Die Berliner Staatsanwaltschaft hat das Ermittlungsverfahren im November eingestellt.
„Ein strafbares Verhalten der Eltern ist nicht mit der für eine Anklage erforderlichen Sicherheit nachweisbar“,
sagt Sprecher Martin Steltner. Der Verdacht bestehe dagegen weiter. Dennoch sei das Verfahren gegen ihn vorläufig eingestellt,
da er im Ausland lebe. Sollte er wieder nach Deutschland einreisen, könnte wieder ermittelt werden.
Fachleute kritisierten die Entscheidung. „Die erforderlichen Verdachtsmomente für eine Anklageerhebung waren gegeben“,
so der Passauer Rechtswissenschaftler Holm Putzke, der die Beschneidungsdebatte in Deutschland mit angestoßen hat.
Das umstrittene Ritual sei klar verboten. „Offenbar besteht in Berlin kein Interesse daran, dieses brisante Thema in
einer öffentlichen Hauptverhandlung klären zu lassen.“
Der Beschluss der Ermittler lässt nun offen, ob die Beschneidung von Teichtals Sohn sich an das neue Gesetzt hielt.
Sowohl aus Videoaufnahmen wie nach Aussagen Beteiligter habe sich kein klares Bild ergeben, sagt Steltner.
Die Eltern hätten vom Mohel die Zusage bekommen, sich an die deutschen Gesetze zu halten. „Nur wenn Eltern nachweislich
schon bei der Abgabe ihrer Einwilligungserklärung wussten, dass der Beschneider von den Regeln ärztlicher Kunst abweicht,
machen sie sich strafbar“, heißt es in dem Beschluss ausdrücklich. Es sei aber nicht nachweisbar gewesen, dass die Eltern über
die Einzelheiten des Ritus aufgeklärt waren.
Ob der orthodoxe Brauch bei Beschneidungen generell strafbar sein soll, bleibt nach dem Beschluss vorerst ungeklärt.
Yehuda Teichtal, * 1972 in den USA, ist ein orthodoxer chassidischer Rabbiner und Vorsitzender des Chabad
Jüdischen Bildungszentrums in Berlin. Seit 1996 mit Familie - 2 Söhne, 2 Töchter - in Berlin.
Im März 2013 wurde Teichtal angzeigt wegen Körperverletzung an seinem Sohn.
In einem Video auf der Webseite des Tagesspiegels sei erkennbar, wie Herr Menachem Fleischmann Wein aus einem Glas in den Mund
nimmt und sich dann zu dem Säugling Mendel Teichtal hinunterbeugt, um mit dem Mund Blut von dessen noch blutendem Penis abzusaugen.
Der Gesetzgeber kenne nach §1631d BGB nur eine Einwilligung der Eltern in Vorhautamputationen, die nach den Regel der ärztlichen
Kunst erfolgen sollen.
Den blutenden Penis des Kindes in den Mund zu nehmen, um etwas Blut abzusagen - eine Metzitzah B'peh -
könne mitnichten als Stand der ärztlichen Kunst gelten, in die Eltern nicht rechtmäßig einwilligen könnten.
Die Vorhautamputation sei strafbar als Körperverletzung (eine gefährliche zumal, da mit einem Messer ausgeführt).
Rabbinerin und Urologin Dr. med. Antje Yael DEUSEL:
Der jeweils aktuellste ärztliche Standard hinsichtlich der chirurgischen Durchführung, einschließlich Sterilität und geeigneter
Schmerzbekämpfung intra- und postoperativ, ist einzuhalten. Eine sogenannte Metzitzah B'peh – d. h. ein direktes
Absaugen von Blut aus der Wunde – ist obsolet und unbedingt zu unterlassen.
Bei der Metzitzah besteht die realistische Gefahr der Übertragung von Herpesviren aus dem Speichel des Mohel (Beschneiders)
auf den betroffenen Säugling, Konsequenz einer solchen Infektion kann eine Hirnhautentzündung (Meningitis)
mit daraus folgender Lähmung, Siechtum oder auch der Tod sein. Bei einer Durchseuchungsrate der männlichen Bevölkerung
von 80 bis 90 Prozent stellt dies ein realistisches Risiko dar.
Auch dem israelischen Mohel Menachem Fleischmann müsse die Gefährlichkeit seines Handelns bewusst gewesen sein:
Israels Oberrabbinat erklärt, dass das Saugen des Blutes vom Penis des Babys mit dem Mund zu bevorzugen ist.
Rabbi Moshe Morsiano, Vorsitzender der "Beschneidungsabbteilung für Israels Oberrabbinat"
in einem Brief vom 22. April 2013: Es gibt keine Rechtfertigung, das Saugen des Blutes vom Penis des Babys mit dem Mund zu
vermeiden, „es sei denn, der Beschneider (Mohel) hat einen Wunde in seinem Mund oder eine ansteckende Krankheit“.
Die Praxis des Saugens des Blutes vom Penis des Babys mit dem Mund steht unter Beschuss von vielen jüdischen Gruppen,
einschließlich modern-orthodoxer Verbände, da die Ausbreitung von Infektionen für einen Säugling tödlich sein kann.
Gegner empfehlen die Verwendung einer Pipette.
(In New York erkrankten durch die Verfahrensweise zwischen 2004 und 2011 mindestens 11 Knaben an Herpes,
zwei starben an der Krankheit und zwei weitere erlitten Hirnschäden.
Am 7.5.2012 hat das Gericht entschieden:
1. Die Beschneidung eines Knaben aus religiösen Gründen durch einen Arzt erfüllt den Tatbestand des §
223Abs. 1 StGB (Vorsätzliche Körperverletzung), auch wenn die Eltern in den Eingriff eingewilligt haben.
Beschneidungen sind insbesondere nicht sozialadäquat.
2. Dem elterlichen Recht auf religiöse Kindererziehung kommt gegenüber dem Recht auf körperliche Unversehrtheit des Kindes
in Fällen der religiösen Knabenbeschneidung kein rechtlicher Vorrang zu.
