Katedrála svatého Víta, Václava a Vojtěcha
Veitsdom




Religiöses Herz Prags ist der Veitsdom inmitten des Hradschin, dem größten geschlossenen Burgareal der Welt. Seine Einweihung findet nach 1000jähriger Bauzeit 1929 statt. Gotik, Renaissance, Klassik (sehr umstritten die Dopppeltürme) lösen sich ab.














"Proletarier aller Länder vereinigt Euch!"

St. Veit ist der Schutzheilige Prags und Böhmens.
Nach ihm heißen Sankt Veit am Vogau in Österreich und die dortige Wallfahrtskirche St. Vitus, von deren Deckenfresko Felix Barazuttis Karl Marx den Gläubigen erfolglos seinen Imperativ zuruft.
Barazutti stellt die zerbrechende Welt dar, gegen die "Rerum Novarum", Leos XIII. Sozialenzyklika, vergeblich ankämpft. Standbilder des Kaiserreiches stürzen um, der letzte Habsburger-Herrscher wird seiner Insignien beraubt und im Hintergrund wiegelt Karl Marx die Arbeiter auf.



Karl Marx, einflussreichster Theoretiker des Sozialismus, an dessen Ideen sich noch immer hitzige Kontroversen entzünden, geboren 1818 als Sohn eines jüdischen Anwalts in Trier, der, Freimaurer, kurz vorher zum Protestantismus konvertiert. Marx studiert Jura, Geschichte und Philosophie, wird Linkshegelianer. Diese befassen sich mit den Problemen der preußischen Gesellschaft, insbesondere Armut, staatlicher Zensur und Diskriminierung der Nicht-Protestanten. Er promoviert zum Dr. phil., wird Redakteur einer liberalen Zeitung, die Zensur untersagt ihr Erscheinen 1843. Marx geht nach Paris, lernt Heinrich Heine kennen, mit dem er zeitlebens befreundet bleibt. Mit Friedrich Engels beginnt reger Briefwechsel, der zu lebenslanger Freundschaft und Zusammenarbeit wird.

Marx beginnt mit philosphisch-ökonomischen Studien und beteiligt sich am in Paris erscheinenden deutschen Wochenblatt Vorwärts!, das den Absolutismus der deutschen Länder – besonders Preußens – angreift, unter Marx’ Einfluss bald mit deutlich sozialistischer Ausrichtung. Marx muss 1845 nach Brüssel übersiedeln, Engels folgt.
In England knüpfen sie Verbindungen zum revolutionären Flügel der Chartisten. 1846 gründen sie das Kommunistische Korrespondenz-Komitee, Ziel: inhaltliche Einigung und organisatorischer Zusammenschluss der revolutionären Kommunisten und Arbeiter Deutschlands und anderer Länder. 1848 veröffentlicht Marx das Kommunistisches Manifest
1848 Revolution in Frankreich, März in Deutschland, dann Reaktion. Marx kehrt nach Paris zurück, geht mit Familie ins Exil nach London, überlebt durch Unterstützung vor allem Engels', widmet sich der internationalen Agitation für den Kommunismus, erarbeitet den endgültigen Stand seiner Kritik des Kapitalismus.

Ab 1852 ist Marx Londoner Korrespondent der New York Daily Tribune und jahrelang Redakteur für Europa. Seine Artikel sind umfassende Analysen der politischen und ökonomischen Lage der Länder, 1862 ist er Korrespondent der Wiener Presse, stürzt sich in das Studium der politischen Ökonomie und beteiligt sich an der internationalen Arbeiterbewegung, prägt mit seinen Theorien diese Bewegung weltweit und tief, angefangen bei den sozialistisch-kommunistischen Bewegungen Russlands und Deutschlands bis zu denen Lateinamerikas und Ostasiens.

Der heutige Marxismus ist tief gespalten, in oft sich völlig widersprechende Richtungen - aber auch der Marxismus Marx' ist kein geschlossenes System, woraus zwangsläufig die verschiedensten Interpretationen folgen. So machen Marx und Engels etwa widersprüchliche Aussagen darüber, ob sozialistische Revolutionen zwingend in einem hochentwickelten kapitalistischen Land stattfinden müssen oder die Phase des Kapitalismus unter besonderen Umständen übersprungen werden könnte.

Die Anklage:
Dem Angeklagten wird vorgeworfen, aufgrund seiner Ideen seien Millionen von Menschen unterdrückt, verschleppt, gefoltert, ermordet, Opfer einer Doktrin geworden, die ihre Folter- und Mordwerkzeuge und Kreuzzüge gegen die Menschlichkeit unter Berufung auf den Angeklagten erfunden hätte ...
Auch die Tschechoslowakei lebt und leidet ab 1948 als Satellitenstaat der Sowjetunion, als Teil des Ostblocks, als Mitglied des Warschauer Vertrags und des Rats für gegenseitige Wirtschaftshilfe für 50 Jahre unter dem real existierenden Sozialismus.

