François Gabart



Der neue Superstar der Hochseesegler

Unfassbar: Im Dezember 2017 bricht er alle Rekorde, segelt mit seinem 100-ft-Trimaran Macif in 42 Tagen allein um die Welt, 6 Tage schneller als Thomas Coville, der letzte Weltrekord-Segler.







Route:
Von der Insel Ouessant im Ärmelkanl segelt der blonde Franzose mit den eisblauen Augen durch den Atlantik gen Süden, umrundet Kap der Guten Hoffnung, Kap Leeuwin an der Westspitze Australiens, durchquert Südpolarmeer und Pazifik, rundet Kap Hoorn an der Südspitze Amerikas, und erreicht durch den Atlatnitk am dritten Adventssonntag 2017 das Ziel.

Für die Segelnation Frankreich ist François Gabart spätestens seit diesem Tag ein Held.

Ein Jahr lang kümmert sich sein Team darum, das Rennen gegen die Zeit perfekt vorzubereiten. Die Bootsbauer konstruieren das Boot mit den drei Rümpfen genau nach Gabarts Wünschen und Bedürfnissen.
Ohne jeden Komfort und zu jeder Zeit am Limit jagt er seinen Trimaran durch die Weltmeere, steuert in seiner kleinen Kabine sein gewaltiges Geschoss, kontrolliert Wetter- und GPS-Daten.
Zahllose Lämpchen blinken vor ihm, verschiedene Bildschirme zeigen Wetter und Position an. Mit einer riesige Kurbel im Zentrum bedient der Einhandsegler mit purer Muskelkraft die hydraulischen Systeme, mit denen er Segel setzt und trimmt, an manchen Tagen mehr als 5.000 Umdrehungen für die verschiedenen Manöver. Hinten an der Wand eine kleine Pritsche, eine Kochstelle und ein Eimer für die Körperpflege. Es ist Schwerstarbeit, ein solches Monstrum zu beherrschen.

"Alles an diesem Boot ist riesig, dazu gibt es null Komfort. Du musst deinen Körper darauf vorbereiten, dass er 24 Stunden am Tag durchgeschüttelt wird".
Die Kerncrew, die hinter Gabarts Mission steht, zählt 17 Mitarbeiter. Dazu kommen externe Berater, Dienstleister, die Konstrukteure sowie Kommunikationsexperten für die Vermarktung. Eine grandiose Teamleistung: Man muss es sichvorstellen wie einen Formel-1-Rennstall.
Neben dem Training von Fitness und Schlafmangel hat Gabart seine Ernährung umgestellt und versucht, die eigene Psyche angemessen auf den Höllentrip vorzubereiten.

"Das Alleinsein war tatsächlich sehr hart. Ein Telefonat mit deinem Team oder deiner Familie ersetzt nicht das gute Gefühl, einen Bekannten neben dir sitzen zu haben".

Momente der Ruhe? Fehlanzeige.
"Es war ein unglaubliches Gefühl. Solche Emotionen begegnen einem im Alltag nicht so schnell".
Auch Käse und Schokolade, die er zu den Unmengen an schockgefrosteter Nahrung, Instant-Nudeln und Couscous gepackt hat, helfen nur bedingt gegen die Einsamkeit. Insgesamt vertilgt er pro Tag fast 8.000 Kalorien, um fit und bei Kräften zu bleiben. Trotzdem verliert er auf seiner Reise fast zehn kg an Körpergewicht.

Der Törn

Zu Beginn hat Gabart Rückstand. Als er zum ersten Mal den Äquator quert, segelt er dem bestehenden Rekord über drei Stunden hinterher. Das mag wenig klingen, gemessen an der langen Route - doch hetzen die Rekordjäger inzwischen wie Sprinter um den Globus.
Die zweite Woche wird ein Traum. Gabart kann ziemlich mühelos eine gebrochene Latte reparieren, biegt Richtung Indischer Ozean ab. Nun hat er die Nase schon deutlich vorn: Am Kap der Guten Hoffnung liegt er gut zwei Tage vor der Rekordzeit Covilles. Voraus hat er nun die "schwindelerregende Wüste der südlichen Meere" - wie Gabart die folgenden Seeregionen nennt.
Einmal muss er bremsen, um ein Sturmsystem passieren zu lassen, danach steht ein lästiger Kreuzkurs an. Er steuert in immer höhere Breiten, segelt südlich der Kerguelen. Er ist jetzt in antarktischen Gewässern.
Die Fahrt geht in die vierte Woche. Gabart muss erneut die gebrochene Trommel am Furler des Vorsegels richten, außerdem eine defekte Entsalzungsanlage. Der Tri schlägt brutal durch die Wellen. Sein Team in Frankreich, mit dem er regelmäßig in Kontakt steht, merkt, dass sowohl das Boot als auch der Skipper erste Ermüdungserscheinungen zeigen.



