* 1989

Was wir brauchen,
sind ein paar verrückte Leute;
seht euch an,
wohin uns die Normalen gebracht haben.


George Bernard Shaw    


Kevin Kühnert

Aufschrei aller Kapitalisten und angepassten Sozis:
Endlich nennt ein Linker die Probleme unserer angeblich "sozialen" Marktwirtschaft beim Namen. In einem Interview mit der ZEIT im Mai 2019 diskutiert der kühne Juso-Vorsitzende auch Lösungen, trifft damit seine Gegner ins Mark, die, wehleidig, beleidigend, unsachlich und abwegig reagieren. Kühnert lässt linke Gesinnungsgenossen jeder Couleur weit hinter sich, die immer nur um den heißen Brei herumreden, Hautpsache, man hat seinen Posten in der GroKo. Utopien? Sind längst ad acta gelegt.




Kühnerts Thesen:

  • Die Verheißungen der sozialen Marktwirtschaft mögen sich für eine gewisse Zahl von Menschen verwirklichen lassen, ganz offenkundig aber nicht für alle. Millionenfach niedrige Löhne, Hunger und Armut auf der Welt: Dinge, die dem Streben nach persönlicher Entfaltung entgegenstehen. Die weit überwiegende Zahl der Menschen auf unserer Welt arbeitet nicht, um eigene Bedürfnisse zu befriedigen, sondern das Bedürfnis anderer nach Profitstreben.
  • Es gibt Leute, die Kapital besitzen und Leute, die dieses Kapital erarbeiten. Fabrik-, Immobilien-, Aktien- oder Fondsanteilsbesitzer sind nicht selbst produktiv tätig, sondern lassen ihr Kapital für sich arbeiten. Über diese Freiheit verfügt in unserer Gesellschaft ein sehr kleiner Teil, der Zugang zu Vermögen ist für die meisten faktisch nicht gegeben.
  • Eine bessere Welt ist nicht nur denkbar, sondern auch realisierbar. Sprich: Eine Welt freier Menschen, die kollektive Bedürfnisse in den Vordergrund stellt und nicht Profitstreben. Was das Leben bestimmt, soll in der Hand der Gesellschaft und demokratisch bestimmt sein.

  • Die Gesellschaft muss sich zunächst über ihre Bedürfnisse verständigen.
    Aktuelles Beispiel: Brauchen wir Waffen, die weltweit Elend verursachen? Wir könnten uns dafür entscheiden, unseren Wohlstand nicht auf Waffen aufzubauen, sondern unsere Produktivkraft einzusetzen für Dinge, die uns nutzen, Wohnungen zu bauen oder Zeit mit Familie und Freunden zu verbringen.

  • Sozialismus kein Modell, das sich alle vorab im Detail anschauen und entscheiden können, ob sie darin leben wollen oder nicht. Sozialismus ist das Ergebnis von demokratischen Prozessen, orientiert an unumstößlichen Grundwerten. Das Ergebnis ist nicht vorwegzunehmen.

  • Die Verteilung der Profite muss demokratisch kontrolliert werden. Das schließt einen kapitalistischen Eigentümer an diesem Betrieb aus. Ohne eine Form der Kollektivierung ist die Überwindung des Kapitalismus nicht denkbar.

  • Beispiel: Warum soll es wenige Menschen geben, denen BMW exklusiv gehört und die das alleinige Recht haben, über Gewinne zu verfügen? Denn schon das erste Auto hat nicht der Gründer zusammengeschraubt - und sobald es in Massenproduktion geht, machen das nur die Beschäftigten. Weder ohne den, der es erdacht hat, noch die, die es umsetzen, kommt am Ende ein Auto heraus, das man auf einem Markt anbieten und verkaufen kann. Warum sollen die Zehntausenden, die den Wert schaffen, mit einer aus Abhängigkeit heraus verhandelten Lohnsumme abgespeist werden? Warum gehört ihnen nicht zu gleichen Anteilen dieses Unternehmen: Würden wir dann keine Autos mehr erfinden und produzieren? Das würde ja jeglichen inneren Antrieb des Menschen zum Fortschritt negieren. Was für ein trauriges Selbstbild!

  • Sozialismus ist von den Bedürfnissen her zu denken. Solange Grundbedürfnisse befriedigt sind, haben gar nicht alle den Anspruch, dass sich die Wertschätzung ihrer Arbeit in einer bestimmten Summe ausdrückt. Eine reizvolle Utopie, in der Menschen selbstbestimmt unterschiedlich viel arbeiten und dann gegebenenfalls auch unterschiedlich viel verdienen.
    Etwa bieten heute schon manche Tarifverträge Wahlmöglichkeiten zwischen mehr Gehalt und mehr Freizeit.

  • Der American-Dream-Gedanke ist lächerlich. Wenn jemand als erfolgreicher Unternehmer auf der Bühne steht und sagt: Seht her, jeder kann es schaffen! Eben nicht. Was soll ein Gesellschaftsmodell, in dem Millionen zusammen losrennen, und ein paar wenige schaffen es am Ende - und die rufen dann den anderen zu: Ihr hättet das auch schaffen können!

