Tschechoslowakei - Juden
W. G. Sebald (Austerlitz S. 221ff.)

Ich weiß noch, sagte Věra, daß er, als er sich verabschiedete,
einen wunderbaren pflaumenfarbenen Zweireiher trug und
einen weitkrempigen schwarzen Filzhut mit grünem Band.




Maximilian Aychenwald, der aus St. Petersburg stammte, wo sein Vater bis zum Revolutionsjahr einen Gewürzhandel betrieben hatte, sei in der tschechoslowakischen sozialdemokratischen Partei einer der aktivsten Funktionäre gewesen, sagte Věra, und habe meine um fünfzehn Jahre jüngere Mutter, die damals am Beginn ihrer schauspielerischen Laufbahn gestanden und in verschiedenen Städten der Provinz aufgetreten sei, in Nikolsburg kennengelernt, auf einer der zahlreichen Reisen, die er als Redner auf öffentlichen Veranstaltungen und Betriebsversammlungen unternahm. Im Mai 1933, kaum daß ich hier in der

Šporkova eingezogen war, sagte Věra, haben sie nach der Rückkehr von einem, wie sie nicht müde wurden zu wiederholen, von den schönsten Erlebnissen erfüllten Aufenthalt in Paris in diesem Haus gemeinsam Wohnung genommen, trotzdem sie weiterhin unverheiratet blieben. Agáta und Maximilian, sagte Věra, hätten beide eine besondere Vorliebe für alles Französische gehabt. Maximilian sei von Grund auf Republikaner gewesen und habe davon geträumt, die Tschechoslowakei inmitten der überall in Europa unaufhaltsam sich ausbreitenden faschistischen Flut als eine Art von zweiter Schweiz zu einer Insel der Freiheit zu machen; Agáta ihrerseits habe von der besseren Welt eine eher kunterbunte, von dem von ihr über alles bewunderten Jacques Offenbach inspirierte Vorstellung gehabt ...



Auch Agáta glaubte damals, emporgehoben wie sie sich fühlte durch die Anerkennung, die ihr, viel geschwinder, als sie zu hoffen gewagt hatte, in ihrer Laufbahn als Opern- und Operettensängerin zugewachsen war, daß sich über kurz oder lang alles zum Besseren wenden würde, wohingegen Maximilian, trotz der fröhlichen Natur, die ihm nicht anders als Agáta zu eigen war, seit ich ihn kannte, so sagte Věra, sagte Austerlitz, davon überzeugt war, daß die in Deutschland an die Macht gelangten Parvenüs und die unter ihrer Regie ins Unabsehbare sich vermehrenden Körperschaften und Menschenscharen, vor denen es ihm, wie er oft sagte, förmlich grauste, von Anfang an sich ausgeliefert hatten an eine blinde Eroberungs- und Zerstörungssucht, deren Brennpunkt das magische Wort tausend war, das der Reichskanzler, wie man am Rundfunk mitanhören konnte, in seinen Reden fortwährend wiederholte. Tausend, zehntausend, zwanzigtausend, tausend mal tausend und abertausend sei der mit heiserer Stimme hervorgestoßene, den Deutschen eingetrichterte Reim auf ihre eigene Größe und das ihnen schon bevorstehende Ende gewesen. Trotzdem, sagte Vera, fuhr Austerlitz fort, habe Maximilian keineswegs geglaubt, daß das deutsche Volk in sein Unglück getrieben worden sei; vielmehr hatte es sich, seiner Ansicht nach, selber von Grund auf, aus dem Wunschdenken jedes einzelnen und aus den in den Familien gehegten Gefühlen, in dieser perversen Form neu geschaffen und hatte dann die Nazigrößen, die Maximilian ausnahmslos für Wirrköpfe und Faulpelze hielt, als symbolische Exponenten seiner inneren Bewegtheit hervorgebracht. Maximilian erzählte gelegentlich, so erinnerte sich Věra, sagte Austerlitz, wie er einmal, im Frühsommer 1933 nach einer Gewerkschaftsversammlung in Teplitz, ein Stückweit in das Erzgebirge hineingefahren und dort in einem Wirtshausgarten auf einige Ausflügler gestoßen war, die in einem Dorf auf der deutschen Seite allerhand eingekauft hatten, unter anderem

