Kunstwerke
(Auf ungeheuer dünnem Eis S. 75)

Viele Leute fragen mich:
Warum schreiben Sie eigentlich noch, wenn Sie ein so pessimistisches Weltbild haben?
Es ist ein Versuch, ganz kleine, von der Zeit abgetrennte Lagunen zu schaffen.
Unser Leben wird auch von unserer Phantasie geformt, durch die Phantasie von anderen. Das Tröstliche der Kunst besteht darin, daß man im Kunstwerk, zumindest wenn es gelungen ist, für ein flüchtiges, sich selbst regulierendes Gleichgewicht sorgen kann. Das ist das Schöne an Kunstwerken, aus denen die Zeit verschwunden ist. Ich teile Peter Handkes Gefühl, daß in der erzählenden Literatur die Zeit eine zentrale Rolle spielt. Handke versucht jetzt schon fünfzehn Jahre lang ziemlich systematisch, die Zeit aus seinen Texten zu eliminieren und seiner Prosa die Qualität der plastischen Sprache zu geben. Das ist es, was uns berührt, wenn wir ein Museum besuchen und ein Gemälde aus dem 17. Jahrhundert sehen. Es ist eine Momentaufnahme für immer. Um es pathetisch auszudrücken: Es ist eine mit sehr geringen Mitteln gemachte Reflexion der Ewigkeit. Das scheint mir noch immer der Mühe wert. Ich arbeite auch wie ein Maler, der darüber nachzudenken hat, wie groß er seinen Rahmen bauen muß. Das Handwerk des Malers hat mich immer sehr fasziniert, ich beneide ihn um das Handwerkliche seiner Kunst. Beim Schreiben ist das viel weniger der Fall.