Dann kommt die gefährlichste Situation der Reise. Völlig unerwartet sichtet Gabart bei Tag einen haushohen Eisberg. "Das war ziemlich surreal. Es war ein Riesending, wo eigentlich kein Eis hätten sein sollen. Und natürlich hätte es noch viel mehr in der Gegend geben können. Für ein paar Minuten fühlte sich mein Leben ziemlich fragil an." Gabart steuert nördlich, weicht in wärmere Breiten aus. Kurz darauf macht er wieder 30 bis 35 kn, rast Richtung Kap Hoorn, die graue Kälte hinter sich zu lassen. "Das Südmeer ist ist wunderschön, aber es ist jedesmal das Gleiche. Du bist heilfroh, wenn du da raus bist".

Nach 29 Tagen rundet Macif Kap Hoorn, Gabarts Vorsprung ist auf zwei Tage und acht Stunden angewachsen. Und er zeigt eine erste emotionale Regung: "Ich kann es nicht fassen, ich hätte nie dacht, das Kap in dieser Zeit schaffen zu können" - und prompt bekommt er einen Sturm auf die Nase: 50 kn Wind. Gabart: "Der Südatlantik ist eines der schwierigsten Meere." Wieder macht die Trommel am Furler zu schaffen, er kann Fock zeitweise nicht einrollen, schießt mit viel zu viel Segelfläche durch den Starkwind.

Dann geht es in die sechste Woche, und die läuft formidabel. Am 10. Dezember erreicht er die nördliche Hemisphäre. Sein Vorsprung: sagenhafte 5 Tage und 13 Stunden. Im Nordatlantik liegt der Rücken eines Hochdruckgebiets, eine letzte Hürde. Sein Team sieht es positiv: lieber in ruhigem Wetter ankommen, auf Sicherheit gehen und den Vorsprung halten. Gabart aber sieht es anders. Er zeigt sich unermüdlich, noch immer fordert er Macif und sich selbst bis aufs Letzte.
Niemand kann diese Zeit fassen. Gabart selbst ist sprachlos. So fährt er auf die französische Küste zu und schließlich über die Linie. Es ist Nacht, über der Bretagne regnet es.

Als Macif am Mittag am Quai Malbert festmacht, recken sich Dutzende Mikrofone dem jungen Helden entgegen. Franqois Gabart sieht noch immer erstaunlich frisch aus. Er greift sich einen gut und gerne 70 Kilo schweren Segelsack, wuchtet ihn übers Trampolin auf den Steuerbord-Schwimmer und setzt sich fürs erste Interview darauf, strahlend. Die Worte strömen nur so aus ihm heraus, ohne Scheu, aber auch ohne jede Arroganz. Er wirk bescheiden, wie der Junge von nebenan.

Sein Dank gilt zuerst seinem Team, das ihn zum Empfang vor laufenden Kameras auf Händen getragen hat, und den Menschen von Brest, die ihn so grandios willkommen heißen: "Ich bin euch allen unendlich dankbar." Ein Bilderbuchheld. Es fliegt Konfetti, laute Musik spielt.

Stunden später erscheint er im kleinen Saal des Hafenbüros, dunkle Jeans, graues Fleece. Er ist aufgeräumt und lacht, ruft sein Team hinzu und nennt jeden einzeln beim Vornamen. Und beim anschließenden Foto steht er nicht in der Mitte der Reihe, er hat sich an den Rand gestellt.

