Frank Auberbach * 1931 Berlin. Der noch nicht Achtjährige verlässt mit fünf weiteren jüdischen Kindern in einem Kindertransport Deutschland per Schiff, Ziel London; seine Eltern sieht nie wieder, die Nazis ermorden sie 1943 in Auschwitz.
Über viele Jahre muss der Maler seinen Lebensunterhalt als Rahmenbauer und Kunstlehrer verdienen, Publikum und Kritik können mit den in extrem dicken Farbaufträgen herausgemeißelten Porträts wenig anfangen.
Mit der Zeit entwickelt sich der eigenwillige Maler zum Geheimtipp in der internationalen Kunstszene, erste Ausstellungen u. a. 1973 in Mailand folgen. Den Durchbruch als anerkannter Künstler schafft Auerbach 1986 mit der Gestaltung des britischen Pavillons auf der Biennale Venedig: gemeinsam mit Sigmar Polke erhält er den Goldenen Löwen. Auerbach ist heute einer der bedeutendsten Vertreter der figurativen Malerei in Großbritannien.
Der Maler gilt als Workaholic: Seit mehr als 50 Jahren arbeitet er durchgehend 365 Tage im Jahr in seinem Atelier, in das er sich täglich 16 5-Liter-Kanister Ölfarbe liefern lässt. Auerbachs Cousin ist Marcel Reich-Ranicki, eng befreundet ist er mit den in London lebenden Malern Lucian Freud und R. B. Kitaj.
Kunsthistoriker stellen Frank Auerbach in eine Linie mit Chaim Soutine, Ernst-Ludwig Kirchner, Alberto Giacometti und Willem de Kooning oder gar Rembrandt. Er selbst sieht sich als Einzelgänger jenseits aller Moden, als Robinson Crusoe der Kunstwelt.
Für die englische Übersetzung 'The Emigrants' verweigert Auerbach die Genehmigung, dass seine Bilder erscheinen. Sebald nennt "Frank Aurach" in "Max Ferber" um: I withdraw if I get any sense of the person's discomfort.
Unweit der Schleusen an der Zufahrt zum Hafen stieß ich in einer von den Docks in Richtung Trafford Park abzweigenden Straße auf das mit groben Pinselstrichen gemalte Schild TO THE STUDIOS. Es wies den Weg in einen gepflasterten Hof, in dessen Mitte, umgeben von einem kleinen Grasplatz, ein blühendes Mandelbäumchen stand. Der Hof mußte einmal zu einem Fuhrunternehmen gehört haben, denn er war teils von ebenerdigen Stallungen und Remisen, teils von ein- bis zweistöckigen ehemaligen Wohn- und Geschäftsgebäuden umgeben, und in einem dieser anscheinend verlassenen Gebäude war das Atelier untergebracht, das ich in den kommenden Monaten, sooft ich glaubte, es verantworten zu können, aufsuchte, um Gespräche zu führen mit dem Maler, der dort seit Ende der vierziger Jahre arbeitete, Tag für Tag zehn Stunden, den siebten Tag nicht ausgenommen.
Es wunderte mich immer wieder, wie Ferber gegen Ende eines Arbeitstages aus den wenigen der Vernichtung entgangenen Linien und Schatten ein Bildnis von großer Unmittelbarkeit zusammenbrachte, und noch weitaus mehr wunderte mich, daß er dieses Bildnis unfehlbar am darauffolgenden Morgen, sobald nur das Modell seinen Platz eingenommen und er einen ersten Blick auf es geworfen hatte, wieder auslöschte, um aus dem durch die fortgesetzten Zerstörungen bereits stark beeinträchtigten Hintergrund von neuem die für ihn, wie er sagte, letztlich unbegreiflichen Gesichtszüge und Augen seines von diesem Arbeitsprozeß oft nicht wenig in Mitleidenschaft gezogenen Gegenübers herauszugraben. Entschloß sich Ferber, nachdem er vielleicht vierzig Varianten verworfen beziehungsweise in das Papier zurückgerieben und durch weitere Entwürfe überdeckt hatte, das Bild, weniger in der Überzeugung, es fertiggestellt zu haben, als aus einem Gefühl der Ermattung, endlich aus der Hand zu geben, so hatte es für den Betrachter den Anschein, als sei es hervorgegangen aus einer langen Ahnenreihe grauer, eingeäscherter, in dem zerschundenen Papier nach wie vor herumgeisternden Gesichter.