Die Verteidigung (Auszüge aus dem Pläoyer Dr. Michael Schmidt-Salomons):
Ich habe die gleiche Schule wie Marx besucht.
... aus reiner Neugier nahm ich mir den Abituraufsatz meines berühmten Mitschülers vor. Noch heute kann ich mich gut daran erinnern, welch merkwürdiges Gemisch aus Bewunderung und peinlicher Berührung sein Deutschaufsatz bei mir hinterließ.
Besonders die letzten Sätze hatten es mir angetan:

"Die Geschichte nennt diejenigen als die größten Männer, die, indem sie für das Allgemeine wirkten, sich selbst veredelten; die Erfahrung preist den als den Glücklichsten, der die meisten glücklich gemacht"

Die Verteidigung zeigt auf, dass es falsch ist

  • Marx für die Verbrechen des bolschewistischen Systems verantwortlich zu machen
  • zu behaupten, Marxisten seien im real existierenden Sozialismus erwünscht gewesen
  • den Nutzen des Marxismus beim Aufbau einer wahrhaft offenen und gerechten Gesellschaft zu leugnen

I.
Die Behauptung, Marx sei als Schreibtischtäter verantwortlich für das, was Lenin, Stalin & Co. praktizierten, beruht auf der Unkenntnis der Marxschen Schriften und geschichtlichen Prozesse, die zur Etablierung des bolschewistischen Herrschaftssystems führten.
Zentrale Aspekte marxistischer und leninistischer Philosophie sind unvereinbar. Vergesellschaftung bedeutet bei Marx freie Assoziation der Produzenten, Aufhebung entfremdeter Produktions- und Konsumtionsweisen, Verwirklichung des Selbst als Individuum wie auch als Gattungswesen.

In Lenins Sowjetunion wird der Staat zum allmächtigen, abstrakten Kapitalisten, eine besondere Spielart des Kommunismus, die Marx verächtlich als "roh" bezeichnet, als "Erscheinungsform von der Niedertracht des Privateigentums", welche "die Persönlichkeit des Menschen überall negiert".
Lenins Denken fußt nicht in der Tradition der europäischen Aufklärung, sondern auf dem Terroristen Netschajew.
Gleich in seiner ersten Rede nach der Rückkehr aus Deutschland ruft er zum Sturz der provisorischen Regierung auf. Die Mehrzahl der Mitglieder der Generalkonferenz reagiert darauf mit wütendem Protest. Bogdanow schrie: "Das sind die Wahnvorstellungen eines Irrsinnigen!" und Goldenberg, wie Bogdanow früherer Mitarbeiter Lenins, kommentiert zornig: "Alles, was wir eben gehört haben, ist eine völlige Verleugnung der ganzen sozialdemokratischen Doktrin, der ganzen Theorie des wissenschaftlichen Marxismus. Wir haben soeben ein klares und unmißverständliches Bekenntnis zum Anarchismus gehört. Sein Verkünder, der Erbe Bakunins, ist Lenin. Lenin, der Marxist, Lenin, der Führer unserer militanten Sozialdemokratischen Partei, ist nicht mehr. Ein neuer Lenin ist erstanden, Lenin, der Anarchist."



II.
Lew Kopelew: der Antikommunismus in der Sowjetunion ist der radikalste in der ganzen Welt. Kaum eine Nation verfolgt und richtet so viele Kommunisten hin wie die Sowjetunion. Unter den Opfern der kommunistischen Säuberungsaktionen finden sich meist Vertreter eines von der Parteilinie abweichenden Marxismus (von 11 Mitgliedern des Thälmannschen Politbüros werden sechs von Stalin und fünf von Hitlers Leuten liquidiert).
Die bekanntesten Fälle, in denen der kommunistische Staat konsequent marxistisches d.h. bolschewismuskritisches Denken mit Verhaftung oder politischer Isolation ahndet, sind in der Sowjetunion Sacharow und Kopelew, in Jugoslawien die "Praxis"-Gruppe um Gajo Petrovic, in der DDR Ernst Bloch, Robert Havemann, Wolf Biermann und Rudolf Bahro.
Petrovic, in dessen Zeitschrift "Praxis" ein Großteil der führenden "marxistischen Revisionisten" publiziert (u.a. Bloch, Lukacs, Fromm, Marcuse, Habermas, Kolakowski und Lefebvre), fasst den Grundkonsens der marxistischen Dissidenten in zwei Punkten zusammen:

  • Der Sozialismus, wie ihn Marx begriffen hat, ist keine bürokratische Diktatur, sondern eine humane Gemeinschaft der befreiten Menschen. Deshalb ist er weder durch staatliche Reglementierung des gesellschaftlichen Lebens noch durch repressive Maßnahmen herbeizuführen, sondern nur durch die Entwicklung der Demokratie, das Absterben des Staates und der Einführung der Arbeiterselbstverwaltung in der Produktion.
  • Der Stalinismus ist keine neue Stufe in der Entwicklung des Marxismus, sondern eher eine Negation seines Wesens. Marxismus ist eine humanistische Philosophie der Freiheit, Stalinismus eine pseudophilosophische Rechtfertigung der Sklaverei.


III.
Marxismus und Leninismus weisen gravierende konzeptionelle Unterschiede auf. Weil Lenin Vergesellschaftung mit Verstaatlichung verwechselt, muss er gleich nach der Revolution einen ungeheuren Staatsapparat aufbauen, der alle Teilbereiche des gesellschaftlichen Lebens reglementiert.
Mit der "Diktatur des Proletariats", mißbraucht zur Rechtfertigung der leninistischen Parteidiktatur, bildet sich eine Herrschaftsclique heraus, die genau das macht, was Marx so vehement kritisiert:
"Im Mittelpunkt ihrer Tätigkeit steht die Schaffung ungeheurer stehender Armeen, eine Masse von Staatsparasiten und kolossaler Staatsschulden."



Marxistische Intellektuelle erkennen die leninistische Konzeption sofort als Widerspruch zur Marxschen Theorie. Die Oktoberrevolution ist für sie blutige Konterrevolution, die im Wesentlichen nichts anderes erreicht als die Wiederherstellung feudaler Verhältnisse. Obwohl die kommunistischen Herrscher Kritik dieser Art brutal auszurotten versuchen, kommen immer neue Kritiker, die ihre Kritik mit Marx untermauern.

Indizien entlasten Marx hinreichend:

  • die offensichtliche Diskrepanz zwischen der marxistischen Theorie und der leninistischen Praxis
  • die Erkenntnis, daß das kommunistische System selbst mit ungeheurer Härte gegen marxistisch argumentierende Intellektuelle vorgeht
Fazit: Die Vorwürfe sind unhaltbar.


Vieles von dem, was Marx vor rund 150 Jahren schreibt, ist auch heute brennend aktuell.

Der Ruf des Riesenkopfs aus Bronze in Chemnitz alias Karls-Marx-Stadt vor seinem Manifest auf deutsch, englisch, französisch und russisch "Proletarier aller Länder vereinigt Euch!" verhallt aber weltweit ungehört.
Warum geschieht international nichts?
Würden sich die Proletarier aller Länder vereinigen, könnten sie die Globalwirtschaft lahm legen und ihr die Bedingungen diktieren ...
Die Kampfkraft der Gewerkschaften liegt noch immer nicht auf internationaler, sondern rein lokaler Ebene.
Das Kapital agiert global - die Arbeit zieht nicht nach. Ein internationaler Bund fehlt, der in den Abschluss der Tarifverträge und in Steiks eingreift, grenzüberschreitende Solidarität: Fehlanzeige.



Die Wirtschaft hat erkannt: Globalisierung ist die Verschiebung der Kräfteverhältnisse zu Gunsten der mobileren Elemente und verschafft den Akteuren weiter die Exit-Option, die Möglichkeit nämlich, den jeweiligen Ort zu verlassen.
Die Masse der Bevölkerung ist doppelt negativ von dieser Kräfteverschiebung betroffen. Zum einen als Lohnabhängige, denn ihre familiären Einbindungen benachteiligen sie mobilitätstechnisch gegenüber dem Kapital, das ihnen lohn- und arbeitszeitpolitische Zugeständnisse abringt. Zum anderen als Bürgerinnen und Bürger territorialer Gemeinwesen, die per Definition unmobil sind und der Exit-Option nichts entgegenhalten können. Als solche steigt ihr Anteil an der Steuerlast bei gleichzeitigen staatlichen Leistungskürzungen. Nur mit Absprachen zwischen den jeweils weniger mobilen Kräften könnte dieser Kräfteverschiebung begegnet, ein Gegeneinanderausspielen verhindert werden. Die allgemeinste Antwort gibt wieder Karl Marx, auch heute, indem er den kategorischen Imperativ Kants in den kommunistischen Imperativ von 1848 umwandelt:





"Proletarier aller Länder vereinigt euch!"













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