3. Eine gleichwohl erteilte elterliche Einwilligung in die Beschneidung durch den Arzt verletzt daher das Wohl des Kindes.
Das LG Köln hatte über die Strafbarkeit einer religiös motivierten Knabenbeschneidung zu entscheiden und hat die Strafbarkeit,
soweit ersichtlich als erstes deutsches Gericht bejaht.
Das Urteil im Wortlaut
Das Urteil ist deshalb - nicht nur für Juristen - so bahnbrechend, weil es in aller Kürze das Ineinandergreifen
der großen Teilrechtsordnungen des Strafrechts, des Zivilrechts und des Öffentlichen Rechts in anschaulicher Weise
greifbar macht.
Ob die Beschneidung strafwürdiges Unrecht ist, hängt vom familienrechtlichen Begriff der elterlichen Sorge
ab, der im Lichte der Grundrechte von Eltern und Kindern auszulegen ist. Die Wertungsspielräume, die sich bei diesem
Problem eröffnen, werden vorrangig durch unser Grundgesetz ausgefüllt.
Und die im Urteil entschiedene Rechtsfrage macht handfest: Recht ist ein kulturelles Phänomen.
Was bedeutet, dass die verbindlich festgelegten Wertentscheidungen Ausdruck eines bestimmten kulturellen Umfelds
sind, dass das Recht auf dieses kulturelle Umfeld immer wieder reagieren muss, ohne dabei seinen eigenen Geltungsanspruch aufzugeben.
Dabei kommt es zu dem irritierenden Phänomen, dass Verhaltensweisen "plötzlich" als Problem des Rechts erscheinen,
obwohl sie sich schon viel früher als Problem hätten stellen können. Dies führt vor allem in der Öffentlichkeit
zu der naheliegenden Reaktion: Was immer erlaubt schien, das kann doch jetzt nicht verboten sein.
Dass dies gegen alle Intuition möglich ist, stellt unsere Idealisierung der Rechtsordnung als einer
allzeit gültigen, omnipotenten und objektiven Ordnung in Frage. Wir erkennen, dass das Recht zeitgebundene
Antworten gibt und dies auch nur dann, wenn ihm die entsprechenden Fragen gestellt werden. Praktisch betrachtet:
Strafgerichte entscheiden eben nur, wenn ihnen eine Anklageschrift vorgelegt wird, was von vielen rechtlichen Faktoren
abhängig ist, nicht zuletzt aber auch davon, ob in der sozialen Sphäre – von Betroffenen etwa – ein Strafinteresse artikuliert wird. Für
die Beschneidung wurde dieses lange Zeit abgelehnt – strafrechtsdogmatisch gesprochen hielt man das Verhalten
für "sozialadäquat".
Bei der Frage nach der Strafbarkeit religiös motivierter Beschneidung zeichnet sich ein Bewusstseinswandel ind der der Diskussion ab,
die bislang mangels unmittelbar einschlägigen Fallmaterials weitgehend hypothetisch verlief. Dies hat sich mit der Entscheidung des LG Köln
schlagartig geändert. Sie hat neben der politisch-gesellschaftlichenn Aufmerksamkeit bereits jetzt weit über den konkreten Fall
hinausreichende praktische Bedeutung, weil in zahlreichen deutschen Krankenhäusern aus Angst vor Strafverfolgung seither
keine religiös motivierten Beschneidungen mehr durchgeführt werden.
Zu dem Strafverfahren: Die Beschneidung, so das Amstgericht, sei letztlich im Interesse des Knaben,
weil sie der Stigmatisierung in seinem religiös-kulturellen Umfeld vorbeuge und zudem hygienische und krankheitspräventive Vorzüge
habe.
Das Landgericht die Entscheidung des Amtsgerichts AG vom Kopf auf die Füße gestellt:
Im Mittelpunkt beider Entscheidungen steht die Frage, ob es vom elterlichen Erziehungsrecht erfasst ist, einen Eingriff
in die körperliche Unversehrtheit des Kindes zu veranlassen, der nicht medizinisch indiziert, sondern religiös motiviert ist:
Denn während eine Operation, die das Leben des Kindes rettet oder seine Gesundheit substantiell verbessert,
vom Recht der elterlichen Sorge umfasst ist, sieht es im Bereich solcher Eingriffe, die nicht die Behebung
eines pathologischen Zustands zum Gegenstand haben, anders aus.
Das elterliche Erziehungsrecht ist von den Vorschriften des Familienrechts strukturiert. Zwar können sie
das Recht umfassen, an der Stelle des Familienmitglieds eine Entscheidung zu treffen, die dieses wesentlich betrifft. Sie
dienen dabei aber immer dem zu Umsorgenden.
Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG gestaltet die elterliche Sorge als Recht und Pflicht. In
der Wahrnehmung dieses Rechts disponieren Eltern notwendig fortlaufend über die Rechte ihrer Kinder, etwa
indem sie deren Aufenthaltsort bestimmen, indem sie medizinische Heilbehandlungen veranlassen oder indem sie ihre
Kinder in konfessionellen Religionsunterricht schicken. Im Kern des Streits um die Beschneidung steht dabei
die konzeptionelle Frage danach, welches Bild man sich von der Funktion und Struktur des Grundrechts aus Art. 6 Abs. 2 S. 1
GG macht: Interpretiert man es als spezifisch familienverfassungsrechtliche
Ausprägung eines elterlichen Freiheitsrechts, wird man eher geneigt sein, die Einwilligung der Eltern in die
Beschneidung ihres Kindes für wirksam zu halten. Interpretiert man Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG hingegen stärker funktional
und versteht das Erziehungsrecht rein treuhänderisch, weist
man den Eltern weniger eine Gestaltungsverantwortung für
das Leben ihres Kindes, sondern eher eine Gewährleistungsverantwortung für bestimmte Rahmenbedingungen zu.
