. wgsebald.de Austerlitz
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Austerlitz (1939 - ?)
Austerlitz S. 65ff.

Ich bin aufgewachsen, so begann Austerlitz an jenem Abend in der Bar des Great Eastern Hotel, in dem Landstädtchen Bala in Wales, im Hause eines calvinistischen Predigers und ehemaligen Missionars, der Emyr Elias hieß und verehelicht war mit einer furchtsamen, aus einer englischen Familie stammenden Frau. Es ist mir immer unmöglich gewesen, zurückzudenken an dieses unglückliche Haus, das für sich allein etwas außerhalb des Orts auf einer Anhöhe stand und viel zu groß war für zwei Leute und ein einzelnes Kind.



Im oberen Stock gab es mehrere Zimmer, die abgesperrt waren jahraus und jahrein. Noch heute träumt es mir manchmal, daß eine der verschlossenen Türen sich auftut und ich über die Schwelle trete in eine freundlichere, weniger fremde Welt. Auch von den nicht abgesperrten Zimmern waren einige außer Gebrauch. Nur spärlich mit einem Bett oder einem Kasten möbliert, die Vorhänge selbst untertags zugezogen, dämmerten sie in einem Halbdunkel dahin, das bald schon jedes Selbstgefühl auslöschte in mir. So ist mir aus meiner frühesten Zeit in Bala fast nichts mehr erinnerlich, außer wie sehr es mich schmerzte, auf einmal mit einem anderen Namen angeredet zu werden, und wie schrecklich es war, nach dem Verschwinden meiner eigenen Sachen, herumgehen zu müssen in diesen kurzen englischen Hosen, mit den ewig herunterrutschenden Kniesocken, einem fischnetzartigen Leibchen und einem mausgrauen, viel zu leichten Hemd. Und ich weiß, daß ich in meiner schmalen Bettstatt in dem Predigerhaus oft stundenlang wachgelegen bin, weil ich versuchte, die Gesichter derjenigen mir vorzustellen, die ich, so fürchtete ich, verlassen hatte aus eigener Schuld; aber erst wenn die Müdigkeit mich lähmte und in der Finsternis meine Lider sich senkten, sah ich, für einen unfaßbaren Augenblick, die Mutter, wie sie sich herabneigt zu mir, oder den Vater, wie er sich lächelnd gerade den Hut aufsetzt.



Um so schlimmer war nach solchem Trost das Erwachen am frühen Morgen, das Jeden-Tag-von-neuem-Begreifenmüssen, daß ich nicht mehr zu Hause war, sondern sehr weit auswärts, in einer Art von Gefangenschaft. Erst neulich entsann ich mich wieder, wie sehr es mich bedrückte, daß in der ganzen Zeit, die ich bei dem Ehepaar Elias verbrachte, nie ein Fenster aufgemacht worden ist, und vielleicht habe ich deshalb, Jahre später an einem Sommertag, als ich, irgendwo unterwegs, an einem Haus vorbeikam, dessen sämtliche Fenster offenstanden, mich auf eine so unbegreifliche Weise aus mir herausgehoben gefühlt. Beim Nachdenken über dieses Befreiungserlebnis entsann ich mich vor ein paar Tagen erst wieder, daß eines der beiden Fenster meines Schlafzimmers von innen zugemauert gewesen ist, während es von außen unverändert erhalten war, ein Umstand, hinter den ich, da man sich niemals zugleich innen und außen befindet, erst im Alter von dreizehn oder vierzehn Jahren gekommen bin, trotzdem er mich beunruhigt haben muß meine ganze Kindheit in Bala hindurch.



Es hat mich immer gefroren in dem Predigerhaus, fuhr Austerlitz fort, nicht bloß im Winter, wenn oft nur der Herd in der Küche geschürt wurde und nicht selten der steinerne Boden des Eingangs von Reif überzogen war, sondern auch schon im Herbst und bis weit in das Frühjahr und die unfehlbar verregneten Sommer hinein. Und so wie in dem Haus in Bala die Kälte herrschte, so herrschte in ihm auch das Schweigen. Die Frau des Predigers war ständig mit ihrem Haushalt beschäftigt, mit Abstauben und dem Aufwischen der Fliesen, mit der Kochwäsche, dem Polieren der Messingbeschläge an den Türen oder der Zubereitung der mageren Mahlzeiten, die wir dann wortlos meist einnahmen. Bisweilen ging sie auch nur im Haus herum und sah nach, daß alles - unverrückt, wie es bei ihr stets sein mußte - noch an seinem Platz war. Einmal habe ich sie in einem der halbleeren Zimmer im oberen Stock auf einem Stuhl sitzen gefunden, mit Tränen in den Augen und dem nassen, zerknüllten Taschentuch in der Hand. Als sie mich unter der Türe stehen sah, erhob sie sich, sagte, es sei nichts, nur eine Erkältung, die sie sich geholt habe, und fuhr mir im Hinausgehen mit den Fingern durchs Haar, das einzige Mal, soviel ich weiß, daß dies geschehen ist.



Der Prediger saß indessen, wie das seine unabänderliche Gewohnheit war, in seinem Studierzimmer, das auf ein finsteres Eck des Gartens hinausging, und dachte sich seine am nächsten Sonntag zu haltende Predigt aus. Keine dieser Predigten hat er je niedergeschrieben, vielmehr erarbeitete er sie nur in seinem Kopf, indem er sich selber damit peinigte, wenigstens vier Tage lang. Völlig niedergeschlagen kam er jeweils am Abend aus seiner Kammer hervor, nur um am folgenden Morgen wieder in ihr zu verschwinden. Am Sonntag, wenn er vor die im Bethaus versammelte Gemeinde hintrat und ihr oft eine Stunde lang mit einer, wie ich noch zu hören glaube, sagte Austerlitz, tatsächlich erschütternden Wortgewalt das allen bevorstehende Strafgericht, die Farben des Fegefeuers, die Qualen der Verdammnis sowie, in den wundervollsten Stern- und Himmelsbildern, das Eingehen der Gerechten in die ewige Seligkeit vor Augen führte, war er ein verwandelter Mann. Immer gelang es ihm, anscheinend mühelos, so als erfände er noch die entsetzlichsten Dinge aus dem Stegreif heraus, die Herzen seiner Zuhörerschaft mit einem solchen Gefühl der Zerknirschung zu erfüllen, daß nicht wenige von ihnen am Ende des Gottesdienstes mit einem kalkweißen Gesicht nach Hause gingen. Er, der Prediger, hingegen, war den restlichen Sonntag in verhältnismäßig aufgeräumter Stimmung. Beim Mittagessen, das stets mit einer Sagosuppe begann, machte er in halb scherzhafter Form einige lehrreiche Bemerkungen gegen seine vom Kochen erschöpfte Gattin, erkundigte sich, in der Regel mit der Frage »And how is the boy?«, nach meinem Ergehen und versuchte mich ein wenig aus meiner Einsilbigkeit herauszulocken.



