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FYN 7



Tess Jaray

In Scipio's days

one could walk
all the way
through the north
of Africa in
the shade



Vor ungefähr 6.000 Jahren erschütterte eine massiven Klimaänderung die alte Welt, beträchtliche Bereiche der damals üppigen, teilweise sogar bewaldeten Graslandsavanne trockneten rasch aus und verwandelten sich in raues Ödland. Die große Sahara-Wüste im arabischen Nordafrika und die riesigen Wüsten des mittleren Ostens und Zentralasiens gab es damals noch nicht. Die globale Erwärmung nach den Eiszeiten beschleunigte das Austrocknen dieser enorm großen Wüstenregionen, die als „Saharasia“ (=Sahara/Arabia/Asia) bekannt ist.
Archäologische und paläoklimatische Studien beweisen, dass der große Wüstengürtel der heutigen Saharasia eine zum Teil bewaldete Graslandsavanne gewesen ist. Eine vielgestaltige Tierwelt – Elefanten, Giraffen, Rhinozerosse und Gazellen – lebte im grasbewachsenen Hochland, während Nilpferde, Krokodile, Fische, Schlangen und Mollusken in den Bächen, Flüssen und Seen gediehen.
Heute ist der größte Teil dieser Regionen Nordafrikas, des Mittleren Ostens und Zentralasiens sehr trocken und ohne jede Vegetation, was auch soziale und emotionale Verwüstung bei den Menschen in dieser Region erzeugte.



Warum glauben die Meister der Prosa, in ihrer Freizeit Gedichte verfassen zu können? James Joyce hat es getan, John Gardner, Raymond Carver, John Updike, Joyce Carol Oats (könnte ich mir vorstellen), usw.
Gedichte, so denken sie, sind wie Romane, nur viel kürzer und daher viel einfacher, wissen Sie.
Und so lese und rezensiere ich hier gleichzeitig W. G. Sebalds sehr, sehr schmalen Gedichtband For Years Now. Bevor Sie glauben, ich sei respektlos oder unfair, wenn ich einen Gedichtband gleichzeitig lese und rezensiere, lassen Sie mich das erste Gedicht in seiner Gesamtheit zitieren:

Man sagt

Napoleon war
farbenblind
& konnte
rot
von Grün nicht unterscheiden

Ja, das war's. Es gibt 23 dieser Dinge, die ungefähr gleich lang sind, so dass dieses Buch etwa 300 Wörter lang ist.
Der größte Teil des Buches ist der "Kunst" gewidmet. In diesem Fall bestehen die folgenden vollen zwei Seiten aus Grafiken, "Bilder" werden sie auf der Titelseite genannt, alle liebevoll von Tess Jarary kopiert. Grüne und weiße Rechtecke, die schief über die Seite verteilt so eine Art schlampige Tapete bilden. Diese Tapetenbilder korrespondieren mit dem vorhergehenden Gedicht (in diesem Fall grün und grün). Das nächste Gedicht:

Bitte

schick mir
den braunen Mantel
den ich früher
auf
meinen nächtlichen Fahrten trug

Was folgt, ist eine Tapete, die aus einem braunen Feld mit winzigen weißen Fischeiern besteht.

Anscheinend

sind die roten Flecken
auf dem Jupiter
Jahrhunderte alt
Wirbelstürme

Was folgt, ist eine durchgehend rote Seite mit, Sie wissen schon, roten Flecken. (Eigentlich Quadrate, aber wo ist der Unterschied?). Und so weiter.
Aber der ausgehungerte Leser kann kleine Flecken von Interesse finden. Klassische Anspielungen gibt es im Überfluss (nun ja, sie gibt es im Überfluss in einem Buch, das aus 200 Wörtern oder so besteht). Sowohl Plinius als auch Scipio werden erwähnt. Die Bekenntnisdichter haben einen offensichtlichen Einfluss gehabt:

Der Geruch

meines Schreibpapiers
erinnert mich an
an die Holzspäne (sic)
im
Sarg meines Großvater's