Der elterliche Entscheidungsradius fällt dann knapper aus.
Welcher Auffassung man hier zuneigt, wird nicht zul
etzt
dadurch bedingt, ob man einem eher
individualistischen Frei-
heitsbegriff
anhängt, der die weitgehende Verwirklichung der
persönlichen Autonomie für vorrangig hält, oder ob
man die
Gemeinschafts- und damit auch die Familienbezogenhe
it persönlicher Freiheitsverwirklichung stärker gewichten
möchte. Dabei
ist nicht ernstlich bestreitbar, dass die medizinisch nicht indizierte Entfernung eines gesunden, nicht dysfunktionalen und
im höchsten Maße innervierten Teils des menschlichen Körpers nicht prima facie im Zentrum der elterlichen Sorge liegt.
Damit ist über die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit
des Eingriffs noch nichts gesagt, allerdings sehr wohl
über den zu seiner Rechtfertigung notwendigen
Begründungsaufwand.
In der Auseinandersetzung um die Zulässigkeit der Beschneidung müssen alle Seiten daher durch zusätzliche Argumente
ein Vorrangverhältnis zwischen den betroffenen Rechtspositionen zu begründen versuchen. Besonders schwer wiegt dabei
der Verweis auf die Religionsfreiheit der Eltern und ihrer Kinder.
Das elterliche Erziehungsrecht umfasse, so die Argumentation, auch das Recht der religiösen Kindeserziehung,
dem aufgrund der Vorbehaltlosigkeit des Art. 4 Abs. 1 GG
ein besonderes Gewicht zukomme. Dem ist grundsätzlich zuzustimmen. Verstärkt wird der Verweis auf die Religionsfreiheit zudem
noch dadurch, dass er mit dem Appell verbunden wird, die religiös-kulturelle Selbstbestimmung der
Menschen nicht über verfassungsrechtliche Wertungen auszuhöhlen und
damit dem Religiösen letztlich die rechtliche Basis zu entziehen.
All das ist richtig und wichtig – und doch trifft es den
Kern der Sache nicht. Denn warum gerade ein im höchsten
Maße auf das Individuum bezogenes
Recht wie die Religionsfreiheit im Wege treuhänderischer Wahrnehmung durch
die Eltern dazu berechtigen soll, nicht bloß nachrangige
Eingriffe in die körperliche Unversehrtheit
zu legitimieren, wäre doch
rechtlich begründungsbedürftig und nicht mit einem
Pauschalverweis auf die kulturelle Grundierung des Rechts zu erledigen. Auch über Art. 4 GG religiös gewandet bleibt das
Erziehungsrecht fremdnützig. Religion im Verfassungsstaat kann keinen Sonderfreiheitsraum für sich in Anspruch nehmen,
was konkret bedeutet:
Ihre theologisch gebundenen Entscheidungen müssen in die
Sprache und das System des Rechts übersetzt und einer autonomen rechtlichen Kontrolle unterworfen werden. Das
Festhalten an diesem Anspruch ist rechtsstaatlich geboten. Diese Übersetzung in die Sprache und Systematik des
Rechts ist im Streitfall die vornehmste Aufgabe der Gerichte.
Leider hat der Gesetzgeber aber entschieden: Siehe oben § 1631 d BGB, eltern dürfen ihre Kinder beschneiden lassen, sogar von Hobby-Medizinern!
Gegen diesen § aber machen Kinderärzte und Eltern massiv Front ...
Stichpunkte
Begründung
Hygiene: Smegma ist eine weiße, wachsartige Substanz, die sich unter der Vorhaut bilden kann. Sie besteht aus natürlichen
Sekreten und abgeschuppten Hautzellen. Dass Smegma krebserregend sein könnte, ist widerlegt. Ein beschnittener Penis
lässt sich einfacher sauber halten. Ein unbeschnittener Penis lässt sich allerdings auch sauber halten:
mit Wasser und Seife.(Niemand käme auf die Idee, die Ohren eines Kindes abzuschneiden, nur weil sie dreckig werden können.)
Vorhautverengung: Teilweise werden Beschneidungen begründet, da es später zu Vorhautproblemen kommen könne.
Man wartet also nicht ab, ob der Eingriff überhaupt nötig ist, sondern schneidet vorbeugend.
"Als medizinischer Grund für die operative Entfernung der Penisvorhaut wird in den allermeisten Fällen eine Phimose bzw. Vorhautverengung
genannt. Dabei ist jedoch zu beachten, dass es sich hierbei um einen entwicklungsphysiologisch völlig normalen Zustand handelt,
der, solange er symptomfrei bleibt, eigentlich gar nicht behandlungsbedürftig ist. Erfahrungen aus den skandinavischen Ländern
belegen eindeutig, dass sich die meisten kindlichen Vorhaut-"Probleme" (Verengung oder Verklebung) bis zur Pubertät von selbst erledigen."
Eine Phimosenbehandlung mit Salbe ist in bis zu 95 % der Fälle erfolgreich.
Kann ein Eingriff vermieden werden, wenn der mit ihm bezweckte Erfolg auch anderweitig, mit weniger intensiven Maßnahmen
erreicht werden kann, dann liegt der intensivere Eingriff nicht im Kindeswohl.
Auch wenn die Phimose nur operativ behoben werden kann, ist eine Entfernung der Vorhaut oft nicht nötig. Bei modernen
Verfahren bleibt die Vorhaut erhalten.
Religiös/rituell: Weit verbreitet ist die Beschneidung bei Jungen und Männern vor allem im Judentum,
in islamischen Ländern (im Kindesalter) und in Afrika. So gilt die Beschneidung in afrikanischen Ländern in erster Linie
als Initiationsritus bei Jugendlichen in der Pubertät. Die Fähigkeit, den mit ihr einhergehenden Schmerz aushalten zu können,
gilt in vielen Stämmen als Voraussetzung zur Mannwerdung. Oft ist sie Voraussetzung dafür, überhaupt eine Frau zu bekommen,
da die Frauen Wert darauf legen, einen Mann zu ehelichen, der diese Tortur über sich hat ergehen lassen.