eine neue Sorte Bonbons mit einem himbeerfarbenen, in die Zuckermasse eingegossenen und einem also tatsächlich auf der Zunge zergehenden Hakenkreuz. Beim Anblick dieser Nazischleckereien, habe Maximilian gesagt, sei ihm schlagartig klar geworden, daß die Deutschen nun ihr gesamtes Produktionswesen von der Schwerindustrie bis hinunter zu der Erzeugung solcher Geschmacklosigkeiten neu organisierten, und zwar nicht, weil man es ihnen angeschafft hatte, sondern ein jeder an seinem Platz, aus Begeisterung an der nationalen Erhebung heraus. Vera erzählte weiter, sagte Austerlitz, daß Maximilian in den dreißiger Jahren mehrmals, um die allgemeine Entwicklung besser abschätzen zu können, nach Österreich und Deutschland gereist sei, und daß sie sich genau entsinne, wie er, unmittelbar nach seiner Rückkehr aus Nürnberg, den ungeheuren Empfang schilderte, den man dort dem zum Reichsparteitag eintreffenden Führer bereitet hatte. Stunden vor seiner Ankunft bereits seien sämtliche Nürnberger und die von überallher, nicht nur aus Franken und aus dem Bayrischen, sondern auch aus den entlegensten Teilen des Landes, aus Holstein und Pommern ebenso wie aus Schlesien und aus dem Schwarzwald herbeigekommenen Menschen dicht an dicht und in erwartungsvoller Erregung entlang der vorbestimmten Route gestanden, bis endlich, aus dem brausenden Jubel heraus, die

Motorkavalkade der schweren Mercedeswagen erschien und im Schrittempo durch die enge Gasse glitt, die das Meer der strahlend emporgewandten Gesichter und sehnsüchtig ausgestreckten Arme durchteilte. Maximilian habe berichtet, sagte Věra, daß er sich in dieser zu einem einzigen Lebewesen zusammengewachsenen und von sonderbaren Kontraktionen durchlaufenen und durchzuckten Menge tatsächlich als Fremdkörper empfunden habe, der nun gleich zermahlen und ausgeschieden werden würde. Er habe von dem Platz vor der Lorenzkirche, wo er gestanden sei, zugesehen, wie die Kavalkade sich langsam durch die wogenden Massen ihren Weg bahnte in die Altstadt hinunter, deren spitz- und krummgiebelige Häuser mit den traubenweise aus den Fenstern heraushängenden Bewohnern einem hoffnungslos überfüllten Ghetto glichen, in das nun, so habe Maximilian gesagt, der Heilsbringer einzog, auf den man so lange geharrt hatte.



Übereinstimmend damit, sagte Věra, habe Maximilian später wiederholt der ihn bestätigte in seinem Verdacht, daß die Deutschen, aus ihrer unverwundenen Erniedrigung heraus, nun eine Vorstellung entwickelten von sich als einem zur Messianisierung der Welt auserkorenen Volk. Nicht nur seien die von Ehrfurcht geschlagenen Zuschauer Zeugen geworden, wie sich das Flugzeug des Führers durch die Wolkengebirge allmählich herabsenkt auf die Erde; nicht nur wurde die allen gemeinsame tragische Vorgeschichte beschworen in der Zeremonie der Totenehrung, in der Hitler und Heß und Himmler, wie Maximilian es uns beschrieb, zu den Klängen eines die Seele der ganzen Nation bis in das Innerste aufrührenden Trauermarschs durch die breite Gasse der schnurgerade ausgerichteten, von der Macht des neuen Staats aus lauter unbeweglichen deutschen Leibern gebildeten Kolumnen und Kompanien schritten;

nicht nur sah man die dem Tod fürs Vaterland sich weihenden Krieger, die riesigen, geheimnisvoll schwankenden Fahnenwälder, die im Fackelschein davonzogen in die Nacht - nein, man sah auch, so, sagte Věra, berichtete Maximilian, aus der Vogelschau eine im Morgengrauen bis gegen den Horizont reichende Stadt von weißen Zelten, aus denen, sowie es ein wenig licht wurde, einzeln, paarweise und in kleinen Gruppen die Deutschen hervorkamen und sich in einem schweigsamen, immer enger sich schließenden Zug alle in dieselbe Richtung bewegten, als folgten sie einem höheren Ruf und seien, nach langen Jahren in der Wüste, nun endlich auf dem Weg ins Gelobte Land.