Da er die Farben in großen Mengen aufträgt und sie im Fortgang der Arbeit immer wieder von der Leinwand herunterkratzt, ist der Bodenbelag bedeckt von einer im Zentrum mehrere Zoll dicken, nach außen allmählich flacher werdenden, mit Kohlestaub untermischten, weitgehend bereits verhärteten und verkrusteten Masse, die stellenweise einem Lavaausfluß gleicht und von der Ferber behauptet, daß sie das wahre Ergebnis darstelle seiner fortwährenden Bemühung und den offenkundigsten Beweis für sein Scheitern.
Wenn er versuche, sich in die fragliche Zeit zurückzuversetzen, so sehe er sich erst in seinem Studio wieder bei der mit geringen Unterbrechungen über nahezu ein Jahr sich hinziehenden schweren Arbeit an dem gesichtslosen Porträt Man with a Butterfly Net, das er für eines seiner verfehltesten Werke halte, weil es, seines Erachtens, keinen auch annähernd nur zureichenden Begriff gebe von der Seltsamkeit der Erscheinung, auf die es sich beziehe. Die Arbeit an dem Bild des Schmetterlingsfängers habe ihn ärger hergenommen als jede andere Arbeit zuvor, denn als er es nach Verfertigung zahlloser Vorstudien angegangen sei, habe er es nicht nur wieder und wieder übermalt, sondern er habe es, wenn die Leinwand der Beanspruchung durch das dauernde Herunterkratzen und Neuauftragen der Farbe nicht mehr standhielt, mehrmals völlig zerstört und verbrannt.
Erst als ich Ende November 1989 in der Londoner Tate Gallery
(ich war eigenlich gekommen, Delvaux' Schlafende Venus
einem etwa vier auf fünf Fuß messenden Bild mich gegenüberfand,
das die Signatur Ferbers trug und den für mich
ebenso bedeutungsvollen wie unwahrscheinlichen Titel
G. I. on her Blue Candlewick Cover,
(Gracie Irlam, Flügelhornistin siehe )
erst dann begann Ferber in meinem Kopf
wieder lebendig zu werden
Nachbemerkung:
Stuart Walker schreibt:
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Bei Eröffnung der Auerbach-Ausstellung in Bonn März 2015 korrigiert der britische Botschafter schmunzelnd Uwe Wittstock und das Kunstmagazin BLAU zum angeblichen 80-Liter-Ölverbrauch des Künstlers: weniger als ein Zehntel. Viele Bilder Auerbachs sind acrylfarben, dass er sich ständig im Atelier aufhält - Mythologie, er skizziert viele Stunden im Freien – die Espressobarwände der National Gallery zeugen davon ...
Frank Auerbach hat sie alle überlebt: seine Freunde Francis Bacon, Lucian Freud - und uns.
70 Jahre nach dem Ende der NS-Diktatur, die ihn zum Waisen und Engländer machte, empfängt Auerbach, der größte Maler Londons, zum ersten Mal ein deutsches Magazin in seinem Atelier.
Mai-Ausgabe 2015 des Kunstmagazins BLAU: Frank Auerbach erinnert sich, wie er 1939 mit einem Kindertransport nach England gebracht wurde. Ich habe Deutschland mit einem kleinen Koffer verlassen, in den meine Eltern saubere Sachen für mich gepackt hatten. Sie sagten mir, dass sie nachkommen würden. Also wartete ich und rührte den Koffer nicht an, wollte alles aufheben für den Tag der Zusammenkunft . . .