Emmanuel Macron, dem Hochseesport durchaus zugetan, twittert: "Was für ein Ergebnis! Alle meine Glückwünsche zu dieser außergewöhnlicher Leistung."
Frangois Gabart, kurz vor dem Gehen, sagt, er habe von all den Tweets und Bekundungen gehört. Und erwerde sie alle in Ruhe lesen - kurz vor Weihnachten, wenn er wieder aufgewacht ist.



Wer ist dieser Mann, vor dem die Segelwelt sich verneigt?
Der Bretone, der Segelgeschichte schrieb.


2012 startet in Les Sables-d'Olonne die Vendée Globe, eine Non-Stop-Regatta für Einhandsegler, die entlang des Südpolarmeers einmal um den Globus führt und deswegen als die härteste Einhandregatta der Welt gilt.
Am 27. Januar 2013 erreicht François Gabart in 78 Tagen das Ziel an der westfranzösischen Küste. Mit 30 ist er jüngster Sieger des Wettbewerbs.



Die Neue Zürcher Zeitung titelt in Anlehnung an Jule Vernes berühmten Roman: "In 78 Tagen um die Welt".



François Gabart, geboren 1983 in Saint-Michel-d'Entraygues, ist schon immer äußerst diszipliniert und talentiert. Frankreichs neuer Seeheld schließt die Schule mit Bestnoten ab. Seine Schwester sagt, er sei kaum auf Partys gegangen, habe stets sehr zieklstrebig gearbeitet.
Er studiert - neben Segeln - Maschinenbau und Entwicklung. Sein Vater Dominique, Zahnarzt, hat ihn zum Segeln gebracht, mit einem Opti gings los ...
Die Mutter Catherine ist Richterin in Angoulême.
1989 nehmen die Eltern ein Sabbatjahr. Die Familie (François ist 6) segelt auf der Yacht "Pesk Avel" (bretonisch: "Oberflächenfisch") zu den Kanaren, Kapverden, Antillen, in die USA und zurück. In Amerika entdeckt François den Optimisten, auf dem er segeln lernt.

François Gabart hat einen Sohn Hugo, der mit seiner ersten Frau Henrietta - sie haben sich getrennt - in Norwegen lebt.




Die Zeit danach

Eine Leistung, die ihm immer noch in den Knochen steckt: "Ich hatte ein paar Wochen Urlaub, bin aber immer noch sehr müde. Es dauert lange, bis der Körper wieder so leistungsfähig ist wie vorher".
Das Schwerste sei es, wieder zu lernen, eine komplette Nacht durchzuschlafen und bei jedem Aufwachen nicht direkt wieder verschreckt nach irgendwelchen Messgeräten zu suchen, die kontrolliert werden müssen.
"Es klappt noch nicht jede Nacht. Aber viel frische Luft, ein bisschen Sport und gutes Essen haben mir schon viel bei der Regeneration geholfen".



Neben der körperlichen und geistigen Regeneration verbringt Gabart viel Zeit damit, Interviews zu geben, Ehrungen einzuheimsen und Sponsorengelder für seine kommenden Projekte einzusammeln.
Im November will er noch einmal an der Route du Rhum teilnehmen, einer prestigeträchtigen Regatta quer über den Atlantik. Ende 2019 wird er dann abermals versuchen, so schnell wie möglich um die Welt zu segeln – und seine Fabelzeit womöglich noch einmal zu unterbieten. Aber dann?

"Ich habe einige Ziele und Träume. Aber ich habe keine Idee, wie meine Zukunft aussieht."
Der studierte Ingenieur hat bereits drei Firmen gegründet, allesamt in der Segelbranche. Dazu beteiligt er sich seit Neuestem an einem Unternehmen, das zu einer Art Airbnb für Yachten werden soll.



Als kompletten Geschäftsmann sieht sich Gabart zurzeit aber noch lange nicht.
"Segeln ist einfach mein Leben – jedenfalls im Moment. Aber man kann seine Leidenschaft nicht kontrollieren. Wenn ich eines Tages nicht mehr auf diesem Niveau segeln kann, hoffe ich, stark genug zu sein und neue Ziele zu finden, die mein Leben mit Freude erfüllen."
Gabart wohnt in La Forêt-Fouesnant/Departement Finistère. 'Tal der Verrückten' heißt die Gegend. Viele Solo-Skipper stammen von hier.