Nach diesem Münchner Kinoerlebnis Maximilians hatte es nur noch ein paar Monate gedauert, bis man die auf dem Wiener Heldenplatz zusammengeströmten, nach Hunderttausenden zählenden Österreicher aus dem Radio hörte, ihr einer Flutwelle gleich über uns hereinstürzendes stundenlanges Geschrei, sagte Věra. Der kollektive Paroxysmus der Wiener Massen, sagte sie, markierte nach Ansicht Maximilians den entscheidenden Wendepunkt. Noch war er als ein unheimliches Rauschen in unseren Ohren, da sind, kaum daß der Sommer vorüber war, hier in Prag schon die ersten aus der sogenannten Ostmark vertriebenen und vor ihrer Vertreibung von ihren ehemaligen Mitbürgern bis auf ein paar Schillinge ausgeraubten Flüchtlinge erschienen und haben, in der, wie sie wohl wußten, falschen Hoffnung, sich in der Fremde so über Wasser halten zu können, von Tür zu Tür als fliegende Händler Haarnadeln und Zopfspangen, Bleistifte und Briefpapier, Krawatten und andere Kurzwaren feilgeboten, so wie einst ihre Vorfahren mit ihren Buckelkraxen über Land gezogen sind in Galizien, in Ungarn und im Tirol.

Ich erinnere mich, so sagte Věra, sagte Austerlitz, an einen solchen Hausierer, einen gewissen Saly Bleyberg, der in der Leopoldstadt unweit vom Praterstern einen Garagenbetrieb aufgebaut hatte in der schweren Zwischenkriegszeit und der uns, als Agáta ihn auf einen Kaffee hereinbat, die schauderhaftesten Geschichten von der Niedertracht der Wiener erzählte: mit welchen Mitteln man ihn gezwungen habe, an einen Herrn Haselberger sein Geschäft zu überschreiben, auf welche Weise er dann um den ohnehin lachhaften Verkaufspreis geprellt worden sei, wie man ihn um seine Bankeinlagen und Wertpapiere gebracht und sein gesamtes Mobiliar und seinen Steyr-Wagern konfisziert habe, und wie sie zuletzt, er, Saly Bleyberg, und die Seinen, im Foyer auf ihren Koffern sitzend, die Verhandlungen hätten mitanhören müssen zwischen dem angetrunkenen Hauswart und dem jungen, offenbar frisch verheirateten Paar, das gekommen war, die freigewordene Wohnung sich anzusehen.

Obgleich dieser Bericht des armen Bleyberg, der in einem fort in ohnmächtiger Rage das Taschentuch in seiner Hand zerknüllte, die schlimmsten Vorstellungen, die man sich gemacht hatte, bei weitem übertraf, und obgleich die Lage nach dem Münchner Abkommen so gut wie aussichtslos geworden war, sagte Věra, ist Maximilian den ganzen Winter hindurch noch in Prag geblieben, sei es wegen der gerade jetzt besonders dringlichen Parteiarbeit, sei es, weil er doch, so lange es irgend ging, den Glauben, daß das Recht einen beschütze, nicht aufgeben wollte. Agáta ihrerseits war nicht bereit, vor Maximilian, trotzdem er es ihr wiederholt geraten hatte, nach Frankreich zu gehen, und so kam es, daß dein damals aufs äußerste gefährdeter Vater, sagte Věra zu mir, sagte Austerlitz, erst am Nachmittag des 14. März, als es schon beinahe zu spät war, von Ruzyně aus allein nach Paris geflogen ist. Ich weiß noch, sagte Věra, daß er, als er sich verabschiedete, einen wunderbaren pflaumenfarbenen Zweireiher trug und einen weitkrempigen schwarzen Filzhut mit grünem Band.