Zum Beschluß des Mahls kam immer der Reispudding an die Reihe, der die Lieblingsspeise des Predigers war und über dessen Genuß er zumeist verstummte. Sowie das Essen vorüber war, legte er sich für eine Stunde auf dem Kanapee zur Ruhe oder setzte sich, bei schönem Wetter, im Vorgarten unter den Apfelbaum und schaute ins Tal hinab, zufrieden mit dem geleisteten Wochenwerk nicht anders als der Herr Zebaoth nach der Erschaffung der Welt. Vor er am Abend in die Betstunde ging, entnahm er seinem Rolladenpult die blecherne Kassette, in welcher er das von der Kirche der calvinistischen Methodisten in Wales herausgegebene Kalendarium verwahrte, ein graues, ziemlich fadenscheinig schon gewordenes Büchlein, das die Sonn- und Feiertage der Jahre 1928 bis 1948 verzeichnete, und wo er, Woche für Woche, gegen jedes Datum fortlaufend seine Eintragungen gemacht hatte, indem er den dünnen Tintenblei aus dem Buchrücken zog, die Spitze mit der Zunge befeuchtete und sehr langsam und säuberlich, wie ein unter Aufsicht stehender Schüler, das Bethaus vermerkte, wo er an diesem Tag gepredigt hatte, und die Stelle in der Bibel, von der er ausgegangen war, also beispielsweise unter dem 20. Juli 1939: at the Tabernacle, Llandrillo - Psalms CXXVII/4 »He telleth the number of the stars and calleth them all by their names«, oder unter dem 3. August 1941: Chapel Uchaf, Gilboa — Zephanaiah III/6 »I have cut off the nations: their towers are desolate; I made their streets waste, that none passeth by«, oder unter dem 21. Mai 1944: Chapel Bethesda, Corwen — Isaiah XLVIII/ 1 8 »O that thou hadst hearkened to my commandments! then had thy peace been as a river and thy righteousness as the waves of the sea!« Die letzte Eintragung in diesem Büchlein, das zu dem wenigen gehört, was aus dem Besitz des Predigers nach seinem Tod auf mich übergegangen ist und das ich in der letzten Zeit oftmals durchblättert habe, sagte Austerlitz, wurde auf einem der zusätzlich eingelegten Blätter gemacht. Sie datiert vom 7. März 1952 und lautet: Bala Chapel — Psalms CII/ 6 »I am like a pelican in the wilderness. I am like an owl in the desert.«

Natürlich sind die sonntäglichen Predigten, von denen ich mehr als fünfhundert angehört haben muß, mir als Kind größtenteils über den Kopf hinweggegangen, aber auch wenn die Bedeutung der einzelnen Wörter und Sätze mir lange verschlossen blieb, so begriff ich doch, gleich ob Elias sich des Englischen oder des Walisischen bediente, daß von der Sündhaftigkeit und der Bestrafung der Menschen die Rede war, von Feuer und Asche und dem drohenden Ende der Welt. Es sind allerdings nicht die biblischen Zerstörungsbilder, die sich in meiner Erinnerung heute mit der calvinistischen Eschatologie verbinden, sagte Austerlitz, sondern es ist das, was ich mit meinen eigenen Augen gesehen habe, wenn ich mit Elias auswärts gewesen bin. Viele seiner jüngeren Amtsbrüder waren bald nach Kriegsbeginn zum Heeresdienst verpflichtet worden, und Elias mußte darum seine Predigten jeden zweiten Sonntag wenigstens in einer anderen, oft ziemlich weit entfernten Gemeinde halten. Wir machten die Fahrten über das Land anfangs in einem zweisitzigen, von einem fast schneeweißen Pony gezogenen Wägelchen, in welchem Elias, seiner Gewohnheit entsprechend, auf dem Hinweg immer in der allerdunkelsten Geistesverfassung hockte. Auf dem Rückweg aber erhellte sich sein Gemüt, wie zu Hause auch an den Sontagnachmittagen; ja, es kam sogar vor, daß er vor sich hinsummte und ab und zu die Geißel ein wenig schnalzen ließ über den Ohren des Pferdchens. Und diese hellen und dunklen Seiten des Predigers Elias hatten ihre Entsprechung in der gebirgigen Landschaft um uns herum. Ich erinnere mich, sagte Austerlitz, wie wir einmal durch das endlose Tanat-Tal hinauffuhren, rechts und links an den Abhängen nichts als krummes Holz, Farne und rostfarbenes Kraut, und dann, das letzte Stück zu dem Joch hinauf, nur noch graues Felsengestein und treibende Nebel, so daß ich fürchtete, wir näherten uns dem äußersten Rand der Erde.

Umgekehrt habe ich einmal erlebt, als wir gerade die Paßhöhe von Pennant erreicht hatten, daß in einer im Westen sich auftürmenden Wolkenwand eine Lücke sich auftat und die Strahlen der Sonne niedergingen in einer schmalen Bahn bis auf den weit drunten in schwindelerregender Tiefe vor uns liegenden Grund des Tals. Wo eben noch nichts als eine bodenlose Düsternis gewesen war, von dort leuchtete nun, umgeben von schwarzen Schatten ringsum, eine kleine Ortschaft herauf, mit ein paar Obstgärten, Wiesen und Feldern, grün funkelnd gleich der Insel der Seligen, und indem wir über die Paßstraße hinabschritten neben dem Pferd und dem Wagen her, wurde alles lichter und lichter, die Bergseiten traten hervor hell aus der Dunkelheit, das feine, vom Wind gebeugte Gras schimmerte auf, drunten am Ufer des Baches erglänzten die silbernen Weiden, und bald kamen wir aus den leeren Höhen wieder unter die Büsche und Bäume hinein, unter die leise raschelnden Eichen, die Ahorne und die Ebereschen, die schon überall voll waren mit roten Beeren.

Einmal, ich glaube in meinem neunten Jahr, bin ich mit Elias eine Zeitlang drunten im Süden von Wales gewesen, in einer Gegend, in der die Flanken der Berge zu beiden Seiten der Straße aufgerissen waren und die Wälder zerfetzt und niedergemacht. Ich weiß nicht mehr, wie der Ort geheißen hat, in dem wir bei Einbruch der Nacht anlangten. Er war von Kohlenhalden umgeben, deren Ausläufer stellenweise bis in die Gassen hineinreichten. Als Quartier hatte man uns im Haus eines der Kirchenvorsteher ein Zimmer gerichtet, von dem aus man einen Förderturm sehen konnte mit einem riesigen Rad, das sich manchmal so und manchmal andersherum drehte in dem dichter werdenden Dunkel, und weiter talabwärts sah man in regelmäßigen Abständen von jeweils vielleicht drei oder vier Minuten hohe Feuer- und Funkengarben aus den Schmelzöfen eines Hüttenwerks stieben bis hoch in den Himmel hinauf. Als ich schon im Bett lag, saß Elias lang noch auf einem Schemel am Fenster und schaute stillschweigend hinaus. Ich glaube, daß es der Anblick des einmal ums andere im Feuerschein aufleuchtenden und gleich darauf wieder in der Finsternis versinkenden Tales gewesen ist, der Elias die von ihm am nächsten Morgen gehaltene Offenbarungspredigt eingab, eine Predigt über die Rache des Herrn, über den Krieg und die Verheerung der Wohnstätten der Menschen, mit der er, wie der Vorsteher zu ihm beim Abschied sagte, sich selbst übertroffen hatte bei weitem.