Ein Augenzeuge berichtet

Kurz vor zehn am Sonntagmorgen taucht das Raumschiff des François Gabart am Horizont auf. Es ist der dritte Advent! Und es ließe sich fast von einer Erscheinung sprechen. Wie eine Nadel ragt der 35 Meter hohe Mast des Trimaran mit Namen Macif neben der Landspitze von Saint-Mathieu in den Himmel, der Rumpf aus dieser Entfernung nur eine flache Silhouette, die über das Wasser zu fliegen scheint. Sechs, sieben Schlauchbotte haben sich am weitesten aus der Brester Bucht hinausgewagt, jetzt geben sie Vollgas, um einen Mann zu empfangen, der da gerade wie ein neuer Messias der Meere zurückkehrt.
42 Tage, 16 Stunden, 40 Minuten, 35 Sekunden: So lange hat er gebraucht, um von der Insel Ouessant bis zur Insel Ouessant zu segeln.
Es ist die zweitschnellste Zeit, mit der Menschen jemals unter Segeln unseren Planeten umrundet haben. Die schnellste Zeit - zwei Tage kürzer als Gabarts - ist erst ein Jahr alt, im Januar 2017 von Francis Joyon auf dem Tri "Idec" aufgestellt, allerdings mit einer Crew an Bord.

Draußen auf dem Wasser kommt der Trimaran nun heran. Es wehen nur zwei Bft., aber die Motorboote müssen Gas geben, um mitzuhalten. Mit gut 15 Knoten schwebt Macif dem triumphalen Einzug nach Brest entgegen.
Kurz nach zehn Uhr sind es weit über 100 Boote, die Gabart das Geleit zum Hafen bereiten. Ein Kreuzer der Marine ist rausgefahren, Lotsen und Fischerboote, Ribs, Fähren und Yachten drängeln sich um den Trimaran, sodass die Rümpfe hier und da schon aneinander geraten. Im Himmel fliegen Helikopter, senden Live-Bilder ins französische Fernsehen, die bald um die Welt gehen werden und es in Deutschland, auch das ein kleines Wunder, sogar in die Abendnachrichten schaffen.
Auf der Macif haben derweil längst die Techniker des Teams das Ruder übernommen; sie waren schon in der Nacht an Bord gekommen, nachdem Gabart die imaginäre Ziellinie vor Ouessant gekreuzt hatte. Jubelrufe ertönen. "François! François!"

Es ist fast wie auf einem Popkonzert. Und dann springt er an Deck, der Mann der Stunde. Ein rotblonder Schopf, dunkles Ölzeug, leichter Bart, blass, aber über beide Ohren lächelnd. Gabart, 34 Jahre jung, hebt die Arme, turnt leichtfüßig über die drei Rümpfe, winkt von backbord, grüßt von steuerbord. Schreie der Begeisterung fliegen ihm zu, auf einem Motorboot fügt ein Mädchen Daumen und Zeigefinger zu einem Herz. Gabart muss sich fühlen wie Neil Armstrong auf der Madison Avenue, nach dem Mondflug mitten in der New Yorker Konfettiparade.

Ein Feuerlöschboot pustet mächtige Wasserfontänen in die Luft. Sogar Kanuten und Stand-up-Paddler gesellen sich aufs Wasser, um den Helden zu empfangen. An der Einfahrt zum Brester Hafen herrscht Volksfeststimmung. Auf der Mole und an der Pier haben sich weit über 5000 Menschen eingefunden. Brest, der Rekordhafen, kennt das zwar alles schon - viele Segelstars sind hier von ihren Donnerritten heimgekehrt. Aber das ist dann doch noch mal eine andere Nummer.
Draußen steht Gabart am Vorstag, zündet rote Rauchfackeln und schwenkt sie zum Zeichen des Sieges. Er ist klein, wirkt fast zierlich. Spaziert mit erhobenen Armen über die Trampoline und Rümpfe, als sei er mit seinem Trimaran in den letzten sechs Wochen verwachsen.

Nach Marc Bielefeld/YACHT