Film "Mittagsstunde"
Personen Ingwer Feddersen, Dozent, 47, nimmt sich ein Jahr frei vom Unibetrieb in Kiel und fährt in sein Heimatdorf Brinkebüll in Nordfriesland, um „Mudder“ und „Vadder“ zu betreuen. In Kiel lebt Ingwer in einer Wohn- und Lebensgemeinschaft mit Ragnhild und Claudius zusammen, kann sich aber so richtig angenommen und geschätzt von den beiden auch nach vielen Jahren nicht fühlen. Der introvertierte, nachdenkliche Mann scheint seine Identität noch nicht ganz gefunden zu haben. Aufgewachsen in dem Dorf, in dem jeder sein Päckchen zu tragen hat, ist er es gewöhnt, die Dinge zu nehmen, wie sie sind. Der große Schweiger macht seine Gefühle mit sich selbst aus, aber dass er viele hat, sieht man seinem Blick stets an. Rückblenden in die siebziger Jahre: Als Junge reimt Ingwer sich aus aufgeschnappten, beiläufigen Bemerkungen zusammen, dass nicht Ella seine Mutter ist, sondern deren versponnene Tochter Marret. Ebenso beiläufig erfährt er, wer sein Großvater (Christian) ist. Sein Urteil: In dieser Familie herrscht schon ein „Kuddelmuddel“. Das Dorf der Kindheit, wie Ingwer es in Erinnerung hat, gibt es nicht mehr. Die Rückblenden in die Zeit der Flurbereinigung oder als die Dorfkastanie fiel - sie reichen teilweise bis in die sechziger Jahre, vor Ingwers Geburt, zurück - machen den schleichenden Wandel sichtbar. Ella Feddersens Geist (Mudder) hat sich verwirrt Sönke Feddersen (alt - jung) - noch nie ein Mann großer Gefühle; der alte Wirt des Dorfgasthofs und Ziehvater Ingwers, fühlt sich von ihm im Stich gelassen, als dieser einst beschließt, lieber zu studieren, als in seine Fußstapfen zu treten. Sönke wollte mit der Zeit gehen und das Wirtshaus mit Discokugel und Kegelbahn aufpeppen. Doch Ingwer verweigerte sich der Rolle, den Betrieb zu übernehmen. In der Beziehung zwischen den beiden gibt es viel zu klären, und es geschieht durch Gesten, Blicke. Das Drama konzentriert sich nicht nur auf Ingwer, sondern arbeitet auch Sönkes Abrechnung mit seinem Leben sehr bewegend heraus. Er, der Gehörnte und vom angenommenen Sohn Enttäuschte, legt nicht von ungefähr so viel Wert auf die Gnadenhochzeit, die er mit Ella und dem ganzen Dorf feiern will. Niemand anderer, stellt er befriedigt fest, könne hier auf 70 Ehejahre zurückblicken! Marret, die versponnene Tochter Ellas, so erfährt Ingwer, ist seine Mutter - nicht Ella; sein Vater ein unbekannter Landvermesser. Trailer Der Film bleibt inhaltlich und atmosphärisch nahe am Roman "Mittagsstunde" von Dörten Hansen, wenngleich er dessen Inhalt sehr stark strafft. Vieles von diesem dörflichen Kosmos, den Hansen so liebevoll und genau schildert, fällt im Film unter den Tisch - vor allem die vielen Nebenfiguren, die ja die dörfliche Gemeinschaft ausmachen. Das dramaturgische Prinzip der Verknappung passt aber gut zur Wortkargheit der Menschen von Brinkebüll und zur Stimmung des Abschiednehmens im Film. Wenn sich Ingwer erinnert, legt er die Ereignisse und Momente von früher zugleich auch ab, wie begutachtete Fundstücke. Ingwer, Sönke und Ella schließen ihren Frieden mit dem, was verloren ist und zugleich mit dem, was sie dennoch erreicht haben. Die Traurigkeit in diesem beeindruckenden Film hat etwas Tröstliches. |