War die Zuhörerschaft während der Predigt vor Schrecken beinah versteinert gewesen, so hätte mir die von Elias beschworene Gottesgewalt wohl kaum nachhaltiger eingeprägt werden können als durch die Tatsache, daß in dem am Ausgang des Tales gelegenen Städtchen, in dem Elias am selben Abend noch den Vorsitz bei der Betstunde übernehmen sollte, am hellichten Nachmittag eine Bombe in das Kinotheater eingeschlagen war. Die Trümmer rauchten noch, als wir die Ortsmitte erreichten. Die Leute standen in kleinen Gruppen auf der Straße, manche noch vor Entsetzen die Hand vor dem Mund. Die Feuerwehr war quer über das Blumenrondell gefahren, und auf dem Rasenplatz lagen in ihren Sonntagskleidern die Leichen derjenigen, die sich, wie Elias mir nicht erst zu sagen brauchte, versündigt hatten gegen das heilige Sabbat-Gebot. Nach und nach ist so in meinem Kopf eine Art von alttestamentarischer Vergeltungsmythologie entstanden, deren Hauptstück für mich übrigens immer der Untergang der Gemeinde Llanwddyn in den Wassern des Stausees von Vyrnwy gewesen ist.



Soweit ich mich entsinne, war es auf der Rückfahrt von einer seiner auswärtigen Verpflichtungen, entweder in Abertridwr oder in Pont Llogel, daß Elias den Wagen an dem Seeufer angehalten hat und mich hinausführte bis auf die Mitte der Staumauer, wo er mir dann erzählte von seinem Vaterhaus, das dort drunten in einer Tiefe von vielleicht hundert Fuß unter dem dunklen Wasser stünde, und nicht bloß sein Vaterhaus allein, sondern noch mindestens vierzig andere Häuser und Höfe und die Kirche zum heiligen Johann von Jerusalem und drei Kapellen und drei Bierschenken, die samt und sonders ab dem Herbst 1888, nachdem der Damm fertiggestellt war, überschwemmt worden seien. Besonders bekannt, so, sagte Austerlitz, habe ihm Elias erzählt, sei Llanwddyn in den Jahren vor seinem Untergang vor allem dadurch gewesen, daß auf dem Anger des Dorfes, wenn im Sommer der Vollmond schien, oft die ganze Nacht hindurch Fußball gespielt wurde, und zwar von mehr als zehn Dutzend teilweise aus den Nachbarorten herübergekommenen Burschen und Männern beinahe jeden Alters zugleich. Die Fußballgeschichte von Llanwddyn hat mich lange Zeit in der Phantasie beschäftigt, sagte Austerlitz, in erster Linie sicher, weil Elias mir gegenüber weder je zuvor noch je später irgendeine Bemerkung machte über sein eigenes Leben.



In diesem einen Augenblick auf der Staumauer von Vyrnwy, in dem er, aus Vorsatz oder aus Unachtsamkeit, mich hineinsehen ließ in das Innere seiner Predigerbrust, fühlte ich so sehr mit ihm, daß er, der Gerechte, mir wie der einzige Überlebende der Flutkatastrophe von Llanwddyn erschien, während ich die anderen alle, seine Eltern, seine Geschwister, seine Anverwandten, die Nachbarsleute und die übrigen Dorfbewohner, drunten in der Tiefe noch wähnte, wo sie weiterhin in ihren Häusern saßen und auf der Gasse herumgingen, aber ohne sprechen zu können und mit viel zu weit offenen Augen. Diese Vorstellung, die in mir entstand von der subaquatischen Existenz der Bevölkerung von Llanwddyn hatte auch etwas mit dem Album zu tun, das Elias am Abend unserer Heimkehr mir zum erstenmal zeigte und das diverse Ansichten von seinem in den Wellen versunkenen Geburtsort enthielt. Da es sonst keinerlei Bilder gab in dem Predigerhaus, habe ich diese paar wenigen Photographien, die später zusammen mit dem calvinistischen Kalender in meinen Besitz gekommen sind, immer wieder von neuem angeschaut, bis die Personen, die mir aus ihnen entgegensahen, der Schmied mit dem Lederschurz, der Posthalter, der der Vater von Elias gewesen ist, der Hirt, der mit den Schafen durch die Dorfstraße zieht, und vor allem das Mädchen, das mit seinem kleinen Hund auf dem Schoß auf einem Sessel im Garten sitzt, so vertraut wurden, als lebte ich bei ihnen auf dem Grund des Sees.



Nachts vor dem Einschlafen in meinem kalten Zimmer war es mir oft, als sei auch ich untergegangen in dem dunklen Wasser, als müßte ich, nicht anders als die armen Seelen von Vyrnwy, die Augen weit offen halten, um hoch über mir einen schwachen Lichtschein zu sehen und das von den Wellen gebrochene Spiegelbild des steinernen Turms, der so furchterregend für sich allein an dem bewaldeten Ufer steht. Bisweilen bildete ich mir sogar ein, die eine oder andere der Photofiguren aus dem Album gesehen zu haben auf der Straße in Bala oder draußen auf dem Feld, besonders an heißen Sommertagen um die Mittagszeit, wenn niemand sonst um die Wege war und die Luft etwas flimmerte. Elias untersagte mir, von derlei Dingen zu reden.



Um dieselbe Zeit herum verschlechterte sich der Gesundheitszustand Gwendolyns, zunächst kaum merklich, bald aber mit zunehmender Geschwindigkeit. Sie, die doch stets auf die peinlichste Ordnung gehalten hatte, fing nun an, zuerst das Haus und darauf sich selber zu vernachlässigen. In der Küche stand sie nurmehr ratlos herum, und wenn Elias, so gut er es vermochte, eine Mahlzeit zubereitete, nahm sie fast gar nichts zu sich.

Mit Gwendolyn war es im Verlauf meiner zweimonatigen Abwesenheit weiter noch abwärts gegangen. Sie lag jetzt den ganzenTag auf ihrem Bett und blickte starr an die Decke hinauf. Elias kam jeden Morgen und jeden Abend eine Zeitlang zu ihr, aber weder er noch Gwendolyn sprach ein einziges Wort. Es war, so scheint es mir, wenn ich daran zurückdenke, sagte Austerlitz, als würden sie von der Kälte in ihren Herzen langsam ums Leben gebracht. Ich weiß nicht, an was für einer Krankheit Gwendolyn zugrunde ging, und glaube, daß sie es selbst nicht hätte sagen können. Ihr entgegenzusetzen hatte sie jedenfalls nichts als das eigentümliche Bedürfnis, das sie mehrmals am Tag und vielleicht auch während der Nacht überkam, sich einzupudern mit einer Sorte billigen Talkums, von der eine große Streudose auf dem Tischchen neben der Bettseite stand.



