Many of Sebald's passions later in life - |
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Nach der Natur S. 42
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Gras gesehen durch eine dünne Schicht gefrorenen Wassers |
Das Ganze macht zunächst einen
Nach der Natur S. 72f.
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. . . unweit der in einem Rasenfriedhof mit schottischen Pinien und Eiben stehenden Kirche lag es in einer stillen Straße verborgen hinter einer mannshohen Mauer und einem dicht ineinandergewachsenen Gebüsch aus Stechholder und lusitanischem Lorbeer . . . Zur Rechten, hinter den Stallungen und Remisen erhob sich hoch in den klaren Herbsthimmel ein Buchenstand mit einer Krähenkolonie, die jetzt, am frühen Nachmittag, verlassen war, die Nester dunkle Stellen unter dem nur manchmal bewegten Blätterdach. Die Fassade des breit hingelagerten klassizistischen Hauses war überwachsen von wildem Wein, das Haustor schwarz lackiert . . . An der Nordseite waren die Ziegel grün geworden, scheckiger Efeu bedeckte teilweise die Mauern, und ein moosiger Weg führte am Dienstboteneingang und an den Schuppen für das Feuerholz vorbei durch tiefe Schatten und schließlich wie auf eine Bühne hinaus auf eine große Terrasse mit steinerner Balustrade, unterhalb derer ein weiter, quadratischer Rasenplatz lag, eingefaßt von Blumenbeeten, Buschwerk und Bäumen. Jenseits des Rasens, nach Westen, öffnete sich die Landschaft, ein Park mit einzeln stehenden Linden, Ulmen und immergrünen Eichen. Dahinter die sanften Wellen der Äcker und das weiße Wolkengebirge am Horizont. Sprachlos betrachteten wir lange diese in abfallenden und ansteigenden Stufen den Blick in die Ferne ziehende Anlage und glaubten ganz allein zu sein, bis wir in dem Halbschatten, der von einer hohen Zeder in der südwestlichen Ecke des Gartens auf den Rasen gebreitet wurde, eine regungslose Gestalt liegen sahen . . . Um ein kleines Erlengehölz herum kamen drei schwere Schimmel, schnaubend und im Trab Wasen aufwerfend . . .
Durch das Gebüsch an der Südseite des Rasens führte ein Pfad zu einem von Haselsträuchern gesäumten
Gang . . . Der Boden war dicht übersät mit den Schalen der aufgebrochenen Nüsse, und Herbstzeilose zu Hunderten fingen das schüttere Licht auf, das durch die trocken schon raschelnden Blätter hereindrang . . . Wir gingen zwischen einem ins Kraut geschossenen Spargelbeet mit schulterhohen Laubbüscheln und einer Reihe mächtiger Artischockenstauden hindurch zu einer kleinen Gruppe von Apfelbäumen, an denen eine Unzahl rotgelber Früchte hing. Ein Dutzend dieser Märchenäpfel, die tatsächlich in ihrem Geschmack alles übertrafen, was ich seither gekostet habe, legte Dr. Selwyn auf ein Rhabarberblatt und machte sie Clara zum Geschenk mit der Bemerkung, die Sorte trage, sinnvollerweise, den Namen Beauty of Bath.
Die Ausgewanderten S. 8ff.
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. . . und hat uns beiden je eine Kaiserbirne geschenkt, ein wahres
Wunder nicht bloß in Anbetracht dieser prachtvollen Raritäten
Die Ausgewanderten S. 49
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Hier in Bonlieu, erzählte mir Mme. Landau im Verlauf eines anderen Gesprächs, verbrachte Paul viel Zeit mit der Gartenarbeit, die er liebte wie vielleicht nichts sonst. Er hatte mich, als wir nach der Rückkehr aus Salins den Beschluß faßten, daß er von nun an in Bonlieu leben würde, sogleich gebeten, ob er sich nicht des ziemlich vernachlässigten Gartens annehmen dürfe. Und tatsächlich war dem Paul ein wahrhaft einmaliges Verwandlungswerk gelungen. Die jungen Bäume, die Blumen, die Blatt- und Kletterpflanzen, die schattigen Efeubeete, die Rhododendren, die Rosensträucher, die Stauden und Boschen - es war alles am Wachsen, und nirgends gab es eine kahle Stelle mehr. Jeden Nachmittag, wenn das Wetter es zuließ, sagte Mme. Landau, ist Paul im Garten beschäftigt gewesen, und zwischenhinein ist er lang einfach irgendwo gesessen und hat in das um ihn herum sich vermehrende Grün hineingeschaut. Ein ruhiges Sichversenken in bewegte Blätter zur Schonung und Besserung seines Auges war ihm ja angeraten worden von dem Arzt, der ihm den Star gestochen hatte.