Von Maximilian hatte sie mehrere Anschriften, die eines Hotels am Odéon, die einer kleinen Mietwohnung in der Nähe der Metrostation Glacière und eine dritte, sagte Věra, in einem mir nicht mehr erinnerlichen Bezirk, und sie peinigte sich mit dem Gedanken, die Adressen in einem alles entscheidenden Moment verwechselt und so das Abreißen der Korrespondenz verschuldet zu haben, wobei sie zugleich befürchtete, daß die von Maximilian an sie gerichteten Briefe vom Sicherheitsdienst einbehalten wurden bei ihrer Ankunft in Prag. Tatsächlich ist der Briefkasten in der Zeit bis zum Winter 1941, während Agäta noch in der Šporkova lebte, immer leer gewesen, so daß es, wie sie mir seltsamerweise einmal sagte, so war, als würden von unseren Botschaften gerade diejenigen, in die wir unsere letzten Hoffnungen setzten, fehlgeleitet oder ausgetrunken von den bösen Geistern, die überall um uns her die Luft durchschwirrten.

All ihre späteren, endlos sich hinziehenden Nachforschungen über meinen Verbleib in England und den des Vaters in Frankreich seien erfolglos geblieben. Wie man es auch anstellte, immer war es, als verliefen sämtliche Spuren im Sand, denn es habe ja damals, als ein Heer von Zensoren den Postverkehr durcheinanderbrachte, oft Monate gedauert, bis man aus dem Ausland eine Antwort bekam.

Ja, sagte sie mit einer vor Müdigkeit schon ganz leisen Stimme, wir seien seinerzeit, im Sommer 1938, alle miteinander in Marienbad gewesen, Agáta, Maximilian, sie selber und ich. Es waren drei wunderbare, beinahe selige Wochen. Die schwergewichtigen und die allzu mageren Kurgäste, die sich mit ihren Trinkbechern sonderbar langsam durch die Anlagen bewegten, strahlten, wie Agáta einmal beiläufig gesagt habe, etwas ungemein Friedfertiges aus. Wir wohnten in der Doppelpension Osborne-Balmoral gleich hinter dem Palace Hotel. Am Morgen sind wir meist in die Bäder und nachmittags endlos in der Umgegend spazierengegangen.

Eigentlich war es meine Absicht gewesen, dort, in der rue Emile Zola, wieder eine Wohnung zu nehmen, aber dann entschloß ich mich doch, hier im dreizehnten Bezirk etwas zu mieten, wo mein Vater, Maximilian Aychenwald, der in der rue Barrault seine letzte Adresse hatte, eine Zeitlang zumindest herumgegangen sein muß, bevor er anscheinend spurlos und unwiderruflich verschwand. Jedenfalls sind meine Erkundigungen in dem heute größtenteils leerstehenden Haus in der rue Barrault erfolglos geblieben, und erfolglos waren auch meine Anfragen bei den Einwohnermeldeämtern, sowohl wegen der sprichwörtlichen und in dem heurigen heißen Sommer noch mehr als gewöhnlich ausgeprägten Widerwärtigkeit der Pariser Beamten, als auch weil es mir selber von Mal zu Mal schwerer fiel, an den verschiedenen Stellen mein, wie ich mir sagen mußte, aussichtsloses Anliegen vorzubringen. Ich bin darum bald nur ohne Plan und Ziel durch die von dem Boulevard Auguste Blanqui abführenden Gassen gewandert, auf der einen Seite bis zur Place d'Italie hinauf und auf der anderen bis zur Glacière wieder hinunter, immer in der gegen jede Vernunft gerichteten Hoffnung, der Vater könne mir unversehens entgegenkommen oder aus dieser oder jener Haustür treten. Stunden um Stunden bin ich auch hier an meinem Platz gesessen und habe versucht, den Vater mir vorzustellen in seinem pflaumenfarbenen, inzwischen vielleicht schon ein wenig abgewetzten Zweireiher, wie er, über eines