In solchen Mengen verwendete Gwendolyn diese staubfeine, etwas fettige Substanz, daß der Linoleumboden um ihr Lager herum und bald das ganze Zimmer und die Korridore im oberen Stock überzogen waren von einer weißen, durch die Feuchtigkeit der Luft leicht schmierig gewordenen Schicht. Mir ist dieses Einweißen des Predigerhauses erst neulich wieder in den Sinn gekommen, sagte Austerlitz, als ich bei einem russischen Schriftsteller in seiner Kindheits- und Jugendbeschreibung von einer ähnlichen Pudermanie las, die seine Großmutter gehabt hatte, eine Dame, die sich allerdings, trotzdem sie die meiste Zeit auf dem Kanapee lag und sich fast ausschließlich von Weingummis und Mandelmilch ernährte, einer eisernen Konstitution erfreute und immer bei sperrangelweit offenem Fenster schlief, weshalb es auch einmal geschah, daß sie eines Morgens, nachdem es draußen die ganze Nacht gestürmt hatte, unter einer Schneedecke erwachte, ohne dadurch auch nur den geringsten Schaden zu nehmen. So freilich ist es in dem Predigerhaus nicht gewesen. Die Fenster des Krankenzimmers blieben ständig geschlossen, und der weiße Puder, der sich Gran für Gran überall abgelagert hatte und durch den sich schon richtige Wegspuren zogen, hatte nichts von glitzerndem Schnee. Eher erinnerte er schon an das Ektoplasma, von dem Evan mir einmal erzählt hatte, daß Hellseherinnen es aus ihrem Mund hervorbringen können in großen Blasen, die dann zu Boden sinken, wo sie schnell austrocknen und zerfallen zu Staub. Nein, es war kein frischgefallener Schnee, der in das Predigerhaus hinein wehte; was es erfüllte, war etwas Ungutes, von dem ich nicht wußte, woher es kam, und für das ich erst viel später in einem anderen Buch die zwar völlig unverständliche, mir aber doch, so sagte Austerlitz, sofort einleuchtende Bezeichnung »das arsanische Grauen« gefunden habe.



Es war im kältesten Winter seit Menschengedenken, daß ich zum zweitenmal von der Schule in Oswestry nach Hause kam und Gwendolyn kaum noch am Leben fand. Im Kamin des Krankenzimmers schwelte ein Kohlenfeuer. Der gelbliche Qualm, der von den glosenden Brocken aufstieg und nicht recht abziehen wollte, vermengte sich mit dem im ganzen Haus hängenden Karbolgeruch. Ich stand Stunden am Fenster und studierte die wunderbaren Formationen der zwei bis drei Zoll hohen Eisgebirge, die sich über den Querleisten gebildet hatten durch das an den Scheiben herabrinnende Wasser. Aus der Schneelandschaft draußen tauchten ab und zu einzelne Figuren auf. In dunkle Schultertücher und Decken gehüllt, das Regendach gegen das Flockengestöber aufgespannt, schwankten sie den Hügel herauf. Ich hörte sie drunten im Eingang ihre Stiefel abstoßen, ehe sie, begleitet von der Nachbarstochter, die nun für den Prediger das Hauswesen führte, langsam die Stiege erklommen. Mit einem gewissen Zögern und so, als ob sie sich unter etwas bücken müßten, traten sie über die Schwelle und stellten das, was sie mitgebracht hatten - ein Glas eingewecktes Blaukraut, eine Dose Corned beef oder eine Flasche Rhabarberwein -, auf der Kommode ab. Gwendolyn bemerkte diese Besucher nicht mehr, und die Besucher ihrerseits wagten nicht, sie anzuschauen. Meistens standen sie eine Weile bei mir am Fenster, sahen wie ich hinaus und räusperten sich manchmal ein wenig. Wenn sie sich wieder entfernt hatten, war es so still wie zuvor, bis auf die flachen Atemzüge, die ich hinter mir hörte und zwischen denen jedesmal eine Ewigkeit zu vergehen schien. Am Weihnachtstag richtete sich Gwendolyn mit äußerster Anstrengung noch einmal auf. Elias hatte ihr eine Tasse gezuckerten Tee gebracht, aber sie netzte damit nur ihre Lippen. Dann sagte sie, so leise, daß man es fast nicht hören konnte: What was it that so darkened our world? Und Elias antwortete ihr: I don’t know, dear, I don’t know. Bis in das neue Jahr dämmerte Gwendolyn noch dahin. Am Tag Epiphanias aber war sie angelangt auf der letzten Stufe.



Draußen die Kälte war immer schwerer geworden, und immer lautloser wurde es auch. Das gesamte Land, erfuhr ich später, war in diesem Winter zum Stillstand gekommen. Sogar den Bala-See, den ich bei meiner Ankunft in Wales für das Weltmeer gehalten hatte, bedeckte eine dicke Schicht Eis. Ich dachte an die Rotaugen und Aale in seiner Tiefe und an die Vögel, von denen mir die Besucher gesagt hatten, daß sie steifgefroren von den Zweigen der Bäume fielen. All diese Tage über war es nie richtig hell geworden, und wie zuletzt, in einer ungeheuren Entfernung, die Sonne ein wenig aus dem nebligen Blau hervorkam, da machte die Sterbende die Augen weit auf und wollte ihren Blick nicht mehr von dem schwachen Licht wenden, das durch die Scheiben des Fensters drang. Erst beim Dunkelwerden senkte sie ihre Lider, und nicht lange danach kam mit jedem Atemzug ein gurgelndes Geräusch aus ihrem Rachen herauf. Ich saß die ganze Nacht hindurch mit dem Prediger zu ihrer Seite. Im Morgengrauen hörte das Röcheln auf. Dann wölbte sich Gwendolyn ein wenig nach oben, ehe sie wieder in sich zusammensank. Es war eine Art von Sich-Strecken, gerade so, wie ich es einmal gespürt hatte an einem verletzten Hasen, dem, als ich ihn vom Feldrain aufhob, vor Angst das Herz aussetzte in meiner Hand. Gleich nach der Todesanspannung aber war es, als verkürzte sich der Körper Gwendolyns um ein Stückchen, so daß ich denken mußte an das, was Evan erzählt hatte. Ich sah die Augen in ihre Höhlen zurücktreten und die Reihe der schief ineinander gewachsenen unteren Zähne, die zur Hälfte entblößt worden waren von den dünnen, nun straff nach hinten gespannten Lippen, während draußen, zum erstenmal seit langem, das Morgenrot über die Dächer von Bala streifte.

Elias hat den Tod seiner Frau nie verwunden. Trauer ist nicht das richtige Wort für den Zustand, in den er geraten war, seit sie im Sterben lag, sagte Austerlitz. Obzwar ich es damals als Dreizehnjähriger nicht begriff, sehe ich heute, daß das in ihm aufgestaute Unglück seinen Glauben genau in der Zeit, da er ihn am meisten brauchte, zerstört hatte. Als ich im Sommer wieder nach Hause kam, war es ihm seit Wochen schon nicht mehr möglich, sein Predigeramt zu versehen. Einmal ist er noch auf die Kanzel gestiegen. Er schlug die Bibel auf und las, mit gebrochener Stimme, und so, als läse er nur für sich, aus den Klageliedern den Spruch:



He has made me dwell in darkness as those who have been long dead. Die Predigt dazu hat Elias nicht mehr gehalten. Er stand bloß eine Zeitlang da und schaute über die Köpfe seiner vor Schrecken gelähmten Gemeinde hinweg, mit den unbeweglichen Augen eines Erblindeten wie mir schien. Dann stieg er langsam von der Kanzel wieder herunter und ging aus dem Bethaus hinaus. Noch vor Ende des Sommers überführte man ihn nach Denbigh. Ich habe ihn dort nur ein einziges Mal besucht, in der Vorweihnachtszeit, zusammen mit einem Vorsteher der Gemeinde. Die Kranken waren untergebracht in einem großen steinernen Haus. Ich erinnere mich, sagte Austerlitz, daß wir warten mußten in einem grüngestrichenen Raum. Nach einer Viertelstunde vielleicht kam ein Wärter und führte uns zu Elias hinauf. Er lag in einem Gitterbett, mit dem Gesicht gegen die Wand. Der Wärter sagte: Your son’s here to see you, parech, aber Elias war auch durch eine zweite und dritte Anrede zu keiner Antwort zu bringen. Als wir das Zimmer wieder verließen, zupfte einer der anderen Insassen, ein struppiges, eisgraues Männlein, mich am Ärmel und flüsterte mir hinter vorgehaltener Hand zu: he's not a full Shilling you know, was ich seltsamerweise damals, sagte Austerlitz, als eine beruhigende, die ganze trostlose Lage für mich erträglich machende Diagnose empfand.



