Damit du aber möchtest verstehen, wie es eine Substanz und Gelegenheit mit allen diesen Dingen und Geburten habe, so will ich alles nacheinander, ein jedes in seiner Ordnung beschreiben, damit du den Grund dieser Geheimnis recht verstehest; und will erstens an der Erden anfangen, hernach zweitens von der Tiefe über der Erden, und zum dritten von der Zusammenkorporierung der Körper der Sternen, zum vierten von den sieben Hauptqualitäten der Planeten und von derselben Herze, welches ist die Sonne, zum fünften von den vier Elementen, und zum sechsten von der äußerlichen begreiflichen Geburt, welche entstehet aus diesem ganzen Regiment, und zum siebenten von der wunderlichen Proporz und Geschicklichkeit des ganzen Rades der Natur.

Hermann Hesse: Die Lektüre der Texte Böhmes erfordere »ein vorübergehendes ›Leerwerden‹, eine völlig freie Aufmerksamkeit und Seelenstille«. Hegel nennt Böhme den ersten deutschen Philosophen.
Ernst Bloch: »Dergleichen ward seit Heraklit nicht mehr gehört.«

Kaum eine Figur steht so singulär zwischen den Epochen wie der große »Ungleichzeitige« Jacob Böhme (1575-1624). Während Galilei, Francis Bacon und Descartes die modernen Naturwissenschaften und den Rationalismus begründeten, schuf der Schuhmacher aus Görlitz – trotz Schreibverbot und Verfolgung als Ketzer – die bedeutendsten Schriften der deutschen Mystik. Seine visionäre christliche Theosophie beeinflusste die Philosophen des Deutschen Idealismus sowie Romantiker wie Novalis und fasziniert bis heute.

Jacob Böhme, ein Zeitgenosse Shakespeares, Keplers und Giordano Brunos, wird in Altseidenberg bei Görlitz als Sohn einer Bauernfamilie geboren, lebt als Schuhmacher und Garnhändler in Görlitz an der Neiße - zu Beginn des 17. Jahrhunderts eine blühende protestantische Handelsstadt auf der Via Regia.
Nach einer Folge von geistigen Durchbruchs- und Erleuchtungserfahrungen verfasst er 1612 als sprachmächtiger Autodidakt das Buch MORGENRÖTE IM AUFGANG, ein Memorial seiner Visionen und ein grandioser Entwurf der Naturphilosophie und der christlichen Theosophie, der einen radikalen Bruch mit kirchlicher Autorität bedeutete und die Erkenntnis- und Willensfreiheit des Menschen in den Mittelpunkt stellt.
Böhme wird inhaftiert, erhält Schreibverbot, man klagt ihn öffentlich der Ketzerei an, kann aber nicht verhindern, dass er in den politisch unabhängigen und geistig aufgeschlossenen Kreisen des niederschlesischen Adels bekannt wird.
Dort betrachtet man ihn als Propheten und lässt ihm jede erdenkliche Unterstützung zukommen. Die letzten Jahre seines Lebens verbringt er, trotz andauernder Verfolgung durch die lutherische Obrigkeit, als Gast auf verschiedenen Landsitzen des niederschlesischen Adels, vor allem mit der Niederschrift seines umfangreichen Werkes beschäftigt. Noch zu Lebzeiten werden die Schriften des "Philosophus Teutonicus" in weiten Teilen Europas bekannt, vor allem in Holland, England und Russland.
Politikum: Noch auf dem Sterbebett wird Böhme einem Glaubensverhör unterzogen; man verweigert ihm ein christliches Begräbnis und sein Grab auf dem Görlitzer Nicolai-Friedhof wird wenige Tage später von Unbekannten verwüstet.







Nun sprichst du: So sind die Sternen dennoch Gott, die man für Gott ehren und anbeten soll? Bis hieher sind auch die weisen Heiden kommen, welche zwar mit ihrem scharfen Verstande unsere Philosophos gar weit übertroffen haben, aber die rechte Tür der Erkenntnis ist ihnen noch verborgen blieben.
Siehe, die Sternen sind ja aus Gott zusammenkorporieret. Du mußt aber dessen Unterscheid verstehen, denn sie sind nicht das Herze und die sanfte, reine Gottheit, die man für Gott ehren und anbeten soll, sondern sie sind die innerste und schärfeste Geburt, da alles in Kämpfen und Ringen stehet, da sich zwar das Herze Gottes immer gebäret und der Heilige Geist aus dem Aufgange des Lebens immer ausgehet.
Aber die scharfe Geburt der Sternen kann das Herze Gottes nicht wieder ergreifen, sowohl auch den Hl. Geist, sondern das Licht Gottes, welches in der Ängstlichkeit aufgehet mit samt dem Wallen des Hl. Geistes bleibet als das Herze für sich frei und herrschet inmitten in dem Schluße des verborgenen Himmels, der aus dem Wasser des Lebens ist.
Denn von demselben Himmel haben die Sternen ihre erste Anzündung bekommen, und sind nur wie ein Werkzeug, das Gott zur Geburt brauchet.


Woher stammt das Böse, wenn alles Gott ist?
Es müsse etwas Böses geben, da es sonst nichts Gutes gäbe.
Es gebe einen sich durch alles Sein und durch alles Denken hindurchziehenden Widerspruch, ohne den es nichts gäbe. Dieser Widerspruch sei die innerste Triebkraft der Welt. Das Böse sei schon im göttlichen Grunde der Welt angelegt.