Deutschland: Die Religionsgemeinschaften nehmen für sich in Anspruch, dass hier eine Ausnahme bestehe, die
durch das Grundrecht auf freie Religionsausübung gedeckt sei.
Masturbations-Prävention: Kontrolle der Sexualität, Vermeidung oft als unerwünscht betrachteten sexuellen Lustempfindens
(speziell bei Jungen der Masturbation).
Eingriff
Zirkumzision: Die Vorhaut wird ringförmig entfernt (teilweise oder vollständig). Einschnitt (Inzision) Die Vorhaut wird ein- oder mehrmals eingeschnitten.
Subinzision: (Aborigines) Der Penis wird unterseitig so tief eingeschnitten, so dass die Harnröhre längs aufgeschnitten ist (teilweise oder vollständig). Es können sich ausgedehnte Infektionen bilden, die nicht selten tödlich enden.
Einnähen von Metallglöckchen in die Haut (Indien): Dadurch sollen die Männer Frauen besser befriedigen können.
Einnähen von Bambus- oder Metallkugeln (Ampallangs) in Eichel oder Penisschaft: Indonesien, Korea, Ureinwohner von
den Philippinen, dadurch soll die Klitoris der zukünftigen Partnerin besser stimuliert werden.
Häuten des Penis: Dowayos in Kamerun
Zerquetschen eines Hoden: manche afrikanische und mikronesische Völker
Extreme Formen
Bei den Dowayos in Kamerun ist die Beschneidung ein sich lang hinziehender Vorgang. Die Operation ist darauf angelegt,
Furcht und Schrecken zu erregen. Die Jungen werden an einer rituellen Wegkreuzung bis auf die Haut ausgezogen und
zum Wäldchen am Fluss geführt, wo die Beschneidung stattfindet. Unterwegs werden sie von den Beschneidern angesprungen,
die wie jagende Leoparden knurren und sie mit dem Messer bedrohen. Die Operation ist sehr schmerzhaft,
da der Penis fast in voller Länge abgeschält wird. Unter Umständen sind es mehrere verschiedene Beschneider,
die jeder ein Stück von der Vorhaut abschneiden. Der Junge darf nicht schreien, aber die alten Männer,
die von dem festlichen Ereignis erzählten, gaben zu, dass viele es doch täten. Das sei auch nicht schlimm, solange die Frauen glaubten,
sie hätten sich tapfer gehalten. Beim Badeplatz kann man die Ergebnisse derartiger Eingriffe studieren.
Wenn der Operierte noch sehr jung ist, nimmt das Glied manchmal eine fast kugelförmige Form an, was mitverantwortlich
für die sehr niedrige Geburtenrate bei den Dowayos sein dürfte. Da alle mit demselben Messer beschnitten werden und die
Infektionsgefahr entsprechend groß ist, ist die Todesrate beträchtlich. Von Jungen, die infolge der Operation starben, hieß es,
Leoparden hätten sie gefressen. Aus der Korrespondenz französischer Kolonialoffiziere geht hervor, wie bekümmert
diese über die große Zahl Jugendlicher waren, die angeblich der Leopard gefressen hatte - obwohl doch Leoparden
in der Gegend praktisch ausgestorben waren.
Sehr selten, aber belegt ist das Entfernen der gesamten das Glied bedeckenden Haut, mitunter bis zum Bauchnabel,
in einigen Dörfern des Yemen.
In manchen afrikanischen und mikronesischen Völkern zerquetschen die älteren Männern den jüngeren einen Hoden.
Die Hijra, eine Sekte in Indien, amputiert anscheinend radikal Penis und Hoden.
Folgen
Beeinträchtigung der Sexualität: Bei einer Zirkumzision wird die Vorhaut entfernt, welche normalerweise die sensible Eichel,
die wichtigste erogene Zone des Mannes, umschließt und schützt. Ansonsten feucht und höchst sensibel,
trocknet diese aus und überzieht sich mit einer neuen, dünnen Haut. Sie wird unempfindlicher. Neben
der Desensibilisierung der Eichel fällt das sensible Vorhautgewebe selbst komplett als Lustspender weg.
Wird die Vorhaut bis hinter die Eichel entfernt, entspricht das etwa einem Drittel der gesamten Haut am Penis.
Das Frenulum (Vorhautbändchen) ist besonders dicht mit Nervenenden besetzt und wird bei den
üblichen Formen der Beschneidung meist beschädigt oder komplett entfernt.
In Summe wird die Selbstbefriedigung somit als weniger lustvoll erlebt. Der Schmerz bei der
Prozedur wurde und wird teilweise als Strafe für eine "sündhafte" Selbstbefriedigung verwendet:
John Harvey Kellogg: "Ein Mittel gegen Masturbation, welches bei kleinen Jungen fast immer erfolgreich ist, ist die Beschneidung.
Die Operation sollte von einem Arzt ohne Betäubung durchgeführt werden, weil der kurze Schmerz einen heilsamen Effekt hat,
besonders, wenn er mit Gedanken an Strafe in Verbindung gebracht wird." In manchen Fällen führt die Kombination dieser Effekte
zu teilweise eklatanten sexuellen Einschränkungen.
Für manche beschnittene Männer ist die Masturbation fast nur noch mit Hilfsmitteln (wie z. B. Gleitgel, Babyöl oder auch Speichel)
möglich. Beim Geschlechtsverkehr fehlt das natürliche Gleiten des Penis in seiner Schafthaut, was das Eindringen erschweren kann.
Durch das direkte Reiben an der Scheidenwand kann es Probleme bei einer Trockenheit der Scheide geben.