Die Ausgewanderten S. 85
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. . . statt dessen zunächst in dem Park mich umsah, in welchem Nadelbäume beinah jeder mir bekannten Art,
libanesische Zedern, Thujen, Silberfichten, Lärchen, Arolla- und Monterey-Pinien und feingefiederte Sumpfzypressen bis zu ihrer vollen Größe
sich hatten entwickeln können. Einige der Zedern und Lärchen waren bis zu vierzig, eine Schierlingstanne gewiß an die fünfzig Meter hoch.
Zwischen den Bäumen taten sich kleine Waldwiesen auf, in denen blaue Sternhyazinthen, weißes Schaumkraut und gelber Bocksbart nebeneinander wuchsen. An anderen Stellen standen verschiedene Farne oder bewegte sich über dem Laubgrund das neue, von den einfallenden Strahlen
durchleuchtete Blattgrün japanischer Ahornsträucher.
Die Ausgewanderten S. 159f
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Ohne daß ich es gemerkt hätte, war die Marschallin Ney, veranlaßt vielleicht von meiner spürbaren Ergriffenheit
vor diesem genealogischen Kunstwerk, neben mich getreten und sagte, in ehrfürchtigem Flüsterton, diese
creation unique sei gegen Ende des letzten Jahrhunderts angefertigt worden von der Tochter eines Notars und großen Napoleonverehrers in Corte. Die mit einigen Faltern verzierten Blätter und Blütenstände am unteren Bildrand,
sagte die Marschallin, seien echte getrocknete Pflanzen aus dem maquis, Steinrosen, Myrten und Rosmarin, und
der dunkle, gewundene Stamm, der sich reliefartig von dem blauen Grund abhob, sei geflochten aus dem eigenen
Haar des Mädchens, das, sei es aus Liebe zum Kaiser, sei es aus Liebe zu ihrem Vater, endlose Stunden über ihrer
Arbeit zugebracht haben müsse.
Campo Santo S. 15
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Erst wie ich genauer mich umsah, fiel mir das Unkraut auf, die Saatwicken, der Quendel, der kriechende Klee, die Schafgarben und Kamillen, der Goldhafer und der Wachtelweizen und viele andere mir unbekannte Gräser, die um die Steine herum zusammengewachsen waren zu richtigen Herbarien und Miniaturlandschaften, halb grün noch und halb schon vertrocknet und ungleich schöner, so dachte ich mir, als der von den deutschen Friedhofsgärtnern verkaufte, meist aus vollkommen gleichförmigen Erikastauden, Zwergkoniferen und Stiefmütterchen bestehende, in strikt geometrischer
Anordnung in makellose, rußschwarze Erde gesetzte sogenannte Grabschmuck, der mir aus meiner jetzt so
weit schon zurückliegenden Kindheit und Jugend im Voralpenland noch in unlieber Erinnerung ist.