der Kaffeehaustischchen gebeugt, die nachher nie angekommenen Briefe schreibt an seine Lieben in Prag. Ich überlegte mir stets wieder von neuem, ob er bereits nach der ersten Pariser Razzia, im August 1941 , in den halbfertigen Siedlungsbauten draußen in Drancy interniert worden ist oder erst im Juli des folgenden Jahres, als ein Heer von französischen Gendarmen dreizehntausend jüdische Mitbürger aus ihren Wohnungen holte in der sogenannten grande rafle, bei der über hundert der Verfolgten vor Verzweiflung aus dem Fenster gesprungen sind oder auf eine andere Weise sich ums Leben gebracht haben. Ich glaubte manchmal, die fensterlosen Polizeiwagen durch die vor Schrecken erstarrte Stadt rasen zu sehen und die zusammengefangene, im Velodrome d'Hiver unter freiem Himmel lagernde Menschenmenge und die Transportzüge, mit denen man sie bald darauf von Drancy und Bobigny aus verschickte; sah Bilder von ihrer Reise durch das Großdeutsche Reich, sah den Vater, immer in seinem schönen Anzug und dem schwarzen Velourshut auf dem Kopf, aufrecht und ruhig, unter all diesen angstvollen Leuten. Dann wiederum dachte ich, daß Maximilian Paris gewiß rechtzeitig verlassen haben wird, daß er südwärts gefahren, zu Fuß über die Pyrenäen gegangen und irgendwo auf der Flucht verschollen ist. Oder es war mir, wie ich schon sagte, sagte Austerlitz, als sei der Vater nach wie vor in Paris und warte gewissermaßen nur auf eine gute Gelegenheit, um sich zeigen zu können.





Juden in der Tschechoslowakei

1935 zählt die jüdische Bevölkerung etwa 380.000 Personen (105.000 im ungarischen Teil der Slowakei; 150.000 in der Slowakei; 80.000 in Böhmen und Mähren und 40.000 Flüchtlinge aus Deutschland und Österreich).
Ökonomisch-soziale Zusammensetzung:
39% Handel und Industrie, 21.5% Handwerk, 8.5% freie Berufe, Heer und Beamtenschaft, 12.5% ohne Beruf, Rente oder arbeitslos (mehr als die Hälfte von diesen am Rand des Existenzminimums).
Sofort nach Einmarsch der Deutschen kommen über 200.000 Juden in den Gaskammern um, sterben bei der Deportation oder Erschießungsaktionen oder fallen den unmenschlichen Ghetto-Bedingungen zum Opfer - lediglich 35.000 tschechische Juden überleben. Tschechen machen mit den Besatzern teilweise gemeinsame Sache, dienen als als Wachpolizisten, viele Slowaken nehmen an Erschießungsaktionen aktiv teil.
In der Nachkriegszeit sind Juden in der Tschechoslowakei nicht gern gesehen. Zum einen sind sie als Überlebende Zeitzeugen, zum anderen werden die inzwischen liebgewordenen Wertgegenstände, Wohnungen und Häusser mit großem Unwillen retourniert. Etwa ein Viertel der überlebenden Juden bekennt sich zur Deutschen Sprache. Ausreiseanträge bearbeitet die Bürokratie in boshaftem Schneckentempo, die Rückerstattung jüdischen Besitzes wird weitgehend umgangen.
1945 bis 1953 wandern 24.000 Juden nach Israel und Übersee aus.
Zur Verschärfung der schwierigen Lage tschechischer Juden trägt 1952 der politisch-antisemitische Schauprozess gegen Rudolf Slánský (1901-1952) und 13 weitere Angeklagte (darunter 11 Juden) bei. Slansky, seit 1921 Kommunist, 1929 im ZK und Präsidium der Kommunistischen Partei, Exil in Moskau, 1944 Einsatz beim slowakischen Nationalaufstand, Generalsekretär der KPC (mitgliederstärkste Partei der CSSR). Sein Rivale Klemens Gottwald entmachtet und verhaftet 1951 mit Stalins Zustimmung Slánský.
Der Staatsanwalt wirft den Angeklagten Schuldung an der desolaten Wirtschaftslage und eine, titoistische und zionistische, d.h. staatsfeindliche Verschwörung vor. Das Gericht verurteilt 8 von ihnen zum Tode durch Erhängen, die anderen zu lebenslanger Haft (1963 hebt der Oberste Gerichtshof das Urteil auf).
Heute leben etwa 18.000 Juden in der ehemaligen Tschechoslowakei.