Posttraumatische Belastungsstörung: In einer Studie aus dem Jahr 2002 wurden 1577 philippinische Jungen im Alter von
11 bis 16 Jahren vor und nach einer Beschneidung (die entweder mit oder ohne Lokalanästhetikum durchgeführt wurde)
beobachtet. Nach dem Eingriff wurde bei 50 % der mit Lokalanästhetikum und 69 % der rituell (ohne Lokalanästhetikum)
beschnittenen Jungen eine PTBS diagnostiziert werden.
Gesundheitliche Schädigungen
Bei der Subinzision: Die Unterseite des Penis wird gespalten. Folge: Der Samen fließt außerhalb des weiblichen Körpers herab, die Chancen einer Schwangerschaft sinken.
Bevormundung: Das wichtigste Argument gegen Beschneidung von Minderjährigen ist, dass dabei eine wichtige Entscheidung,
die Auswirkungen u. a. auf die Sexualität hat, von Anderen getroffen wird als dem Betroffenen selbst. In allen vergleichbaren Fällen
(z. B. weibliche Beschneidung) herrscht weitgehender Konsens darüber, dass solche Praktiken unterbunden und ggf. bestraft werden sollten.
Nur bezüglich der männlichen Beschneidung herrscht meist eine erstaunliche Toleranz und Akzeptanz. Erklären lässt sich
diese ambivalente Sichtweise der Beschneidung abhängig vom Geschlecht wohl nur damit, dass Wissen über die Funktionen
der Vorhaut wenig verbreitet ist, so dass viele (insbesondere Personen, die gar kein solches Körperteil haben, nämlich Frauen)
glauben, eine Beschneidung bedeute keinen Verlust.
Schmerz: Für Neugeborene ist der Eingriff alles andere als schmerzfrei. Dazu sagte Boris Zernikow, Leiter des Deutschen
Kinderschmerzzentrums in Datteln, jüngst in einem SPIEGEL-Interview: "Das schmerzunterdrückende System ist erst einige Monate
nach der Geburt funktionstüchtig. Neugeborene empfinden mehr Schmerzen als ein Erwachsener."
Geschichte
Zeichen jüdischer Selbstbehauptung ist die Beschneidung seit Jahrtausenden. Die kategorisch erfahrene Weisung von Juden,
ihre Söhne am achten Tage zu beschneiden, ist immerhin für zweieinhalbtausend Jahre historisch nachweisbar. Indes hat es seit
der Antike immer wieder Versuche gegeben, die Beschneidung zu unterbinden. Die hellenistische Kultur mit ihrer Verehrung des
schönen Körpers brachte viele jüdische Männer dazu, ihre Vorhaut wieder zu verlängern, um beim nackt auszuführenden Sport
nicht verspottet zu werden. Der hellenistische König Antiochus IV. versuchte sogar - aller angeblich paganen Toleranz zum Trotz -
die Beschneidung jüdischer Knaben im zweiten Jahrhundert vor Chr. gewaltsam zu verbieten. Diese Maßnahme
trug wesentlich zur Ausbildung des jüdischen Märtyrertums bei.
Literatur
In Elfriede Jelineks autobiografisch beeinflusstem Roman "Die Klavierspielerin" verstümmelt sich eine sadomasochistische,
geistig gestörte Frau selbst die Genitalien.
Dasselbe passiert in Lars von Triers deprimierendem Film "Antichrist".
Psychoanalyse
Sigmund Freud sieht in der Zirkumzision und der dadurch genährten Kastrationsangst eine der wesentlichsten Ursachen
des unbewussten Antisemitismus. Die Beschneidung werde mit Kastration gleichgesetzt und die Juden dafür gehasst.
Der Stürmer-Herausgeber Julius Streicher war z. B. derart auf die Thematik fixiert, dass er in Privatgesprächen die Beschneidung
ebenso häufig wie den Juden an sich erwähnte. Freud in »Totem und Tabu« (1913) Die Beschneidung stellt ein Kastrationsäquivalent dar,
welches das Inzestverbot auf das wirksamste unterstützt. Es wird durch die unbewusste Furcht vor Vergeltung des zum Vater
gewordenen Mannes angeregt beziehungsweise motiviert. In ihm lebt noch die unbewusste Erinnerung an eigene inzestuöse
und feindselige Regungen der Kindheit, die den Eltern galten. Der Vater fürchtet, dass sein Kind diese Wünsche realisieren und
dass es selbst deren geschädigtes Objekt sein könnte. Die Beschneidung soll einen Inzest verhindern.
Recht:
Was den Medizinmann auf den Salomon-Inseln mit dem hypermodern ausgestatten Arzt in den USA verbindet:
Beide vergehen sich ohne medizinische Indikation an Kindern. Es fehlt die medizinische Notwendigkeit, die
nach deutschem Recht einen operativen Eingriff überhaupt erst straffrei stellt.
Art. 24 Abs. 3 der UN-Kinderrechtskonvention (von Deutschland unterzeichnet):
"Die Vertragsstaaten treffen alle wirksamen und geeigneten Maßnahmen, um überlieferte Bräuche, die für die Gesundheit der Kinder schädlich sind, abzuschaffen."
Vorhaut
Schutzfunktion: Im Kleinkindalter schützt die verklebte Vorhaut die Eichel vor den Ausscheidungen in der Windel.
Während des ganzen Lebens hält die Vorhaut die Eichel zart und feucht und schützt sie vor Trauma, Verletzungen,
Umwelteinflüssen, Reibung und Austrocknung.
Sexuelle Funktionen: Die Vorhaut enthält zahlreiche empfindlichen Nervenendungen. Gemeinsam mit der sensiblen Oberfläche
der Eichel bildet die innere Vorhaut, die bei einer Erektion zurückgezogen und nach außen gewendet ist, eine umfangreiche und
hochsensible erogene Zone, die für eine normale, intensive Gefühlswahrnehmung bei Geschlechtsverkehr und Masturbation wichtig ist.
