Ich habe menschlich, jugendlich gefehlt,
Die Macht verführte mich, ich hab' es nicht
Verheimlicht und verborgen, falschen Schein
Hab' ich verschmäht mit königlichem Freimuth,
Das Ärgste weiß die Welt von mir, und ich
Kann sagen, ich bin besser als mein Ruf.
Maria Stuart
Am 8. Februar 1587 erscheint in der Großen Halle von Schloss Fotheringhay (von dem heute nur noch ein Hügel übrig ist)
eine Frau, gekleidet wie eine Nonne:
Schwarzes Satinkleid mit Samt gesäumt. Am Gürtel trägt sie zwei Rosenkränze und ein weißer Schleier bedeckt ihr
Haar. Am Schafott legt sie Schleier und Oberbekleidung ab, darunter trägt sie
Samtunterrock und Satinmieder, dunkelrot: Symbolfarbe für Märtyrertum, Mut und königliches Blut.
Der unerfahrene Scharfrichter ist nervös; drei Schläge mit der Axt muss er führen, um Marias Kopf vom
Körper zu trennen. Der erste vermutlich tödliche Schlag trifft den Hinterkopf, der zweite den Hals,
erst der dritte trennt den Kopf vom Rumpf.
Der Henker will mit dem Ruf "Es lebe die Königin" den Schädel an den Haaren emporheben, aber aus der
Perücke rollt der Kopf mit kurzgeschorenem grauen Haar auf das Schafott.
Es ist das Haupt der 45jährigen Maria Stuart, die 1559 bis 1560 Königin von Frankreich und 1542 bis 1567 Königin von
Schottland war. Eine Kommission aus 40 Adeligen befindet sie am 25. Oktober 1586 des Hochverrats für
schuldig: Beteiligung an der Babington-Verschwörung – einem Attentatsplan auf Königin Elisabeth I.
Ober- und Unterhaus fordern einstimmig ihre sofortige Hinrichtung.
Stefan Zweig über Maria Stuart:
Nichts hat die Lebenslinie Maria Stuarts so sehr ins Tragische gewendet, als dass ihr das Schicksal
alles an irdischer Macht so trügerisch mühelos in die Hände gibt. Ihr Aufstieg erfolgt in derart
rakentenhaft geschwínder Kurve - mit sechs Tagen Königin von Schottland, mit sechs Jahren Braut
eines der mächtigsten Prinzen Europas, mit 17 Jahren Königin von Frankreich -, dass sie das höchste Maß an äußerer
Macht schon in den Händen hält, noch ehe ihr inneres Leben wahrhaft begonnen hat. Alles fällt ihr aus unsichtbaren
Füllhorn scheinbar unerschöpflich zu, und nichts davon ist durch eigenen Willen erworben, durch eigene Kraft erkämpft,
nichts Mühe und nichts Verdienst, alles Erbe, Gnade und Geschenk.
Wie im Traum, wo alles flughaft-farbig
vorüberflieht, erlebt sie sich in Hochzeits-, im Krönungskleide, und ehe sie mit wachen Sinnen diesen verfrühten
Frühling begreifen kann, ist der schon verblüht, verwelkt, vorüber, und sie erwacht enttäuscht,
geplündert, beraubt, verstört. In einem Alter, da andere erst zu wünschen, zu hoffen, zu begehren beginnen, hat sie bereits
alle Möglichkeiten des Triumphes durchschritten, ohne Zeit und Muße gehabt zu haben, ihn auch seelisch zu erfassen.
In dieser Vorschnelle ihres Schicksals ist aber auch das Geheimnis ihrer Unruhe und Ungenügsamtkeit im
Samenkorn verschlossen: wer so früh die Erste eines Landes, einer Welt gewesen, wird sich nie mit kleinem
Lebensmaß mehr bescheiden können. Nur schwache Naturen verzichten und vergessen, die starken aber fügen sich nicht
und fordern auch das übermächtige Schicksal zum Kampf heraus.