Campo Santo S. 22
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Der Degradationsprozess der am höchsten entwickelten Pflanzenarten begann bekanntlich im Umkreis der
sogenannten Wiege unserer Zivilisation. Die dereinst bis an die dalmatinischen, iberischen und nordafrikanischen
Meeresufer reichenden Hochwälder wurden größtenteils am Anfang unserer Zeitrechnung schon geschlagen. Nur
im Inneren Korsikas erhielten sich einzelne, die heutigen Wälder um vieles überragende Baumgesellschaften, die
noch von Reisenden im 19. Jahrhundert mit einem Ausdruck von Ehrfurcht beschrieben wurden, seither aber
nahezu gänzlich erloschen sind. Von den Weißtannen, die im Mittelalter zu den vorherrschenden Baumarten Korsikas
gehörten und die überall an den Nebelstaulagen des Gebirges, an den Schattenhängen und in den Schluchten standen, gibt es heute bloß noch geringe Relikte im Marmanotal und in der Forêt de Puntiello [Pianello? Valdu-Niellu? Voldonello?], wo bei einer Wanderung ein Erinnerungsbild in mir auftauchte an einen Wald im Innerfern, durch den ich als Kind einmal mit dem Großvater gegangen bin.
Campo Santo S. 39f
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Der englische Landschafter und Schriftsteller Edward Lear, der im Sommer 1876 durch Korsika reiste, berichtete
von den immensen Waldungen, die damals aus der blauen Düsternis des Solenzaratals in die Höhe stiegen über die steilsten Hänge und bis hinan zu den lotrechten Schroffen und Klippen, auf deren Vorsprüngen, Simsen und obersten Stufen kleinere Baumgruppen standen wie Federbuschen auf einem Helm. Auf den ebeneren Flächen der Passhöhe zu bedeckte ein dichtes Kleid der verschiedensten Sträucher und Kräuter den sanften Boden, über den man ging. Erdbeerbäume, eine Vielzahl von Farnen, Erika- und Wacholderstauden, Gräser, Asphodelen und Zwergzyklamen wuchsen um einen her, und aus all diesen niedrigen Pflanzen heraus strebten die grauen Stämme der Larizio-Pinien, deren grüne Schirme weit, sehr weit droben frei zu schweben schienen in der vollkommen klaren Luft.
Campo Santo S. 40f.
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Von einem Plateau über dem Paß, auf das ich hinaufgestiegen war, so berichtet Lear, überblickte ich den gesamten
Wald, ein von leuchtenden Felswänden umfaßtes, hunderte von Metern Rang für Rang zu einer unsichtbaren Bühne absteigendes Naturtheater, als dessen rückwärtiger Prospekt über dem Ausgang des Solenzaratales an jenem Morgen das Meer zu sehen war und hinter dem Meer, wie mit einem Pinselstrich auf das Papier gezogen, die italienische Küste. Mit Ausnahme vielleicht nur der geheimnisvollen Felsenburgen und Säulen von Gebelseral auf der Halbinsel Sinai habe ich nirgends noch auf meinen vielen Reisen, schreibt Lear, vor solch prachtvollen, mich ganz in ihren Bann schlagenden Bildern gestanden wie hier in diesem Wald von Bavella.
Campo Santo S. 41
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Außerdem ein china-
Über das Land und das Wasser S. 82
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Campo Santo S. 236
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Die libanesische Zeder, an die ich, in Unkenntnis noch der unguten Dinge, die seither geschehen sind, gelehnt stehe, ist einer der bei der Anlage des Parks gepflanzten Bäume, von denen so viele sonst, wie gesagt, schon verschwunden sind. Etwa seit der Mitte der siebziger Jahre hat das Abnehmen der Bäume sich zusehends beschleunigt, und insbesondere unter den in England häufigsten Baumarten ist es zu schweren Einbrüchen, ja in einem Fall sogar zu einer so gut wie völligen Ausrottung gekommen. Um 1975 hat die von der Südküste ausgehende holländische Ulmenkrankheit Norfolk erreicht, und kaum waren zwei, drei Sommer vergangen, gab es in unserem Umkreis bald keine lebende Ulme mehr. Die sechs Ulmen, die den Teich in unserem Garten überschatteten, sind im Juni 1978, nachdem sie noch einmal ihr wunderbar helles Grün entfaltet hatten, innerhalb weniger Wochen verdorrt. Mit unglaublicher Geschwindigkeit liefen die Viren durch das Wurzelwerk ganzer Alleen und lösten die Verengung der Kapillargefäße aus, die in kürzester Frist zum Verdursten der Bäume führt. Selbst vereinzelte Exemplare wurden von den Flugkäfern, die die Krankheit verbreiteten, mit unfehlbarer Sicherheit aufgefunden. Einer der vollkommensten Bäume, die ich je gesehen habe, war eine nahezu zweihundertjährige Ulme, die allein auf freiem Feld stand, nicht weit von unserem Haus. Sie erfüllte einen wahrhaft enormen Luftraum. Ich entsinne mich, wie sie, als die meisten Ulmen in der Gegend der Krankheit bereits erlegen waren, ihre zahllosen, leicht asymmetrischen, fein gezahnten Blätter in einer Brise bewegte, als müßte die Seuche, die ihr gesamtes Geschlecht niedergemacht hatte, an ihr spurlos vorübergehen, und ich entsinne mich ferner, daß nach Ablauf von kaum vierzehn Tagen all diese scheinbar unverletzlichen Blätter braun und eingerollt gewesen sind und daß sie sich noch vor dem Herbst aufgelöst hatten in Staub.