  • Werden Profite qua Steuern und Abgaben in Deutschland nicht in einem erheblichen Maße umverteilt?
    In einem Deutschland, wo 1,5 Millionen regelmäßig bei den Tafeln Schlange stehen und Millionen Kinder unterhalb oder knapp oberhalb der Armutsgrenze leben.

  • Der Sozialstaat steht am Ende einer Verkettung von Umständen, zu denen es gehört, dass der Markt nicht für alle Menschen eine auskömmliche Arbeit hat und der Staat dann die Folgen des Marktversagens ausbessern muss.

  • Beispiel Wohnen: Wohnen ist ein Grundbedürfnis. Besonders in Städten steigen durch Profitstreben die Mieten stark an. Warum müssen Leute Rendite erwirtschaften mit etwas, das andere zum Leben brauchen? Es ist illegitim, mit dem Wohnraum anderer Menschen seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Konsequent zu Ende gedacht: Jeder sollte maximal den Wohnraum besitzen, in dem er selbst wohnt. Besser als Individualeingentum sind genossenschaftliche Lösungen. Es ist eine gesellschaftliche Aufgabe, Wohnraum bezahlbar zur Verfügung zu stellen.

  • Beispiel Verkehrspolitik: Für das Bedürfnis, mobil sein und teilhaben zu können brauche ich nicht zwingend ein eigenes Auto. Aber ein weiterer Schritt wäre es, wegzukommen von gebührenfinanzierten Systemen. Wir nehmen Gebühren für den öffentlichen Nahverkehr, die Bibliothek, das Schwimmbad, aber anders als bei der Steuererhebung fragt der Staat dabei nicht nach den Einkommensverhältnissen der Nutzer. Für ein Tagesticket zahlt der Manager genauso viel wie sein Arbeitnehmer, was ungerecht ist.

  • Soziale Marktwirtschaft ist eine Spielart von Kapitalismus.



Als ihn die Interviewer fragen, ob er daran glaube, dass seine Idee die Leute überzeuge, antwortet Kühnert:

Ob eine Idee wirkmächtig wird, hängt auch von den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen ab. Wieviel Freiheit haben die Leute, sich mit einer solchen Utopie auseinanderzusetzen? Wo ist die Freiheit der alleinerziehenden Mutter, die mit drei 450-€-Jobs sich und ihr Kind durchbringen muss, sich mit der Veränderung der Gesellschaft zu beschäftigen?

Zur weiterer Frage, ob es je einen sozialistischen Staat gegeben habe:

Das ist ja erklärbar. Es hatte ja in den meisten Fällen mit dem eklatanten Mangel an demokratischer Mitbestimmung zu tun. Deswegen ist für mich "demokratischer Sozialismus" ein untrennbares Begriffspaar. Sozialismus ist kein autoritäres Konzept. Ein spannendes Positivbeispiel ist für mich die Kibbuz-Bewegung, die während der Gründungsphase Israels groß wurde, und wo Menschen ihren Zugewinn in einen Topf werfen, aus dem die Bedürfnisse aller befriedigt werden. Das gibt es auch heute noch.

ZEIT: Dabei wird dann auch festgelegt, was der Einzelne braucht. Was die Frage aufwirft: Ist Sozialismus ohne Planwirtschaft denkbar?

Kühnert: Denkbar schon. Gerade eine linke Gesellschaftsidee sollte sich niemals technologischem Fortschritt verweigern, der nun mal nicht ohne trial and error, ohne einen kreativen Überschuss denkbar ist. Planwirtschaftliche Elemente hätten in diesem Sinne eine bremsende Kraft auf alles Innovative.

ZEIT: War die DDR sozialistisch?

Kühnert: Nein. Was diesem Modell, neben allem Demokratischen, schon von Anfang gefehlt hat, war die intrinsische Motivation seiner Köpfe, dort wirklich die gerechte Gesellschaft zu schaffen. Es ist ja vielmehr der Antrieb einer politischen Administration gewesen, sich in einem unter anderen Bedingungen verlängerten Krieg durchsetzen zu wollen. So mache ich den Menschen doch keine Lust auf eine bessere Gesellschaft. Das ist Ellenbogengesellschaft auf andere Art.









Stimmen

BMW-Betriebsratschef Manfred Schoch weist die Forderung nach Verstaatlichung des Autobauers und anderer Konzerne als "unbegreiflich" zurück. "Für Arbeiter deutscher Unternehmen ist diese SPD nicht mehr wählbar". Kaum ein anderes Unternehmen biete so sichere und gut bezahlte Arbeitsplätze und so fortschrittliche Arbeitsbedingungen und Arbeitszeitmodelle wie BMW. Mit der Familie Quandt habe BMW einen Großaktionär, der "nicht die kurzfristigen Gewinninteressen in den Vordergrund stellt, sondern die langfristige Stabilität". Der Konzern baue Elektromotoren und Batterien selbst und stelle Hunderte Mitarbeiter für den Umstieg auf das Elektroauto ein. "Herr Kühnert soll mal bitte erklären, was bei uns besser laufen würde, wenn BMW verstaatlicht wäre".
BMW hat im vergangenen Jahr 7,2 Milliarden Euro Gewinn gemacht, 2,6 Milliarden Euro Steuern gezahlt (wo bleiben die restlichen 4,2 Milliarden Euro?) und beschäftigt 135.000 Mitarbeiter - 5000 mehr als im Vorjahr. "Ich empfehle Herrn Kühnert und seinen Unterstützern, erst noch mal in die Schule zu gehen und zu lernen, wie Wirtschaft funktioniert."