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Im Kindesalter in Frankreich an der Seite ihres künftigen Ehemanns Franz II. erzogen, durch seinen frühen Tod mit 17 Witwe,
1561 Rückkehr nach Schottland, Verwicklung in die zahllosen Spannungen der konkurrierenden Adelsfamilien.
1567 Ermordung ihres zweiten Gemahls Lord Darnley 1567 - an der ihr Mittäterschaft angelastet wird - Gefangennahme,
Abdankung, Flucht, Exil in England, wo sie in Dauerkonflikt mit Königin Elisabeth I. gerät: ihr Anspruch
auf den englischen Thron macht sie zur gefährlichsten Gegenspielerin der Königin, ihrer Cousine zweiten Grades.
Kindheit und Jugend, 1. Ehe
Maria Stuart, geboren 1542, entstammt dem Haus Stuart.
Sie ist die Tochter König Jakobs V. von Schottland und seiner zweiten Ehefrau Marie de Guise.
Ihre Großmutter väterlicherseits, Prinzessin Margaret Tudor, ist eine Schwester Heinrichs VIII., weshalb Maria Stuart
Anspruch auf den englischen Thron hat.
König Jakob V. stirbt im Alter von 30 Jahren, die erst sechs Tage alte Maria ist Königin von Schottland.
Frankreich und Schottland sind verbündet gegen England, das Schottland einnehmen will und es dauernd mit Krieg überzieht.
1548 unterzeichnen Schottland und Frankreich die Heiratsvereinbarung zwischen Maria und Franz II.
Die französische Flotte bringt die fünfjährige Königin nach Frankreich. Das lebhafte, hübsche und intelligente
Mädchen begleitet ein eigener kleiner Hofstaat, bestehend aus zwei Lords,
zwei Halbbrüdern und den 'vier Marys', vier Mädchen gleichen Alters, die alle Mary heißen, Töchter der angesehensten
adligen Familien Schottlands. Die französische Sprache bleibt zeitlebens
die Muttersprache Marias. Sie erlernt zwei Musikinstrumente, Reiten, die Falknerei und Nadelarbeiten.
1558 heiratet sie in der Kathedrale Notre-Dame de Paris den ein Jahr jüngeren französischen Thronfolger,
der 1559 als Franz II. den Thron besteigt. Der fünfzehnjährige König ist schwach, die Regierungsgeschäfte
in Frankreich gehen in die Hände der Verwandten Marias über, der König erkrankt und stirbt 1560.
Als Marias Schwiegermutter
Katharina von Medici
die Regentschaft für ihren Sohn Karl IX. übernimmt, ist
das Ende von Marias Zeit in Frankreich gekommen. Maria bezeichnet Katharina verächtlich als "Krämerstochter
aus Florenz".
Rückkehr nach Schottland
1561 kehrt die junge Witwe, 19, nach Schottland zurück. Trotz ihrer Talente
ist sie nicht auf die gefährliche und komplexe politische Situation vorbereitet.
Die Reformation spaltete das Volk. Ihr illegitimer Halbbruder
James Stewart, 1. Earl of Moray,
ist Anführer der Protestanten. Viele ihrer Untertanen begegnen der strenggläubigen Katholikin Maria mit Misstrauen.
Maria weigert sich, ihren Anspruch auf den englischen Thron aufzugeben, was für Elisabeth und ihren protestantischen Hof
eine ständige Bedrohung ist. Dies vor allem, nachdem Papst Pius V.
Elisabeth I.
exkommuniziert und die katholische Minderheit in England auffordert, sich der 'Ketzerin' auf dem Thron zu entledigen, um mit
Hilfe Maria Stuarts die katholische Kirche wieder einzusetzen.
2. Ehe
1565 verliebt Maria sich Hals über Kopf in ihren neunzehnjährigen Cousin
Henry Stuart, Lord Darnley
auch katholisch, drei Jahre jünger als Maria, und heiratet ihn. Er ist von wankelmütigem Charakter und hat die
Neigung zu Eskapaden.