Um dieselbe Zeit begann ich zu bemerken, daß die Kronen der Eschen sich mehr und mehr lichteten und daß das Eichenlaub schütter wurde und seltsame Mutationsformen zeigte. Die Bäume selbst fingen zugleich an, direkt aus dem harten Astholz heraus Blätter zu treiben und im Sommer schon massenhaft steinharte, verkrüppelte und mit einem klebrigen Stoff überzogene Eicheln abzuwerfen. Die Buchenbestände, die sich bislang einigermaßen gehalten hatten, wurden von einer Reihe extrem trockener Jahre stark in Mitleidenschaft gezogen. Die Blätter hatten nur die Hälfte ihrer normalen Größe, die Bucheckern waren fast ausnahmslos taub.
Die Ringe des Saturn S. 312ff. |
Da in England die Richter in aller Regel bis ins fortgeschrittene Alter hinein im Amt bleiben, war Frederick Farrar eben erst in den Ruhestand eingetreten, als er 1982 das Haus in unserer Nachbarschaft erwarb, um sich dort ganz der Zucht seltener Rosen und Veilchen zu widmen. Daß auch die Iris zu seinen besonderen Vorlieben zählte, brauche ich eigentlich kaum anzufügen. Der Garten, den Frederick Farrar um diese von ihm in Dutzenden von Variationen gehegten Blumen herum zusammen mit einem tagtäglich ihm zur Hand gehenden Gehilfen im Verlauf eines Jahrzehnts anlegte, gehörte zu den schönsten in der ganzen Gegend, und oft bin ich in der letzten Zeit, nachdem ein Schlag ihn gestreift hatte und er sehr gebrechlich geworden war, dort mit ihm gesessen und habe mir erzählen lassen von Lowestoft und von der Vergangenheit. In diesem Garten ist es dann auch gewesen, daß Frederick Farrar sein Ende fand, an einem wunderbaren Tag im Mai, als er es, während seines morgendlichen Rundgangs, irgendwie fertigbrachte, mit dem Feuerzeug, das er stets in seiner Tasche trug, seinen Schlafrock in Brand zu stecken. Der Gärtnergehilfe entdeckte ihn eine Stunde später, bewußtlos und mit schweren Verbrennungen am ganzen Leib, an einer kühlen Stelle im Halbschatten, wo die winzige, beinahe schwarzblättrige Viola Labradorica zu einer richtigen Kolonie sich ausgebreitet hatte.
Die Ringe des Saturn S. 63
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Zwischen diesen Papierbergen hatte ein gutes Dutzend Zimmerpflanzen in einfachen Tonscherben ebenso wie in bunten Majolikatöpfen Platz gefunden, Mimosen und Myrten, dickblättrige Aloen, Gardenien und ein großer, in vielen Windungen um ein Spaliergitter sich rankender Honigstock.
Austerlitz S. 211f.
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