Mehr als ein Jahr nach dem Besuch in der Anstalt in Denbigh, zu Beginn des Sommertrimesters 1949, als wir gerade mitten in den Vorbereitungen auf die unseren weiteren Weg entscheidenden Prüfungen standen, so nahm Austerlitz nach einer gewissen Zeit seine Erzählung wieder auf, ließ mich der Schuldirektor Penrith-Smith eines Morgens zu sich rufen. Ich sehe ihn jetzt vor mir in seinem ausgefransten Talar, wie er, um wölkt vom blauen Qualm seiner Tabakspfeife, in dem durch das Gitterwerk der bleiverglasten Fenster schräg hereinfallenden Sonnenlicht stand und in der für ihn bezeichnenden wirren Art mehrmals, vorwärts und rückwärts, wiederholte, ich hätte mich vorbildlich gehalten, unter den Umständen, ganz vorbildlich, in Anbetracht der Geschehnisse in den vergangenen zwei Jahren, und wenn ich in den nächsten Wochen die von meinen Lehrern zweifellos zurecht in mich gesetzten Hoffnungen erfüllte, so stünde mir für die Absolvierung der Oberstufe ein Stipendium der Stower Grange Trustees zur Verfügung. Vorderhand allerdings sei er verpflichtet, mir zu eröffnen, daß ich auf meine Examenspapiere nicht Dafydd Elias, sondern Jacques Austerlitz schreiben müsse. It appears, sagte Penrith-Smith, that this is your real name. Meine Zieheltern, mit denen er bei meinem Schuleintritt des längeren gesprochen habe, hätten die Absicht gehabt, mich rechtzeitig vor Beginn der Prüfungen über meine Herkunft aufzuklären und, womöglich, zu adoptieren, aber so wie die Dinge nun liegen, sagte Penrith-Smith, sagte Austerlitz, sei das ja ausgeschlossen, bedauerlicherweise. Er selber wisse nur, daß das Ehepaar Elias in seinem Haus mich aufgenommen habe zu Beginn des Krieges, als ich noch ein kleiner Knabe gewesen sei, und könne mir deshalb nichts Näheres sagen.

Natürlich habe ich, wenn wir in der Halbwegstation Bala haltmachten, an das Predigerhaus zurückdenken müssen, das man droben auf seiner Anhöhe stehen sah, doch ist es mir stets dabei unvorstellbar gewesen, daß ich zu seinen unglücklichen Insassen gehört hatte beinahe mein ganzes bisheriges Leben lang. Jedesmal beim Anblick des Bala-Sees, besonders im Winter, wenn er aufgerührt war vom Sturm, ist mir auch die Geschichte wieder eingefallen, die der Schuster Evan erzählt hatte von den beiden Quellflüssen Dwy Fawr und Dwy Fach, von denen es heißt, daß sie den See, weit drunten in seiner finsteren Tiefe, der Länge nach durchströmen, ohne sich zu vermengen mit seinen Wassern. Ihre Namen trügen die beiden Flüsse, so, sagte Austerlitz, habe Evan gesagt, nach den einzigen Menschenwesen, die dereinst nicht untergegangen waren, sondern gerettet wurden aus der biblischen Flut.



Und so, sagte Austerlitz, habe ich, kaum daß ich angekommen war in Prag, den Ort meiner ersten Kindheit wiedergefunden, von dem, soweit ich zurückdenken konnte, jede Spur in meinem Gedächtnis ausgelöscht war. Schon beim Herumgehen in dem Gewinkel der Gassen, durch Häuser und Höfe zwischen der Vlašská und der Nerudova, und vollends wie ich, Schritt für Schritt bergan steigend, die unebenen Pflastersteine der Šporkova unter meinen Füßen spürte, war es mir, als sei ich auf diesen Wegen schon einmal gegangen, als eröffnete sich mir, nicht durch die Anstrengung des Nachdenkens, sondern durch meine so lange betäubt gewesenen und jetzt wiedererwachenden Sinne, die Erinnerung.
...
Und dann die Kühle beim Betreten des Vorhauses in der Šporkova Nr 12, der gleich neben dem Eingang in die Mauer eingelassene Blechkasten für das Elektrische mit dem Symbol des herabfahrenden Blitzes, die achtblättrige Mosaikblume, tauben-

grau und schneeweiß, in dem gesprenkelten Kunststeinboden des Entrees, der feuchte Kalkgeruch, die sanft ansteigende Stiege, die haselnußförmigen Eisen-

knöpfe in bestimmten Abständen auf dem Handlauf des Geländers - lauter Buchstaben und Zeichen aus dem Setzkasten der vergessenen Dinge, dachte ich mir und kam darüber in eine so glückhafte und zugleich angstvolle Verwirrung der Gefühle, daß ich auf den Stufen des stillen Treppenhauses mehr als einmal mich niedersetzen und mit dem Kopf gegen die Wand lehnen mußte.



Maximilian Aychenwald, der aus St. Petersburg stammte, wo sein Vater bis zum Revolutionsjahr einen Gewürzhandel betrieben hatte, sei in der tschechoslowakischen sozialdemokratischen Partei einer der aktivsten Funktionäre gewesen, sagte Věra, und habe meine um fünfzehn Jahre jüngere Mutter, die damals am Beginn ihrer schauspielerischen Laufbahn gestanden und in verschiedenen Städten der Provinz aufgetreten sei, in Nikolsburg kennengelernt, auf einer der zahlreichen Reisen, die er als Redner auf öffentlichen Veranstaltungen und Betriebs-versammlungen unternahm. Im Mai 1933, kaum daß ich hier in der Šporkova eingezogen war, sagte Věra, haben sie nach der Rückkehr von einem, wie sie nicht müde wurden zu wiederholen, von den schönsten Erlebnissen erfüllten Aufenthalt in Paris in diesem Haus gemeinsam Wohnung genommen, trotzdem sie weiterhin unverheiratet blieben. Agáta und Maximilian, sagte Věra, hätten beide eine besondere Vorliebe für alles Französische gehabt. Maximilian sei von Grund auf Republikaner gewesen und habe davon geträumt, die Tschechoslowakei inmitten der überall in Europa unaufhaltsam sich ausbreitenden faschistischen Flut als eine Art von zweiter Schweiz zu einer Insel der Freiheit zu machen; Agáta ihrerseits habe von der besseren Welt eine eher kunterbunte, von dem von ihr über alles bewunderten Jacques Offenbach inspirierte Vorstellung gehabt, aus welchem Grund ich im übrigen auch, sagte Věra, zu meinem sonst unter den Tschechen nicht gebräuchlichen Vornamen gekommen sei. Es war das Interesse an der französischen Zivilisation in all ihren Ausdrucksformen, das ich als passionierte Romanistin mit Agáta ebenso wie mit Maximilian teilte, aus dem gleich nach unserem ersten Gespräch am Tag ihres Einzugs die Freundschaft zwischen uns zu erwachsen begann, und aus dieser Freundschaft ergab es sich dann sozusagen naturgemäß, so sagte Věra zu mir, sagte Austerlitz, daß sie, Věra, die im Gegensatz zu Agáta und Maximilian weitgehend frei über ihre Zeit verfügen konnte, sich nach meiner Geburt erboten habe, für die paar Jahre bis zu meinem Eintreten in die Vorschule die Aufgaben eines Kinderfräuleins zu übernehmen, eine Offerte, sagte Věra, die sie nicht ein einziges Mal später gereut habe, denn bereits ehe ich selber habe sprechen können, sei es ihr immer gewesen, als verstünde sie niemand besser als ich, und schon im Alter von nicht einmal ganz drei Jahren hätte ich sie mit meiner Konversationskunst auf das angenehmste unterhalten.