Die Vorhaut verhindert durch einen speziellen Gleiteffekt unnötige Reibung beim Geschlechtsverkehr und steigert das Lustempfinden
bei Mann und Frau.
Immunsystem: Spezialisierte Zellen in der Vorhaut bilden Substanzen, die Krankheitserreger bekämpfen und abtöten können.
Die Erforschung dieser Funktion steckt allerdings noch in den Kinderschuhen.
Haut: Nur ein kleines Stückchen Haut? Eine Eigenschaft der Vorhaut ist, dass die Haut doppellagig ist und sich sehr stark
zusammenziehen kann, wenn der Penis sich im erschlafften Zustand befindet. Im erschlafften Zustand wird die Vorhaut weggeschnitten.
Übertragen auf einen erwachsenen Mann wird ein Großteil der Haut des gesamten errigierten Penis entfernt! Der Penis ist
DIE errogene Zone bei einem Mann und bei einer Beschneidung wird dort eine erhebliche Fläche
(vergleichbar mit der Handinnenfläche ohne Finger!) weggeschnitten. Diese Hautfläche ist mit einer ungewöhlich hohen Dichte an Nervenzellen übersäht.
Weibliche Beschneidung
Die Beschneidung von Mädchen wird in der Regel von Frauen durchgeführt. Dieser Aspekt, dass die Frauen nicht nur Opfer,
sondern zugleich die Täterinnen sind, fällt in der Berichterstattung meist unter den Tisch. Es sind auch die Beschneiderinnen selbst,
die sich gegen ein Verbot verteidigen und dabei auch bereit sind Gewalt anzuwenden.
In der islamischen Theologie findet die Beschneidung von Frauen keinen Rückhalt, wurde aber in den Ländern,
in denen sie seit Jahrtaussenden praktiziert wurde, passiv geduldet. In jüngerer Zeit findet eine aktive Ächtung der Beschneidung
weiblicher Genitalien durch islamische Gelehrte statt. 2006 verurteilten führende islamische Rechtsgelehrte die Praxis der
weiblichen Genitalverstümmelung. Im März 2009 verurteilte der islamische Rechtsgelehrte und Publizist Yusuf Abdallah al-Qaradawi,
der als die wichtigste zeitgenössische Autorität des sunnitischen Islam gilt, in einer Fatwa die genitale Verstümmelung von
Frauen als "Teufelswerk" und erklärte sie unter allen Umständen als haram (verboten), da sie gegen die Ethik des Islam gerichtet sei.
Wirtschaft
Babyvorhaut ist ein begehrter "Rohstoff" für die Pharma- und Kosmetikindustrie. Das Gewebe ist äußerst reproduktiv
und mit großer Sicherheit frei von Krankheitserregern. Injizierbares Collagen, gewonnen aus den Vorhäuten neugeborener
Jungen, kann die Faltenbildung der alternden Haut vermindern, zum Aufspritzen der Lippen und zur kosmetischen Behandlung
von Narben dienen.
Unter dem Namen "Apligraf" wird weltweit ein Kunsthautprodukt vertrieben, welches ebenfalls aus Babyvorhaut gewonnen wird
und den natürlichen Heilungsprozess großflächiger Wunden unterstützt.
Um per Beschneidung an das begehrte Rohmaterial zu kommen, werden amerikanische Jungen gleich
nach der Geburt und oftmals ohne Betäubung mit gespreizten Armen und Beinen auf einem so genannten "Circumstraint"
gefesselt. Dann schiebt der Arzt ein medizinisches Instrument unter ihre verklebte Vorhaut und schält diese von der Eichel ab.
Die Babys können sich bei dieser Tortur nicht bewegen. Sie schreien verzweifelt, einige bekommen Krämpfe.
Anschließend wird die Vorhaut der Länge nach aufgeschnitten und entweder durch ein Skalpell oder mittels
einer speziellen Klemme entfernt.
"Vorhauternte" nennt das die Pharmaindustrie und behauptet allen Ernstes, das Ausgangsmaterial stamme
von "gespendeten" Vorhäuten neugeborener Jungen.
Zahlen
Türkei: Pro Jahr werden ca. 1,5 Mio. Jungen unfreiwillig beschnitten.
USA: Ca. 57 % aller männlichen Neugeborenen werden kurz nach der Geburt routinemäßig beschnitten (Tendenz fallend).
Weltweit: Die Beschneidung stellt den weltweit am häufigsten durchgeführten chirurgischen Eingriff dar, gegenwärtig sind
schätzungsweise 25 Prozent der männlichen Weltbevölkerung beschnitten.
Folgen: Beschneidung der männlichen Genitalien führt weltweit zu zahlreichen Todesfällen oder zieht lebenslanges
Leid nach sich. In der "Dritten Welt" stellt Beschneidung vornehmlich eine rituelle Tradition dar, in den nordamerikanischen Staaten
hat sich die Routine-beschneidung von Jungen gleich nach der Geburt inzwischen zu einer einträglichen Praxis entwickelt,
von der unmittelbar und mittelbar eine ganze Anzahl von Arbeitsplätzen abhängen.
Nachtrag
August Graf von Platen-Hallermünde:
Dichterkrieg des Homosexuellen mit dem Juden Heine
In Ansbach vor dem Schloß steht er. Wer auf dem Denkmalssockel liest, wo er starb,
wundert sich: Syracus? Meist aber schenken Passanten
mehr Aufmerksamkeit dem seltsam anmutenden Ensemble aus Wartehäuschenflugenten, Ansbachantin und Pferdegestalt, die in Erinnerung an den Kavalleriestandort den Platz beherrscht.
Wegen seiner homosexuellen Veranlagung selbst Außenseiter, treibt der in Metall Gegossene - das Erz hierzu stiftete König Ludwig - einen anderen Ausgegrenzten ebenfalls in die Emigration, der sich vergeblich zu assimilieren suchte.