Vielleicht ist "woodshavings" ein Wort in England. Ich war zu faul, es nachzuschlagen. Abgesehen von der Rechtschreibung, hat mich dieses Gedicht dazu gebracht, über die Entscheidungen zu spekulieren, die Dichter treffen müssen, wenn sie auf Interpunktion verzichten, wenn es um Possessive geht. Ich meine, ist der Apostroph in "Großvaters" nicht eine Störung, eine Unreinheit? Eein Zeichen von Schwäche? Ich werde W. S. Merwin eine e-Mail dazu schreiben müssen.

Das beste Gedicht ist dieses, ein weiteres Bekenntnis:

Ich erinnere mich jetzt

es gab Bilder
von Enthauptungen
in meinem Haus
im Zimmer des Meisters

Eine dunkelrote (fast blutrote) Seite mit winzigen weißen Quadraten (Totenköpfe?) gegenüber. Es erinnert mich daran, meine Kinder nicht ins Internat in die Schweiz zu schicken.
Ich muss leider sagen, dass ich dieses Buch besitze. Und ich habe £6,50 dafür bezahlt.
Warum habe ich dieses Buch gekauft? Weil ich W. G. Sebald so sehr liebe! Wirklich, ich bin ein großer Fan und habe alle seine (Prosa-)Bücher gelesen (Austerlitz zweimal). Aber dieser Gedichtband ist lächerlich. Das Mindeste, was er hätte tun können, wäre, statt Gedichtband ein Buch mit Bildunterschriften zu nennen. Dann könnte man es in der Kunstabteilung unterbringen, wo grafischer Unsinn wohnt.
Was auch immer es ist, es ist Papierverschwendung (es ist zwar schön gedruckt, obwohl es ein Taschenbuch ist). So etwas mag 1971 cool gewesen sein, aber heute ist es eine Übung in trostloser Kunstgeilheit und Anmaßung. Weglaufen ...
M. D. Hudson





Andächtig hat Christoph Bartmann diesen Band in den Händen gehalten, der dreiunddreißig von Jan Peter Tripp gezeichnete "Augenlandschaften" mit bisher unveröffentlichten Prosa-Miniaturen von W.G. Sebald verbindet, eine "Wahlverwandtschaft im Zeichen der Schwermut". Kaum nötig, darauf hinzuweisen, dass auf Tripps Bildern ebenso wenig gelacht werde wie in Sebalds Büchern. Doch für Bartmann steigert Tripps "verschärfender Zugriff" auf die Augen eines Proust, Beckett oder Borges noch den Ernst - oder gar "die metaphysische Trauer" - in eine unheimliche, "furchterregende Tiefe".
Sebalds dazugestellte Miniaturen findet Bartmann sogar so schwermütig schön, dass er die Behauptung wagt: "Man müsste sich schon an einen Mast ketten lassen, um vor der Sirenenkraft solcher Sätze gefeit zu sein." Lob geht auch an das "kluge Nachwort" von Andrea Köhler ...





Michael Hamburgers seltsam bekenntnishafte "Translator's Note" am Anfang von Unrecounted, dem Gedichtband, den er 2005 posthum aus dem Deutschen von Sebald übersetzt hat:
Obwohl Max Sebald mir Exemplare aller seiner seit unserer ersten Bekanntschaft erschienenen Bücher geschenkt hatte, erwähnte er mir gegenüber nie die Schriften dieser Miniaturen und gab mir kein Exemplar von For Years now.
Hamburger beschreibt den letzten Lebensabschnitt Sebalds "als eine Zeit der Krise ... voll von Rätseln, Konflikten und Widersprüchen, die er nicht zu klären suchte." Als langjähriger Freund zeigte sich Hamburger etwas verärgert darüber, dass Sebald "bereitwillig für Interviews zur Verfügung stand, in denen es um Dinge ging, die er seinen engsten Freunden gegenüber nicht preisgeben wollte."