Agáta ihrerseits war nicht bereit, vor Maximilian, trotzdem er es ihr wiederholt geraten hatte, nach Frankreich zu gehen, und so kam es, daß dein damals aufs äußerste gefährdeter Vater, sagte Věra zu mir, sagte Austerlitz, erst am Nachmittag des 14. März, als es schon beinahe zu spät war, von Ruzyně aus allein nach Paris geflogen ist. Ich weiß noch, sagte Věra, daß er, als er sich verabschiedete, einen wunderbaren pflaumenfarbenen Zweireiher trug und einen weitkrempigen schwarzen Filzhut mit grünem Band. Am folgenden Morgen, der Tag war kaum angebrochen, sind dann tatsächlich die Deutschen in Prag eingezogen, mitten in einem dichten Schneegestöber, das sie gewissermaßen aus dem Nichts hervorzubringen schien, und als sie über die Brücke kamen und die Panzerwagen die Narodní hinaufrollten, hat sich ein tiefes Schweigen ausgebreitet über die ganze Stadt. Die Menschen haben sich abgewandt, sind langsamer, wie im Schlaf gegangen von dieser Stunde an, als wüßten sie nicht mehr, wohin. Besonders verstört hat uns, so sagte Austerlitz, bemerkte Věra, die unverzügliche Umstellung auf den Rechtsverkehr.

Durch die von Tag zu Tag länger werdende Liste der Einschränkungen - ich höre Věra, noch sagen, sagte Austerlitz, daß es bald verboten war, auf den parkseitigen Trottoirs zu gehen, eine Wäscherei oder einen Reinigungsbetrieb zu betreten oder ein öffentliches Telephon zu benutzen - wurde Agáta bald bis an den Rand der Verzweiflung gebracht. Ich sehe sie jetzt wieder hier im Zimmer auf und ab gehen, sagte Věra, sehe, wie sie sich an die Stirne schlägt mit der gespreizten Hand und, die Silben einzeln skandierend, ausruft: Ich be grei fe es nicht! Ich be greife es nicht! Ich wer de es nie mals be grei fen! Trotzdem ist sie, so oft es nur möglich war, in die Stadt gegangen und hat vorgesprochen bei ich weiß nicht was für und wie vielen Stellen, hat stundenlang in dem einzigen, den vierzigtausend Prager Juden zugänglichen Postamt gestanden, um ein Telegramm aufzugeben; hat Erkundigungen eingezogen, Beziehungen angeknüpft, Gelder hinterlegt, Bestätigungen und Garantien beigebracht und, wenn sie wieder zurück war, sich den Kopf zermartert bis spät in die Nacht. Aber je länger und je mehr sie sich mühte, desto mehr schwand auch die Hoffnung dahin, daß sie die Ausreisegenehmigung erlangen würde, und so entschloß sie sich zuletzt, im Sommer, als man schon reden hörte von dem bevorstehenden Krieg und von der mit seinem Ausbruch zweifellos eintretenden Verschärfung der Restriktionen, zumindest mich, wie Věra mir sagte, sagte Austerlitz, nach England zu schicken, nachdem es ihr durch die Vermittlung eines ihrer Theaterfreunde gelungen war, meinen Namen für einen der wenigen in jenen Monaten von nach London gehenden Kindertransporte einschreiben zu lassen. Věra erinnerte sich, sagte Austerlitz, daß die freudige Erregung, die Agáta über diesen ersten Erfolg ihrer Bemühungen verspürte, verdunkelt wurde von Besorgnis und Kummer, wenn sie sich vor Augen führte, wie es mir, einem noch nicht einmal fünfjährigen, immer gut behütet gewesenen Knaben zumute sein würde auf der langen Eisenbahnfahrt und dann unter fremden Leuten in einem fremden Land. Andererseits, sagte Věra, sprach Agáta davon, daß sich jetzt, wo der erste Schritt getan war, gewiß auch für sie bald ein Ausweg eröffnen werde und daß ihr dann alle miteinander leben könntet in Paris. So war sie hin und her gerissen zwischen ihrem Wunschdenken und der Angst, etwas Unverantwortbares und Unverzeihliches zu tun, und wer weiß, sagte Věra zu mir, ob sie dich nicht bei sich behalten hätte, wenn auch nur ein paar Tage mehr uns geblieben wären bis zu deiner Abreise aus Prag. Es ist nur noch ein undeutliches, gewissermaßen verwischtes Bild in mir von jener Stunde des Abschieds auf dem Wilson-Bahnhof, sagte Věra und setzte nach einigem Nachsinnen hinzu, ich hätte meine Sachen in einem ledernen Köfferchen gehabt und in einem Rucksack etwas Proviant - un petit sac á dos avec quelques viatiques, sagte Austerlitz, das seien die genauen, sein ganzes späteres Leben, wie er inzwischen denke, zusammenfassenden Worte Věras gewesen. Věra erinnerte sich auch an das zwölfjährige Mädchen mit dem Bandoneon, dem sie mich anvertraut hatten, an ein im letzten Augenblick gekauftes Chaplinheftchen, an das Flattern, gleich dem einer auffliegenden Taubenschar, der weißen Taschentücher, mit denen die zurückbleibenden Eltern ihren Kindern nachwinkten, und an den seltsamen Eindruck, den sie gehabt habe, daß der Zug, nachdem er unendlich langsam angerückt war, nicht eigentlich weggefahren, sondern bloß, in einer Art Täuschungsmanöver, ein Stück aus der überglasten Halle hinausgerollt und dort, noch nicht einmal in halber Ferne, versunken sei.