Der Chef der Jusos muss sich von eigenen Parteifreunden fragen lassen, welche Drogen er konsumiert habe, solch "groben Unfug" zu formulieren.

SPIEGEL: Der deutsche Automobilbau taugt nicht als Beispiel für eine die Arbeiter knechtende Ausbeuterbranche. In deutschen Autofabriken verdient ein Berufsanfänger am Band rund 3.700 Euro pro Monat - und damit mehr als mancher Akademiker.

Andreas Nahles: "Man kann richtige Fragen stellen und trotzdem falsche Antworten geben. Die Frage hinter Kühnerts Äußerungen, die die Ungleichheit und die Spaltung in Arm und Reich betreffe, sei richtig. Die Antworten seien aber falsch.
Wer sich ein bisschen auskennt in der SPD, der weiß, dass solche Debatten auch schon von anderen Juso-Vorsitzenden ausgelöst wurden, etwa von Gerhard Schröder. Ich war selbst mal Juso-Vorsitzende. Ich kann die Aufregung nicht nachvollziehen. Das gehört zum Traditionsbestand der SPD".


vox populi

Herr Kühnert hat wohl zu wenig auf den Hintern bekommen als er klein war. Ein klares Indiz dafür, dass der Mann noch nicht die Reife und Erfahrung hat, um Zugang zur Politik zu bekommen und in seinem verwirrten Geisteszustand, ihm man sogar den Weg an die Urne verwehren müsste. Solche wirklichkeitsfremde Vorstellungen hatten auch schon Marx und Engels, die mit ihren geschaffenen Verbotsregeln und Strafregistern, um eine bessere Gesellschaft für die Zukunft zu schmieden, wie es das linke Lager in unserer Republik wieder fordern, nichts anderes als Stalins, Maos, Ceaucescus, Honeckers, Fidel Castros, Maduros hervorgebracht haben. Es gibt ausreichend gescheiterte und tragisch endende Versuche aus der vergangenen Geschichte, in denen Maßstab denkende Menschen mit beschränkten Tunnelblick, wie nicht nur Herr Kühnert, sondern auch führende linke und grüne Politiker ihn haben, für sehr viel Unheil und Unfrieden gesorgt haben. In einer erfolgreichen sozialen Marktwirtschaft, wie wir sie haben und die uns sehr viel Freiheit und Wohlstand bisher beschert hat, erreicht man nämlich mit Anreizen, Investition- und Förderungsstrategien viel mehr, als mit Verboten, Strafen und Steuern, welche der Sozialismus als Werkzeuge in seinem Repertoire hatte und mit denen er überall kläglich gescheitert ist. Der Faktor Mensch hat auf der solidarischen Ebene bisher überall versagt und wird schwer mit Zwangsmitteln davon zu überzeugen sein, sich für andere aufzuopfern und einzusetzen und seine Fähigkeiten, sein Wissen und seine Willenskraft, alleine dem Wohle der Gemeinschaft und der Unterstützung der Schwachen zu widmen bereit sein, wenn er nicht auch in ausreichendem Maße belohnt wird und selber angemessen davon profitieren darf.
Es lebe der Egoismus! Dein Hintern ist wohl heute noch wund und blau von Papis Haue? Wieviel Häuser und Eigentumswohnungen?

Die Thesen von Herrn Kühnert sind, gelinde gesagt, etwas lachhaft.
Natürlich hat er Recht, wenn er sagt, dass es so nicht weitergeht. Die Autoindustrie beispielsweise verarscht die Kunden und das gesamte Volk. Manipulierte Autos werden verkauft, aber keiner übernimmt hierfür Verantwortung...
Das ist zwar im höchsten Maße schändlich und für "Otto-Normalverbraucher" nicht verständlich, aber selbst die Grünen nehmen diesen Betrug fast ohne Widerspruch hin...
Warum also überhaupt noch wählen... es drängt sich mir der Verdacht auf, dass wir nicht mehr politische Inhalte, sondern Ruhestandsposten wählen bzw. im Rahmen einer Wahl verteilen.
Ob man dann gleich auf "Links" mit "Verstaatlichungsgelüsten" kommen muss, das wage ich zu bezweifeln. Gerade dann, wenn diese Forderungen von einem "Habenix" und "Werde-nie-was-haben-wenn-ich-dafür-selber-arbeiten-muss" kommen, dann kann man die Ideen doch nur als Komik werten, oder?
Na als was denn sonst! Fast so schön wie dein Beitrag!