Die Ehe verärgert ihren Halbbruder James Stewart, die protestantischen Adligen und auch Elisabeth I.
Und schon wenige Monate nach der Hochzeit gibt es auch zunehmend Spannungen zwischen
dem jungvermählten Herrscherpaar. Lord Darnleys Lebenswandel sorgt in Edinburgh für Skandale, Marias
Desinteresse ist unübersehbar und die enge Freundschaft und Vertrautheit zwischen Maria und ihrem Privatsekretär
David Rizzio schürt Darnleys Eifersucht.
1566 dringen protestantische Adlige unter Führung Darnleys ins Esszimmer der Königin
in Holyrood Palace ein. Darnley hält die schwangere Königin fest, während die anderen Rizzio im Vorzimmer erstechen.
Als einer der Verschwörer sich gegen die Königin wendet, stellt Darnley sich aber schützend vor sie. Die Verschwörer
verordnen ihr Hausarrest, Maria entkommt mit Hilfe ihres Mannes, dem sie einredet, seinen Forderungen nachkommen zu wollen.
In Sicherheit distanziert sich Maria jedoch wieder von ihm.
Am 1566 wird Marias Sohn, der zukünftige König Jakob VI. geboren. Darnley zieht zunehmend den Hass der schottischen Lords
auf sich und flieht, kehrt aber zurück.
1567 ereignet sich im Haus eine gewaltige Explosion, man findet Darnley tot im Garten auf. Es ist klar, dass er Mordopfer
eines Komplotts wurde: Marias Mitwisserschaft ist nichtzu bezweifeln, was ihr Ansehen schwer beschädigt.
Hauptdrahtzieher war sehr wahrscheinlich
James Hepburn, 4. Earl of Bothwell
den Maria bereits im Oktober zuvor auf
Hermitage Castle
spontan besucht hat, als sie von seiner Erkrankung erfährt. Es findet ein Scheinprozess gegen Bothwell statt, der mit seinem Freispruch
endet.
Die Bevölkerung Edinburghs war dadurch aber nicht zufriedenzustellen. Bothwell entführt Maria, sie verbringt eingie Tage mit ihm.
3. Ehe, Verurteilung
Am 3. Mai 1567 lässt Bothwell sich von seiner Frau scheiden und am 15. Mai 1567, nur drei Monate nach der Ermordung Darnleys,
heiratet Maria den Mann, den viele für den Mörder ihres 2. Manns halten. Es kommt zum Aufstand der ihr zuvor treu ergebenen
Adligen, sie fordern die Abdankung Marias.
Mit Hilfe des jungen Gefängniswärters gelingt Maria 1568 die Flucht aus
Castle Lochleven
Ihre Armee von etwa 6.000 Getreuen
wird bei Glasgow vernichtend geschlagen. Sie flieht zu Königin Elisabeth I. Gerüchten zufolge hatte Maria Stuart das Herz
des jungen Lords
Georges Douglas of Lochleven
gewonnen und ihn überredet, ihr zur Flucht zu verhelfen.
Elisabeth ordnet eine Untersuchung an. Zu ihrer Belastung präsentieren Marias schottische Gegner der Kommission die
'Casket Letters', deren Bedeutung für die Wahrheitsfindung aber äußerst umstritten ist.
Es folgen 18 Jahre Haft, zum Teil unter angenehmen Bedingungen, in verschiedenen englischen Burgen und Schlössern.
Marias Ehemann, Earl of Bothwell, wird in Norwegen verhaftet, nach Dänemark gebracht, wo er eingekerkert dem
Wahnsinn verfällt und 1578 stirbt.
Maria lässt sich in immer mehr Komplotte verwickeln, sie wird für Elisabeth zur untolerierbaren Last und am 25. Oktober 1586
wegen Hochverrats für schuldig befunden.
Nach ihrer Hinrichtung, Beisetzung und Exhumierung 1612 ruht sie in der Westminster Abbey, neun Meter vom Grab
ihrer Cousine Elisabeth I., entfernt.
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