Im Gegensatz zu vielen in unserem Gewerbe
besaß Scholl-Latour immer die Gabe,
Vertreter anderer Kulturen,
Religionen oder politischer Richtungen so zu begegnen,
dass diese sich verstanden und geachtet fühlten.
Er sah in ihnen keine Hinterwäldler der Geschichte,
denen geholfen werden musste,
sich den Höhen unserer Zivilisation zu nähern.
Nicht nur Iraner,
auch Informanten in anderen Ländern Asiens
oder in Afrika rühmen Scholl-Latour dafür,
dass er bei politischen Konflikten in seinem Urteil
und in seiner Wortwahl nicht reflexartig westliche,
vor allem amerikanische Propagandathesen wiedergebe.
Er spricht zu seinen Partnern von gleich zu gleich,
denn die Welt ist für ihn zurecht multikulturell -
was er den westlichen Gesellschaften offenbar nicht wünscht.
Rudolph Chimelli in der Süddeutschen 16. August 2014
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Der schwerwiegende Vorwurf des Kenners der politischen Verhältnisse aus eigener 60-jähriger Anschauung - er hatte mit allen
seinen Prognosen bisher immer recht - lautet: Die westlichen Geheimdienste steuern die Desinformation zur Lage im Vorderen Orient,
wo der Westen seit Jahrzehnten interveniert und damit allen diesen Ländern mehr Fluch als Segen brachte und
bringt. Würde der Autor das weitere Agieren des Westens dort bis heute erleben, er würde es gewiss als nutzlos -
und moralisch zutiefst widersprüchlich - verurteilen.
Und:
Das vollkommen unübersichtlichen Handeln der Schiiten, Sunniten und vieler anderer religiöser und ethnischer Gruppen sollte den
Westen überzeugen, in Russland einen Bündnispartner gegen den Islamismus zu finden, anstatt das - halb europäische -
Land zu bekämpfen. Scholl-Latour macht deutlich, wie sträflich der immer agnostischer werdende Westen, der nur noch
Daten und Fakten, vor allem ökonomische, kennt, die Bedeutung der Religion im Orient wie anderswo außerhalb
Europas unterschätzt.
Den minunter geäußerten Vorwürfen, der Rückgriff auf Terrortaten vor tausend Jahren oder Traditionen im Mittelalter könne
die Gegenwart nicht erhellen, hält Scholl-Latour entgegen, dass gerade dies für den Orient charakteristisch ist: der unmittelbare Bezug auf
die ungebrochene Vergangenheit (nicht - wie im säkularisierten, weitgehend entchristlichten Westen) wirke weiter.
Niemand begreife, allen voran Amerika, das Geringste davon, sondern es wolle alle Kulturen über einen Kamm scheren -
eklatantestes Beispiel die euphorischen Fehleinschätzungen des "Arabischen Frühlings"
- oder ganz aktuell - die hanenbüchenen Äußerungen des Mega-Psycho-Paten Trump.
Viele aktuelle Fragen wird der profunde Kenner uns nicht mehr beantworten können:
War es falsch, die Opposition gegen das totalitäre Regime in Damaskus zu unterstützen, das nun fast als das geringere Übel erscheint?
War es falsch, Saddam Hussein 1991 seine kuweitische Beute wieder abzujagen?
Ist es falsch, ... etc. etc. ??
Kann der Westen im Orient tatsächlich immer nur das Falsche tun?
Siehe auch das Glossar zum Buch
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