Jemand, der die Sebaldseite regelmäßig (und mit dem größten Vergnügen) genießt, schreibt uns:
Catherine, barfuß in einem roten Kleid und – etwas später – mit einem roten Hut, der einem Pilgerhut glich, war mir, wie dem Erzähler, gleich bei
der ersten Begegnung ans Herz gewachsen. Des Erzählers Abschied von Catherine schmerzte mich (wie den Erzähler). |
Die Aufführung in einem ehemaligen Kino in Kreuzberg, dort, wo vor drei Jahren noch die Mauer Berlin getrennt hat, beginnt um 22 Uhr. Eine Stunde vor Mitternacht stehen wir schon wieder auf der Straße, vor dem Eckhaus Cuvrystraße/Schlesische Straße, das die "Berliner Schaubühne" als Probebühne nutzt. Was haben die rund hundert Menschen erlebt, die sich in dem kleinen Raum drängen? Schöne, fremde, fast statische Bilder. Leise, wie in Trance, sprechen die bekannten Darsteller der Schaubühne und erzwingen Aufmerksamkeit für einen Bilderbogen, den der Dramaturg Dieter Sturm aus den Fragmenten zusammengestellt hat, über die der livländische Pastorensohn Jakob Michael Reinhold Lenz um 1775/76 den Titel gemalt hat: „Catharina von Siena". Lenz gilt neben Friedrich Maximilian Klinger und seinem Freund aus Straßburger Studententagen, Goethe, als einer der Feuerköpfe der Theaterrevolution des Sturm und Drangs. In der Andachtstunde, die der Regisseur Klaus Michael Grüber in Berlin zelebriert, herrschen eher Windstille und Weltabkehr. Und doch ist die Aufführung, in ihrer bis zur Manie gesteigerten Künstlichkeit und Formstrenge, ein Ereignis in dieser sich an Beliebigkeiten und Banalitäten verschwendenden Spielzeit.“ (Die Zeit 20.11.1992) |