchtiges Gefühl der tiefen Verständnis, der Irritation, der Erhabenheit,
das Eins-sein mit der Welt (oder einfach nur banale Empörung, manchmal)
Diese Gefühle, das Teilen solcher Momente, das ist das Leben.
Und das Ich wird für kurze Zeit zum WIR. Dann sind wir zusammen in der Welt, im Hier und Jetzt. In unserem gemeinsamen Leben.
Wir brauchen kein Meer um uns herum, keinen Mozart, keinen Sonnenuntergang, der von der Genua umgarnt wird.
Und keine Lyrik.
Unser Band sind wir.
Denn es ist geflochten aus dem Tau der Bedingungslosigkeit.
"Oh und das Meer, das Meer" Leopold Bloom
Tiefer Verlust
PS
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Hanns-Josef Ortheil Die Mittelmeerreise: Roman eines Heranwachsenden