August
Graf v. Platen
Hallermünde
geboren in Ansbach
XXIV. October
MDCCXCVI
gestorben
in Syracus
V. Dezember
MDCCCXXXV
Sein Vater ist Förster zu Ansbach, der nicht ganz 10jährige Sohn erhält durch Beziehung eine Freistelle an der Kadettenschule zu München, einer Erziehungsanstalt für Edelknaben, nach vier Jahren wird er Page im bayerischen Königshaushalt, 1814 Unterleutnant in der Leibgarde, dann Student ohne Abschluß und endlich Dichter.
Seine Tagebucheintragungen, meist in Französich, zeugen von intensiven homoerotischen Gefühlen und vielen Beziehungen, unter denen illustre Namen auftauchen, wie etwa Justus von Liebig, Friedrich Fugger, Otto von Bülow... Den jeweils schwärmerisch Angebeteten, mehr noch ihrer Verabschiedung nach kürzerer Zeit, sind die aktuellen literarischen Werke gewidmet. Der aus verarmtem Adel stammende Graf will in Drama und Poesie Großes und Überdauerndes schöpfen. Nach Kontakt mit persischer Literatur veröffentlicht er Ghaselen.
Diese Gedichte sind Ausgangspunkt einer der schlimmsten Schlammschlachten deutscher Schriftsteller, die Platen von Italien aus führt,
wo er im Tagebuch von der Schönheit männlicher Einheimischer schwärmt, und enge Beziehung mit einem deutschen Autor pflegt.
Immermann und Heine karikieren Platens klassizistischen Stilwillen, nennen ihn epigonenhaft. Von den Früchten, die sie aus dem Gartenhain von Schiras stehlen,
Essen sie zuviel, die Armen, und vomieren dann Gaselen.
(Reisebilder (Die Nordsee, 1826) Zweiter Teil).
Im Klartext: Platen überfresse sich in fremden Gärten und kotze dann schlechte Lyrik aus.
Man liest in Platens Romantischem Ödipus, dem aristophanischen Lustspiel von 1827:
mein Heine, Samen Abrahams.
Nimmermann: Welch einen Anlauf nimmst du, Synagogenstolz!
des sterblichen Geschlechts der Menschen Allerunverschämtester.
doch möcht' ich nicht sein Liebchen sein; Denn seine Küsse sondern ab Knoblauchsgeruch.
Zutiefst getroffen fühlt sich Heinrich Heine, ehemals Harry Heine, bankrotter Tuchhändler und Jude. Religiös eher indifferent wollte er das „Entreebillet zur europäischen Kultur“ und hatte sich taufen lassen - was er später übrigens bedauerte.
Und so liest sich Heines Gegenangriff (Reisebilder Dritter Teil Italien II. Die Bäder von Lucca 1829):
Wer ist Platen? ... lobten besonders seine Zuvorkommenheit gegen Jüngere, bei denen er die Bescheidenheit selbst
gewesen sei, indem er mit der liebreichsten Demut ihre Erlaubnis erbeten, dann und wann zu ihnen aufs Zimmer
kommen zu dürfen, und sogar die Gutmütigkeit so weit getrieben habe, immer wieder zu kommen, selbst wenn man ihn
die Lästigkeit seiner Visiten aufs deutlichste merken lassen. ...
Vergebens versicherte der arme Graf, daß er einst der berühmteste Dichter werde, ... daß er seine süßen Knaben
ebenfalls unsterblich machen könne, durch unvergängliche Gedichte.
Das ist es ja eben, jene Liebhaberei war im Altertum nicht in Widerspruch mit den Sitten, und
gab sich kund mit heroischer Öffentlichkeit. Als z. B. der Kaiser Nero ... ein Gastmahl hielt, ...
ließ er sich mit einem aus dem Jünglingsserail, namens Pythagoras, feierlich einsegnen (cuncta
denique spectata quae etiam in femina nox operit), und steckte nachher mit der Hochzeitsfackel die
Stadt Rom in Brand, um bei den prasselnden Flammen desto besser den Untergang Trojas
Das Fräulein stand am Meere
und seufzte lang und bang.
Es rührte sie so sehre
der Sonnenuntergang.
Mein Fräulein! Sein sie munter,
das ist ein altes Stück;
hier vorne geht sie unter
und kehrt von hinten zurück.
Heine
Du scheust, mit mir allein zu sein,
Du bist so schroff:
Gibt nicht der Liebe Lust und Pein
Zum Reden Stoff?
Wo nicht, was gilt der Lieb' ein Wo,
Ein Wie, ein Was?
Zu lieben und zu schweigen, o
Wie lieb ich das!
Ich schweige, weil so kalt du scheinst,
Und unerweicht.
Mein Auge spricht, es spricht dereinst
Mein Kuß vielleicht.
Platen
besingen zu können.
Das war noch ein Gaselendichter, über den ich mit Pathos sprechen könnte; doch nur lächeln kann ich
über den neuen Pythagoreer, der im heutigen Rom, die Pfade der Freundschaft dürftig und nüchtern und
ängstlich dahinschleicht, mit seinem hellen Gesichte von liebloser Jugend abgewiesen wird,
und nachher bei kümmerlichem Öllämpchen sein Gaselchen ausseufzt.
Denn der Graf vermummt sich manchmal in fromme Gefühle, er vermeidet
die genaueren Geschlechtsbezeichnungen; nur die Eingeweihten sollen klarsehen; gegen den großen Haufen glaubt er sich genugsam versteckt zu haben, wenn er das Wort Freund manchmal ausläßt, und es geht ihm dann wie dem Vogel Strauß, der sich hinlänglich verborgen glaubt, wenn er den Kopf in den Sand gesteckt, so daß nur der Steiß sichtbar bleibt. Unser erlauchter Vogel hätte besser getan, wenn er den Steiß in den Sand versteckt und uns den Kopf gezeigt hätte.