Es war still in dem Antiquariat, nur aus dem kleinen Radio, das Penelope wie immer neben sich hatte, drangen leise Stimmen, und diese zunächst kaum vernehmlichen, bald aber für mich geradezu überdeutlich werdenden Stimmen zogen mich derart in ihren Bann, daß ich ganz die vor mir liegenden Blätter vergaß und so reglos verharrte, als dürfte mir nicht eine einzige der aus dem etwas scharrenden Gerät kommenden Silben entgehen. Was ich hörte, das waren die Stimmen von zwei Frauen, die miteinander darüber sprachen, wie sie im Sommer 1939 als Kinder mit einem Sondertransport nach England geschickt worden waren. Sie erwähnten eine ganze Reihe von Städten - Wien, München, Danzig, Bratislava, Berlin -, aber erst als eine der beiden darauf zu sprechen kam, daß ihr Transport, nach einer zwei Tage lang dauernden Reise quer durch das Deutsche Reich und durch Holland, wo sie vom Zug aus die großen Flügel der Windmühlen gesehen habe, schließlich mit dem Fährschiff PRAGUE von Hoek aus über die Nordsee nach Harwich gegangen sei, wußte ich, jenseits jeden Zweifels, daß diese Erinnerungsbruchstücke auch in mein eigenes Leben gehörten.

Die Anschriften und Rufnummern am Ende des Programms mir aufzuschreiben, war ich vor Schrecken über die plötzliche Offenbarung außerstand. Ich sah mich nur warten, an einem Kai, in einer langen Zweierreihe von Kindern, von denen die meisten Rucksäcke trugen oder Tornister. Ich sah wieder die mächtigen Quader zu meinen Füßen, den Glimmer im Stein, das graubraune Wasser im Hafenbecken, die schräg aufwärts laufenden Taue und Ankerketten, den mehr als haushohen Bug des Schiffes, die Möwen, die wild kreischend über unseren Köpfen herumflatterten, die durch die Wolken brechenden Sonnenstrahlen und das rothaarige Mädchen mit dem Schottencape und dem Samtbarett, das sich während der Fahrt durch das dunkle Land um die kleineren Kinder gekümmert hatte in unserem Abteil, dieses Mädchen, von dem ich Jahre später noch, wie ich mich jetzt entsann, wiederholt träumte, daß es für mich in einer von einem bläulichen Nachtlicht erleuchteten Kammer ein lustiges Lied spielte auf einer Art von Bandoneon. Are you allright? - hörte ich auf einmal wie von weit her und brauchte eine Weile, bis ich begriff, wo ich war, und daß Penelope vielleicht meine plötzliche Versteinerung als besorgniserregend empfand. Nur auswärts in Gedanken, entsinne ich mich, ihr erwidert zu haben, in Hoek van Holland, as a matter of fact, worauf Penelope, mit einem leichten Anheben ihres schönen Gesichts, verständnisvoll lächelte, so als müsse auch sie nicht selten sich aufhalten an diesem trostlosen Hafenplatz.

Erinnerungen wie diese waren es, die mich ankamen in dem aufgelassenen Ladies Waiting Room des Bahnhofs von Liverpool Street, Erinnerungen, hinter denen und in denen sich viel weiter noch zurückreichende Dinge verbargen, immer das eine im andern verschachtelt, gerade so wie die labyrinthischen Gewölbe, die ich in dem staubgrauen Licht zu erkennen glaubte, sich fortsetzten in unendlicher Folge. Tatsächlich hatte ich das Gefühl, sagte Austerlitz, als enthalte der Wartesaal, in dessen Mitte ich wie ein Geblendeter stand, alle Stunden meiner Vergangenheit, all meine von jeher unterdrückten, ausgelöschten Ängste und Wünsche, als sei das schwarzweiße Rautenmuster der Steinplatten zu meinen Füßen das Feld für das Endspiel meines Lebens, als erstrecke es sich über die gesamte Ebene der Zeit.


Über die Gründe, die den Prediger Elias und seine blasse Ehefrau im Sommer 1939 bewogen haben mögen, mich bei sich aufzunehmen, kann ich nur mutmaßen, sagte Austerlitz.
...
Auch kann ich nicht mehr sagen, was mit mir selber in der ersten Zeit in Bala unter der Obhut des Ehepaars Elias geschah. An neue Kleider, die mich sehr unglücklich machten, erinnere ich mich, auch an das unerklärliche Verschwinden des grünen Rucksäckchens, und letzthin bildete ich mir sogar ein, ich erahnte noch etwas vom Absterben der Muttersprache, von ihrem von Monat zu Monat leiser werdenden Rumoren, von dem ich denke, daß es eine Zeitlang zumindest noch in mir gewesen ist wie eine Art Scharren oder Pochen von etwas Eingesperrtem, das immer, wenn man auf es achthaben will, vor Schrecken stillhält und schweigt.

Seit meiner Kindheit und Jugend, so hob er schließlich an, indem er wieder herblickte zu mir, habe ich nicht gewußt, wer ich in Wahrheit bin. Von meinem heutigen Standpunkt aus sehe ich natürlich, daß allein mein Name und die Tatsache, daß mir dieser Name bis in mein fünfzehntes Jahr vorenthalten geblieben war, mich auf die Spur meiner Herkunft hätten bringen müssen, doch ist mir in der letztvergangenen Zeit auch klargeworden, weshalb eine meiner Denkfähigkeit vor- oder übergeordnete und offenbar irgendwo in meinem Gehirn mit der größten Umsicht waltende Instanz mich immer vor meinem eigenen Geheimnis bewahrt und systematisch davon abgehalten hat, die naheliegendsten Schlüsse zu ziehen und die diesen Schlüssen entsprechenden Nachforschungen anzustellen.

Mehr als ein Jahr nach dem Besuch in der Anstalt in Denbigh, zu Beginn des Sommertrimesters 1949, als wir gerade mitten in den Vorbereitungen auf die unseren weiteren Weg entscheidenden Prüfungen standen, so nahm Austerlitz nach einer gewissen Zeit seine Erzählung wieder auf, ließ mich der Schuldirektor Penrith-Smith eines Morgens zu sich rufen. Ich sehe ihn jetzt vor mir in seinem ausgefransten Talar, wie er, um wölkt vom blauen Qualm seiner Tabakspfeife, in dem durch das Gitterwerk der bleiverglasten Fenster schräg hereinfallenden Sonnenlicht stand und in der für ihn bezeichnenden wirren Art mehrmals, vorwärts und rückwärts, wiederholte, ich hätte mich vorbildlich gehalten, unter den Umständen, ganz vorbildlich, in Anbetracht der Geschehnisse in den vergangenen zwei Jahren, und wenn ich in den nächsten Wochen die von meinen Lehrern zweifellos zurecht in mich gesetzten Hoffnungen erfüllte, so stünde mir für die Absolvierung der Oberstufe ein Stipendium der Stower Grange Trustees zur Verfügung. Vorderhand allerdings sei er verpflichtet, mir zu eröffnen, daß ich auf meine Examenspapiere nicht Dafydd Elias, sondern Jacques Austerlitz schreiben müsse. It appears, sagte Penrith-Smith, that this is your real name. Meine Zieheltern, mit denen er bei meinem Schuleintritt des längeren gesprochen habe, hätten die Absicht gehabt, mich rechtzeitig vor Beginn der Prüfungen über meine Herkunft aufzuklären und, womöglich, zu adoptieren, aber so wie die Dinge nun liegen, sagte Penrith-Smith, sagte Austerlitz, sei das ja ausgeschlossen, bedauerlicherweise. Er selber wisse nur, daß das Ehepaar Elias in seinem Haus mich aufgenommen habe zu Beginn des Krieges, als ich noch ein kleiner Knabe gewesen sei, und könne mir deshalb nichts Näheres sagen. Sowie der Zustand von Elias sich bessere, werde sich gewiß alles Weitere regeln lassen. As far as the other boys are concerned, you remain Dafydd Elias for the time being. There’s no need to let anyone know. It is just that you will have to put Jacques Austerlitz on your examination papers-or else your work may be considered invalid. Penrith-Smith hatte den Namen auf einen Zettel geschrieben, und als er diesen Zettel mir aushändigte, da wußte ich nichts anderes zu ihm zu sagen als »Thank you, Sir«, sagte Austerlitz.