... er ist gleichsam eine männliche Tribade. Diese ängstlich schmiegsame Natur duckt
durch alle seine Liebesgedichte, er findet immer einen neuen Schönheitsfreund,
überall in diesen Gedichten sehen wir Polyandrie.
Auch andere erzählten mir, daß mich der Graf Platen hasse und sich mir als Feind entgegenstelle; - und das war mir auf jeden Fall angenehmer, als hätte man mir nachgesagt: daß mich der Graf Platen als Freund hinter meinem Rücken liebe.
zwei Monate später, als ich auf der Insel Helgoland badete, den »König Ödipus« zu lesen, ...
ganz wie er ist, forciert ohne Force, pikiert ohne pikant zu sein, eine trockne Wasserseele, ein trister Freudenjunge. Dieser Troubadour des Jammers, geschwächt an Leib und Seele, versuchte es, den gewaltigsten, phantasiereichsten und witzigsten Dichter der jugendlichen Griechenwelt nachzuahmen! Nichts ist wahrlich widerwärtiger als diese krampfhafte Ohnmacht, die sich wie Kühnheit aufblasen möchte, diese mühsam zusammengetragenen Invektiven, denen der Schimmel des verjährten Grolls anklebt, und dieser silbenstecherisch ängstlich nachgeahmte Geistestaumel.
Es sei gesegnet, wer die Welt verachtet,
Denn falscher ist sie, als es Worte malen:
Sie sammelt grausam unsern Schmerz in Schalen,
Und reicht zum Trunk sie, wenn wir halb verschmachtet.
Mir, den als Werkzeug immer sie betrachtet,
Mir preßt Gesang sie aus mit tausend Qualen,
Läßt ihn vielleicht durch ferne Zeiten strahlen,
Ich aber werd als Opfertier geschlachtet.
O ihr, die ihr beneidetet mein Leben,
Und meinen glücklichen Beruf erhobet,
Wie könnt in Irrtum ihr so lange schweben?
Hätt' ich nicht jedes Gift der Welt erprobet,
Nie hätt' ich ganz dem Himmel mich ergeben,
Und nie vollendet, was ihr liebt und lobet.
Platen
Unser Grab erwärmt der Ruhm.
Torenworte! Narrentum!
Eine bessre Wärme gibt
eine Kuhmagd, die verliebt
uns mit dicken Lippen küsst
und beträchtlich riecht nach Mist
Heine
Er hätte wenigstens das Geschlecht in uns ehren sollen, da wir keine Weiber sind, sondern Männer, und folglich zu einem Geschlechte gehören, das nach seiner Meinung das schöne Geschlecht ist, und das er so sehr liebt. Es bleibt dieses immer ein Mangel an Delikatesse, mancher Jüngling wird deshalb an seinen Huldigungen zweifeln, da jeder fühlt, daß der wahrhaft Liebende auch das ganze Geschlecht verehrt.
Am unzartesten ist er gegen Immermann. Schon im Anfang seines Gedichts, läßt er diesen hinter einer spanischen
Wand Dinge tun, die ich nicht nennen darf, und die dennoch nicht zu widerlegen sind. Ich halte es sogar für wahrscheinlich,
daß Immermann schon solche Dinge getan hat. Es ist aber charakteristisch, daß die Phantasie des Grafen Platen sogar
seine Feinde a posteriori zu belauschen weiß.
Den Ödipus selbst, die Hauptperson seines Lustspiels, hätte er, durch einige Modifikationen in der Fabel des Stückes, ebenfalls besser benutzen können. Statt daß er ihn den Vater Lajus töten, und die Mutter Jokaste heiraten ließ, hätte er es im Gegenteil so einrichten sollen, daß Ödipus seine Mutter tötet und seinen Vater heiratet.
Platens Homosexualität und Heines Judentum sind nun publik, beide gesellschaftlich unmöglich gemacht.
Platen wollte seinen Konkurrenten bloß stellen, Heine rächte sich.
In unserer Zeit lesen wir vom Tod eines Großkritikers in ähnlicher Tonlage.
Sind da aber "Samen Abrahams", "Synagogenstolz", "hebräischer Witzling", "des sterblichen Geschlechts
Allerunverschämtester", "Knoblauchsgeruch" ,"verstümmeltes Teil", angemessen, um jüdische Abkunft dem Gelächter
preiszugeben, ist es der Kunst gestattet, den gleichaltrigen Kollegen wegen seiner Homosexualität einen warmen Bruder
zu nennen und Anspielungen auf seine Analsphäre zu machen?
Zwei Verfemte, die Tabus brechen, geben sich dem Spott und der Ächtung einer von Toleranz weit entfernten zeitgenössischen Gesellschaft frei.
Heine bemüht sich vergeblich um Aufnahme in den Staatsdienst oder eine Professur in München, nicht zuletzt wegen der "Platenaffäre" scheitert er, emigriert nach Paris, stirbt 1856.
Platens Schicksal war die Männerfreundschaft und Knabenliebe. Er suchte Adonis, ohne ihn zu finden. Seiner inbrünstigen Sehnsucht nach einem Echo seines Herzens verdanken wir die schönsten deutschen Sonette. In Syrakus ist er gestorben, vielleicht, wie er einst sang, im Arme des endlich gefundenen Götterjünglings. (Klabund)
Auch er erholt sich vom Schlagabtausch nie mehr richtig. Er vergreist früh, wird von Melancholie und Hämorrhoiden geplagt, reist aus Angst vor Einsamkeit manisch, das Spätwerk ist von Ernüchterung geprägt, leblos wirkend.
Aus Furcht vor der Cholera flieht er von Neapel über Palermo nach Syrakus, wo Karl August Georg Maximilian Graf von Platen-Hallermünde
in den Armen des Marchese Mario Landolina an der tödlichen Dosis eines Gegengiftes zur Cholera stirbt, ungeklärt, ob in suizidaler Absicht oder an falscher Selbstmedikation, 2 Jahrzehnte vor Heine.