Hilary war es ja auch, der nach dem Anfang 1994 in der Heilanstalt von Denbigh erfolgten Tod meines Ziehvaters die Auflösung des spärlichen Nachlasses übernahm und anschließend den in Anbetracht der Tatsache, daß Elias jeden Hinweis auf meine Herkunft getilgt hatte, mit nicht wenigen Schwierigkeiten verbundenen Prozeß meiner Einbürgerung in die Wege leitete. Er hat mich zu jener Zeit, zu der ich, wie er selber vor mir, bereits am Oriel College studierte, regelmäßig besucht, und wir haben miteinander, so oft es ging, Exkursionen gemacht zu den verlassenen und verfallenden Landhäusern, die es in den Nachkriegsjahren auch in der Umgegend von Oxford überall gab. So lange ich noch an der Schule war, sagte Austerlitz, hat mir, abgesehen von dem Beistand Hilarys, besonders die Freundschaft mit Gerald Fitzpatrick über die gelegentlich mich bedrückenden Selbstzweifel hinweggeholfen.
...
Ich habe Adela nach dem Begräbnistag nie mehr gesehen, aus eigener Schuld, so hob er an, weil ich während meiner ganzen Pariser Zeit kein einziges Mal nach England zurückgekommen bin, und als ich dann, fuhr er fort, nach dem Antritt meiner Londoner Stelle, Gerald, der inzwischen sein Studium absolviert und die Forschungsarbeit aufgenommen hatte, in Cambridge besuchte, war Andromeda Lodge verkauft und Adela mit einem Entomologen namens Willoughby nach North Carolina gegangen. Gerald, der damals in der winzigen Ortschaft Quy, unweit des Flugfelds von Cambridge, ein Cottage gemietet und sich von seinem bei der Auflösung des Besitzes ihm ausbezahlten Erbteil eine Cessna gekauft hatte, kam in allen unseren Gesprächen, gleich worum sie sich drehten, immer wieder auf seine Flugleidenschaft zurück.

Gerald erzählte mir damals auch von den Ausflügen, die er in seiner Cessna machte über das schneeglänzende Gebirge oder die Vulkangipfel des Puy de Dôme, die schöne Garonne hinab bis nach Bordeaux. Daß er von einem dieser Flüge nicht mehr heimkehrte, das war ihm wohl vorherbestimmt, sagte Austerlitz.

Ich hatte von diesem Sommeraufenthalt, bei dem ich gerade vier Jahre alt war, keinerlei Erinnerung in mir, sagte Austerlitz, und vielleicht ist es deshalb gewesen, daß ich später, Ende August 1972, gerade dort, in Marienbad, mit nichts als blinder Angst vor der besseren Wendung gestanden bin, die sich damals anbahnen wollte in meinem Leben. Ich war von Marie de Verneuil, mit der ich seit meiner Pariser Zeit korrespondierte, eingeladen worden, sie zu begleiten auf einer Reise nach Böhmen, wo sie für ihre baugeschichtlichen Studien zur Entwicklung der europäischen Kurbäder verschiedene Nachforschungen und, wie ich heut glaube sagen zu dürfen, sagte Austerlitz, den Versuch anstellen wollte, mich aus meiner Vereinzelung zu befreien. Sie hatte alles auf das beste in die Wege geleitet. Ihr Vetter, Frédéric Félix, der Attaché war an der Prager französischen Botschaft, hatte uns eine enorme Tatra-Limousine an den Flughafen geschickt, mit der wir dann direkt nach Marienbad chauffiert worden sind.
...
Morgen, sagte sie, gleich beim Erwachen, werde ich dir alles Liebe wünschen, und das wird dann so sein, als wünschte ich einer Maschine, deren Mechanismus man nicht kennt, einen guten Gang. Kannst du mir nicht sagen, sagte sie, sagte Austerlitz, was der Grund deiner Unnahbarkeit ist? Warum, sagte sie, bist du, seit wir hierher gekommen sind, wie ein zugefrorener Teich? Warum sehe ich, wie deine Lippen sich öffnen, wie du etwas sagen, vielleicht sogar ausrufen willst, und dann höre ich nichts? Warum hast du bei unserer Ankunft deine Sachen nicht ausgepackt und lebst, sozusagen, immer nur aus dem Rucksack?

Als ich mich kurz vor meiner Abreise aus Paris mit Austerlitz noch einmal zum Morgenkaffee am Boulevard Auguste Blanqui traf, sagte er mir, daß er tags zuvor von einem Mitarbeiter des Dokumentationszentrums in der rue Geoffroy-l'Asnier eine Nachricht erhalten habe, derzufolge Maximilian Aychenwald Ende 1942 in dem Lager Gurs interniert gewesen sei, und daß er, Austerlitz, diesen weit drunten im Süden, in den Vorbergen der Pyrenäen gelegenen Ort nun aufsuchen müsse.
...
Es ging auf zwölf Uhr, als wir uns verabschiedeten vor der Métrostation Glacière. Früher, sagte Austerlitz zuletzt, sind hier heraußen große Sümpfe gewesen, auf denen die Leute Schlittschuh liefen im Winter, genau wie vor dem Bishop's Gate in London, und überreichte mir die Schlüssel seines Hauses in der Alderney Street. Ich könne dort, wann immer ich wolle, sagte er, mein Quartier aufschlagen und die schwarzweißen Bilder studieren, die als einziges übrigbleiben würden von seinem Leben.



Zeittafel



Manchmal kauft man ein Buch
und lässt es eine Zeit lang liegen.
Irgendwann öffnet man es,
gedankenverloren,
und steht auf einmal dem größten Geheimnis gegenüber,
das man selbst tief im Inneren trägt.
Genau das ist mir mit
Austerlitz passiert,
dem Buch von Sebald.



Wer das letzte - und von vielen für sein Opus Magnum gehaltene Buch von W. G. Sebald zur Hand nimmt, dem geht es sicher ebenso wie Stan Neumann, der mit Denis Lavant als Austerlitz in der Hauptrolle seinen kongenialen Film "Austerlitz" drehte: Neumann hielt das Werk erst für einen Geschichtsroman aus der Napoleon-Zeit und 'Austerlitz' für die Ortsangabe der Drei-Kaiser-Schlacht ...

Und dann entdeckt der Filmregisseur bei der Lektüre Erinnerungen oder innere Geheimnisse, und seien es nur Prager oder Antwerpener oder Theresienstädter oder Marienbader Szenen, falls der Leser die Orte schon besuchte ...





siehe auchAusterlitz Hintergrund